Kontrovers

Astrologie im Coaching

Die Antwort liegt in den Sternen – ein Selbstversuch

Ein kritischer Blick auf die Astrologie, die als Coaching-Methode Klientinnen und Klienten bei ihren Entscheidungen im Berufsleben „anleiten“ soll.

9 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 1 | 2025 am 18.02.2025

Über ausgestreckten, geöffneten Händen erhebt sich ein Kreis mit den Sternzeichen.

Es gibt viele sehr unterschiedliche Ansätze und Methoden im Business-Coaching, diverse Denkschulen, Techniken und Überzeugungen sind hier anzutreffen. Zudem wird im Coaching gerne mit Metaphern und Analogien gearbeitet, die Feedback- und Erkenntnisprozesse unterstützen sollen: Das kann z.B. durch Geschichten oder auch durch einen Waldspaziergang oder die Betrachtung von Kunst geschehen. Diese Beispiele sind jedoch lediglich Hilfsmittel und die Vorstellung, ein bestimmtes Gemälde im Museum oder der Waldweg mit den umstehenden Bäumen selbst hielten die Lösung bereit, ist absurd. Ganz anders verhält es sich aber, wenn es im Coaching um die Position bestimmter Himmelskörper zum Geburtszeitpunkt einer Person geht: Hier, in der Astrologie, liegt tatsächlich die Lösung. Oder?

Im Folgenden wird erläutert, was Astrologie grundsätzlich ist – und warum ihre Aussagen nicht haltbar sind. Das Augenmerk liegt dabei auf Coaching-Angeboten, die Astrologie als Methode einsetzen, um Klienten mit vermeintlichen Tatsachen zu versorgen, die zu „richtigen“ und damit sicheren Entscheidungen im Berufsleben führen. Es geht auch um das Versprechen, Teams anhand astrologischer Erkenntnisse so zusammenzustellen, dass sie optimal arbeiten können.

Um die hier lauernde Absurdität zu verdeutlichen, hat sich das Redaktionsteam des Coaching-Magazins einem Selbstversuch unterzogen und sich auf zahlreichen Plattformen hinsichtlich ihres Berufslebens und ihrer Zusammenarbeit als Team geprüft.

Was Astrologie ist ...

Zwar gibt es zahlreiche Strömungen, Auslegungen und sogar „Schulen“ innerhalb derer sich Astrologen bewegen, doch das Grundprinzip ist in etwa gleich: (Bestimmte) Gestirne mitsamt Planeten, Trabanten, Sternenkonstellationen – insbesondere die Tierkreiszeichen – etc. üben einen signifikanten und umfassenden Einfluss auf das Weltgeschehen und den einzelnen Menschen aus. Diese Überzeugung fußt auf jahrhundertelangen Beobachtungen und den hier erkannten Zusammenhängen zwischen Sternenkonstellationen und Ereignissen, Persönlichkeitsmerkmalen und dem Schicksal von Personen (Wikipedia, 2024). Mit diesem Hintergrund und Wissen halten es Astrologen für möglich, gezielte Vorhersagen – auch zu romantischen wie beruflichen Erfolgen und Perspektiven einer Person – zu treffen.

Ausgangspunkt für eine umfassende und genaue Prognose ist in der Regel die Konstellation bestimmter Gestirne und Planeten am Geburtsort zum exakten Geburtszeitpunkt der Person. Dieses sehr am Individuum orientierte Vorgehen wirkt, als handle es sich dabei um ein äußerst spezifisches und einzigartiges Merkmal der Person, die damit verbundenen Zuschreibungen scheinen damit ebenso einzigartig zu sein.

... und warum ihre Aussagen nicht haltbar sind

Was so einzigartig klingt, ist es in Wirklichkeit nicht. Schließlich muss man sich einfach den Umstand vor Augen halten, dass ständig mehrere Menschen zur nahezu gleichen Zeit am gleichen Ort geboren werden, man denke an Zwillinge oder die Anzahl an Geburten in großen Krankenhäusern. Diese kurz nacheinander geborenen Personen müssten nach der astrologischen Logik ein auffallend ähnliches Lebensschicksal haben und über quasi identische Persönlichkeitsmerkmale verfügen. Man möge Zwillingseltern hierzu gerne befragen.

Diesen Umstand der sogenannten „Zeitzwillinge“ haben mittlerweile zahlreiche Studien genutzt, um die Astrologie zu widerlegen. So untersuchte eine dieser Studien über 2.100 in London geborene Zeitzwillinge hinsichtlich astrologischer Prognosen und Zuschreibungen (Dean & Kelly, 2003), eine andere sogar insgesamt über 15.000 Personen weltweit hinsichtlich Parallelen in Persönlichkeitsmerkmalen und Intelligenz in Zusammenhang mit gleichem Geburtstermin und -ort (Hartmann et al., 2006). Keine Zusammenhänge wurden gefunden – die eindeutigen Ergebnisse der erstgenannten Studie lösten sogar große Empörung unter den Astrologen aus, mitsamt Manipulations- und Diskreditierungsvorwürfen u.a. seitens der British Association of Astrologers (Einhorn, 2017).

Abseits dessen basieren viele der astrologischen Prognosen auf Modellen und Informationen, die teils über 2.000 Jahre alt sind. Sternenkonstellationen haben sich aber aus Erdsicht seither verändert, man gewann astronomische Erkenntnisse über das Wesen der Sterne, veränderte die Kalender und entdeckte weitere Planeten wie Uranus und Neptun – weshalb die komplexen astrologischen Systeme und Zuschreibungen nicht mit der Realität übereinstimmen (Doeckel et al., 2023). Hinzu kommt, dass es keine auf aktuellen physikalischen Grundsätzen basierende Erklärung gibt, wie die Himmelskörper einen solchen Einfluss auf Menschen ausüben könnten (ebd.). Im Gegensatz dazu entdeckte man das Phänomen der Synchronizität und den Barnum-Effekt, womit man die „Wirkung“ der Astrologie erklären kann: Ersteres beschreibt „zeitnah aufeinander folgende Ereignisse, die nicht über eine Kausalbeziehung verknüpft sind, vom Beobachter jedoch als sinnhaft verbunden erlebt werden“ (Stangl, 2024a); Letzteres „bezeichnet die Neigung von Menschen, vage und allgemeingültige Aussagen über die eigene Person als zutreffende Beschreibung zu akzeptieren“ (Stangl, 2024b).

Dennoch glauben in Deutschland 61 Prozent der 35- bis 44-Jährigen und 48 Prozent der 45- bis 54-Jährigen an Vorhersagen aus Horoskopen (Statista, 2021). Laut einiger Studien steigen diese Zahlen seit 1977 beständig (Psiram, 2025).

Astrologie im Coaching

Dieser stellare Prädestinationsglaube macht natürlich auch vor dem Berufsleben nicht halt. So gibt es zahlreiche Coaching-Angebote, die berufliche Anliegen mit Hilfe der Astrologie bearbeiten und „lösen“ wollen. Es gibt Horoskop-basierte Team-Building-Maßnahmen; die durch planetare Konstellationen optimale Berufs- und Karriereplanung; perfekt auf die astrologischen Eigenschaften des Gegenübers abgestimmtes Konfliktmanagement; auf Geburtshoroskopen und damit einhergehenden Eigenschaften (und Prädestinationen) basierende Potenzialanalysen usw. Dementsprechend finden sich bei astrologischen Coaches nicht selten Angebote zur Besetzung von Teams und Stellen anhand des Geburtshoroskops.

Das Versprechen dahinter ist, die bestmögliche Sternzeichenkombination zu finden, damit das Team effektiv arbeiten kann. Führung mit kosmischer Anleitung – aber natürlich nur mit Hilfe des Coachs, den es zu bezahlen gilt. Man könnte dies nun als harmlosen esoterischen Glauben abtun, als Hobby. Allerdings ist es keineswegs harmlos, wenn man damit Entscheidungen aus der Hand gibt, die man besser unter Zuhilfenahme realer Fakten treffen sollte. Man muss sich vor Augen halten, dass Astro-Coaches anpreisen, Führungspositionen anhand des Sternzeichens und den somit zugeschriebenen Fähigkeiten und Kompetenzen zu besetzen – als ob eine Person qua Geburt im Sonnenzeichen Steinbock Aszendent soundso besondere Führungskompetenz hätte. Und wer übernimmt die Verantwortung, wenn so eine Führungskraft scheitert, ein astrologisch perfekt passendes Team im Streit auseinanderbricht oder die mittels Planetenkonstellation optimale Investition – das kommt tatsächlich wesentlich öfter vor, als man glauben würde (Doeckel et al., 2023) – ein Reinfall ist? Der „rückläufige Merkur“, gemeinhin ein offenbar schlechtes Omen, bestimmt nicht.

Der Selbstversuch

Um die Absurdität einer astrologisch geprägten Berufswahl und Teamzusammenstellung vor Augen zu führen, hat sich die Redaktion des Coaching-Magazins selbst getestet. Als Quellen dienten unter anderem bekannte Karrierewebseiten wie Stepstone oder Stellenanzeigen.de, die auffallend ausführliche Berufshoroskope anbieten, sowie diverse Astrologie-Seiten. Zudem entpuppte sich ChatGPT als überraschend aussagefreudiger und sehr detaillierter „Astrologe“ mit Antworten, die sich im Kern nicht von den anderen Angeboten – die untereinander sehr ähnlich sind – unterscheiden.

Berufsauswahl

Zieht man das Berufshoroskop von Stepstone (Leuchtenberger, 2024) und ChatGPT heran, so hätte das Teammitglied mit Sternzeichen Schütze offenbar ins Schwarze getroffen: Für den Schützen sei eine Arbeit im Bereich Journalismus und Schriftstellerei oder auch Weiterbildung und Coaching perfekt, allerdings in der Rolle des „geborenen Lehrers“ – eine für die Person grauenhafte Vorstellung. Die beiden Stiere im Redaktionsteam hätten einen ausgeprägten Blick für praktische Ästhetik, v.a. im Bereich Architektur und Hotelmanagement, wären aber im Finanzwesen aufgrund ihrer „natürlichen Fähigkeit, mit Zahlen umzugehen und komplexe Finanzdaten zu analysieren und zu interpretieren“, besonders gut aufgehoben. Ein Auge für das Schöne ist bei der Produktion eines Magazins unerlässlich, aber die Affinität zu Zahlen ist, besonders bei einem der Stiere, sehr gering und die aufgeführten Berufsfelder bei beiden nicht von Interesse. Das vierte Mitglied ist Krebs und besteche somit durch „emotionale Intelligenz, Fürsorge und Empathie“, soziale Berufe, Psychologie, Erziehungswesen aber auch Datenethik und Datenschutz wären bei ihm prädestiniert. Man kann der Person diese Eigenschaften nicht absprechen, aber sie besticht vor allem durch ihre außergewöhnlich schnelle Auffassungsgabe und Flexibilität – und Ethik und Datenschutz sind nicht ihre liebsten Themen. Der zuvor beschriebene Barnum-Effekt greift hier stark: Man findet bei diesen vagen Zuschreibungen definitiv etwas, das passt – oder zumindest passend gemacht werden könnte.

Zusammenarbeit als Team

Hinsichtlich der Zusammenarbeit als Team wird nach Eingabe von Geburtszeit und -ort des Schützen bei ChatGPT schnell ersichtlich, dass er die größte Herausforderung im Team ist. Der Krebs im Team sei nach der „Astro-KI“ zu emotional und bindend für ihn, der Krebs empfinde seinen „direkten und manchmal unverblümten Kommunikationsstil als verletzend“. Die beiden Stiere hingegen harmonierten mit dem Krebs hervorragend. Es ist wieder der Schütze, der mit beiden Probleme haben dürfte, da die Stiere für seine Arbeitsweise zu langsam und träge wären, zu starr und hartnäckig in den Abläufen – während er selbst das Abenteuer und das Neue suchen würde. Der aufregende, flexible und innovativ-schnelle Schütze mit zwei klammernd-bindenden Klötzen am Bein? Man wird den Verdacht nicht los, als würden vielmehr die Tiere Krebs (klammernd, kneifend) und Stier (stur, langsam) und ein klischeehafter abenteuerlustiger Bogenschütze beschrieben werden.

Fragt man übrigens ChatGPT aus Perspektive der beiden anderen Sternzeichen zur Zusammenarbeit mit dem Schützen, so tauschen die durchaus negativ angehauchten Konnotationen plötzlich ihre Plätze: Der Schütze mit seiner nun ungehaltenen Art, seiner gedankenverlorenen (und nicht mehr intellektuell-weitblickenden) und dadurch etwas nachlässigen Arbeitsweise mache den fokussierten und zielgerichteten Stieren das Leben schwer. Man bekommt, was man hören möchte.

Apropos: In der Realität haben die beiden Stiere sehr unterschiedliche Arbeits- und Kommunikationsstile. In diesem Punkt sind sich der Krebs und einer der Stiere wesentlich ähnlicher. Übrigens hat ausgerechnet der Schütze das langsamste Lesetempo von allen. Man versteht sich sehr gut, trifft sich sogar regelmäßig privat zu Spieleabenden.

Schlussfolgerung

Die Astrologie hat nichts mit Wissenschaft und Fakten zu tun, es geht hier um Glauben – wofür man sich auch entscheiden kann. Problematisch wird es, wenn man sein Leben und auch seine beruflichen Entscheidungen anhand der Sterne ausrichtet und Fakten nicht beachtet. Das gilt im Besonderen für Coaching-Angebote, die diesen Glauben als komplexe Wissenschaft verkaufen. Sie geben auf diese Weise falsche Sicherheiten und Gewissheiten im Kontext der Entscheidungsfindung und Führung, die letztlich schlichtweg aus der Luft gegriffen sind.

Der kurze Selbstversuch des Redaktionsteams verdeutlicht anekdotisch, dass eine nüchterne Betrachtung der eigenen Stärken und Schwächen recht schnell die Grenzen der Horoskope aufzeigt. Und ob ein Team gut zusammenpasst, hat doch vielmehr mit Menschen als mit Sternen zu tun.

Literatur

Dean, G. O. & Kelly, I. W. (2003). Is Astrology Relevant to Consciousness and Psi? Journal of Consciousness Studies, 6–7, S. 175–198.

Doeckel, M; Focke, J. & Bültena, L. (2023). Der Fall Palina Rojinski: Folge deinen Sternen besser nicht. Podcast Quarks Science Cops, Folge 54 vom 30.04.2023. Abgerufen am 03.12.2024: www.quarks.de/podcast/quarks-science-cops-der-fall-palina-rojinski

Einhorn, K. (2017). Lebensläufe astrologischer „Geburtszeit-Zwillinge“. Verein Kuffner-Sternwarte. Abgerufen am 10.12.2024: https://diesterne.at/index.php#Zeitzwillinge

Hartmann, P.; Reuter, M. & Nyborg, H. (2006). The relationship between date of birth and individual differences in personality and general intelligence: A large-scale study. Personality and Individual Differences, 7, S. 1349–1362.

Leuchtenberger, J. (2024). Jobsuche mal anders: Welcher Beruf passt zu deinem Sternzeichen? About_work. Das Stepstone Magazin. Abgerufen am 13.01.2025: www.stepstone.de/magazin/artikel/welcher-beruf-passt-zu-deinem-sternzeichen

Psiram (2025). Astrologie. Wiki der irrationalen Überzeugungssysteme. Abgerufen am 14.01.2025: https://www.psiram.com/de/index.php/Astrologie

Stangl, W. (2024a). Synchronizität. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik. Abgerufen am 10.12.2024: https://lexikon.stangl.eu/1101/synchronizitaet

Stangl, W. (2024b). Barnum-Effekt. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik. Abgerufen am 10.12.2024: https://lexikon.stangl.eu/531/barnum-effekt

Statista (2021). Glauben Sie an die Vorhersagen aus Horoskopen? Abgerufen am 16.12.2024: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1273797/umfrage/glaube-an-vorhersagen-aus-horoskopen-nach-alter/

Wikipedia (2024). Astrologie. Abgerufen am 10.12.2024: https://de.wikipedia.org/wiki/Astrologie

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