In Zeiten von Digitalisierung und anhaltendem, teils disruptivem Wandel entstehen in Unternehmen zahlreiche Trennungs-, Verlust- und Übergangssituationen. Hierdurch ergeben sich für Coaches neue Handlungsfelder, wie Coach Karin Wurth (2018, S. 2) berichtet, denn nicht zwangsläufig bestehe der Coaching-Anlass im Jobverlust des Klienten: "Getrennt wird ja auch, wenn Teams neu besetzt oder aufgelöst, räumliche Gemeinschaften beendet, Strukturen aufgebrochen, Aufgaben ausgegliedert oder Projekte gestoppt werden." Innerhalb der Unternehmen und der Coaching-Branche fänden diese Formen von Trennung bisher allerdings weniger Beachtung, hebt Wurth kritisch hervor.
Ausgangssituationen für Coaching, das im Kontext von Trennungen stattfindet, seien bisher vor allem die Begleitung gekündigter Mitarbeiter im Auftrag des Arbeitgebers, Job- und Karriere-Coaching als Baustein von Out- oder Newplacement-Angeboten sowie die Unterstützung von HR und Führungskräften, die Trennungen vollziehen müssen, so Wurth (2018). Unter dem Begriff der Outplacement-Beratung, für den gelegentlich auch der positiver konnotierte Begriff der Newplacement-Beratung verwendet wird, versteht man gemeinhin die von Unternehmen in Auftrag gegebene und bezahlte Unterstützung und ggf. Neuvermittlung gekündigter Mitarbeiter durch unternehmensexterne Berater.
Trotz der eingangs skizzierten Erweiterung des Spektrums trennungsbezogener Coaching-Anlässe, welche sich im Zuge starker wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungen ergibt, verliert die Outplacement-Beratung keineswegs an Bedeutung. Im Gegenteil: Wo umfassend umstrukturiert wird, gehören auch Kündigungen zum Geschäft.
Eine Marktstudie des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater e.V. (BDU, 2017) beziffert den Branchenumsatz des Jahres 2016 auf 81 Millionen Euro. Hiermit weist sie eine deutliche Steigerung gegenüber dem in einer Vergleichserhebung des Jahres 2013 ermittelten Wert von 74 Millionen Euro aus.
Im Jahr 2004 lag der Umsatz mit 40 Millionen noch deutlich darunter. Bereits 2013 wurde, nachdem die Branche in den Jahren 2010 und 2011 einen Umsatzrückgang zu verzeichnen hatte, ein Rekordwert erreicht. "Wir nehmen deutlich wahr, dass besonders die Betriebsräte Vereinbarungen der Unternehmensleitung für Outplacementberatungs-Programme viel offensiver unterstützen und befürworten als zurückliegend", kommentierte der damalige BDU-Vizepräsident Herbert Mühlenhoff. (Ebermann, 2014)
Die Beratung der Ausscheidenden gehört mittlerweile zum Trennungs-Repertoire vieler Unternehmen, wie die vom Beratungsunternehmen Kienbaum im Jahr 2016 durchgeführte Studie "Trennungsmanagement 4.0 – Themen, Trends und Best Practices" belegt. 85 Prozent der Befragten gaben an, ihr Unternehmen greife auf externe Newplacement-Dienstleistungen zu. Dies relativiert die von 70 Prozent der insgesamt 433 befragten Unternehmensvertreter getroffene Aussage, es bestehe im eigenen Unternehmen keine echte Trennungskultur, die u.a. aus definierten Prozessen und Strategien bestünde.
Allerdings wird über den Einsatz des Instruments laut der Studienergebnisse eher einzelfallbasiert entschieden. Hierbei gilt wenig überraschend: Je größer das Unternehmen ist, desto häufiger wird die Beratung angeboten.
Arbeit erfüllt viele Funktionen zugleich. Für viele Menschen ist sie ökonomische Existenzgrundlage, sozialer Anker sowie Quelle der Anerkennung, Sinngebung und des Selbstwertes. Vor allem nach bereits längerer Unternehmenszugehörigkeit kann die Kündigung eines Mitarbeiters daher eine starke Belastung für diesen bedeuten. Am Anfang einer ggf. als Teil des Trennungspaketes vereinbarten Outplacement-Beratung kann in einem solchen Fall – wie Coaches dies auch im Kontext anderer Coaching-Anlässe zahlreich berichten – ein entlastendes Cooling-Down stehen.
Auch das Erarbeiten neuer arbeitsbezogener Perspektiven, das den wesentlichen Pfeiler der Outplacement-Beratung darstellt und dem beispielsweise der Abbau hinderlicher Glaubenssätze oder die wertebasierte Reflexion eigener Wünsche und Ziele vorausgehen kann, sollte zu den Kompetenzen eines Coachs gehören. Es darf darüber hinaus die Frage in den Raum gestellt werden, ob ein Berater nicht sogar zwingend über Coaching-Kompetenz verfügen und einen coachenden Gesprächsansatz praktizieren sollte, um diese Aufgaben im Sinne der Selbstbestimmung des Klienten erfüllen zu können.
Klienten und Auftraggebern scheint Coaching-Know-how gleichwohl aber nicht auszureichen. Dies ist jedenfalls die aufseiten der Anbieter überwiegend vertretene Sichtweise, wie die auf das Jahr 2016 bezogenen Ergebnisse der 2017 veröffentlichten Marktstudie des BDU aussagen. Im Rahmen der Erhebung berichteten 95 Prozent der befragten Outplacement-Berater, ihnen sei in ihrer Berufspraxis der Wunsch der Klienten nach einer aktiven Platzierungsunterstützung begegnet.
Einer entsprechenden Trendthese, nach der sowohl die Auftrag gebenden Unternehmen als auch die Kandidaten von den Beratern "noch schnellere Platzierungsergebnisse sowie eine ausgeprägte Ergebnis- und Dienstleistungsorientierung" erwarten, stimmten 89 Prozent der Teilnehmer zu. Ein Coaching allein stelle kein ausreichendes Angebot dar, schlussfolgerte der BDU im Jahr 2017. Die Befragten deckten nach Angaben der Studienverantwortlichen rund 60 Prozent des Marktumsatzes im Bereich des Outplacements in Deutschland ab. Rund 20 spezialisierte Outplacement-Beratungen wurden einbezogen.
Das Fazit, das hieraus gezogen werden kann: Wollen Coaches im Bereich des Outplacements weiterhin oder sogar verstärkt am Markt teilhaben, so müssen sie ihr Beratungsprofil stets auf dem neuesten Stand halten – und zwar auch hinsichtlich dessen, was von den Klienten an konkreten Platzierungsleistungen eingefordert wird. Dies schließt Digital-Know-how (siehe auch BDU, 2017) ein, schließlich werden dem Einsatz digitaler Technologien (z.B. Big Data) auch und gerade im Recruitment große Chancen und Veränderungspotenziale attestiert (Jäger, 2017).
Eine aktuellere Befragung des BDU (2018) richtete sich nicht an die Anbieterseite, sondern direkt an die Klienten. Von Juli bis September 2017 nahmen insgesamt 117 Personen teil, die in den zurückliegenden zwei Jahren eine Einzel-Outplacement-Beratung durchlaufen haben. In Erfahrung gebracht werden sollte, welche Aspekte der Beratung von den Klienten als besonders bereichernd bzw. wichtig empfunden wurden.
Die Ergebnisse: An einer Outplacement-Beratung schätzen die Klienten vor allem die Motivationskraft, die von den externen Beratern ausgehe. "Gleichzeitig fühlen sie sich optimal unterstützt, wenn es gelingt, im Laufe der oftmals als Belastung empfundenen beruflichen Neuorientierung ein starkes Vertrauensverhältnis aufzubauen", resümiert der BDU (2018). So stellten 85 Prozent der Befragten die Rolle des Beraters als Vertrauensperson heraus. Insbesondere von Klienten aus dem Top-Management werde dieser Faktor als wirkungsvolle Unterstützung empfunden, berichtet der BDU. Folgerichtig hoben 82 Prozent der Teilnehmer das "direkte und persönliche Coaching" als wichtig hervor.
Als weniger wichtig, fasst der BDU (2018) zusammen, empfinden die Befragten hingegen aktive Vermittlungsanstrengungen durch den Outplacement-Berater sowie den Einsatz von Online-Tools und Webinaren. Aktive Vermittlungsaktivitäten des Beraters bewerten 53 Prozent der Teilnehmer rückblickend als wichtig. Caterine Schwierz, Vorsitzende des BDU-Fachverbands Outplacementberatung kommt daher zu dem Schluss: "Trotz aller Möglichkeiten durch die Digitalisierung bleibt die persönliche Komponente der Erfolgsfaktor Nr. 1 in einem fairen Trennungsprozess."
Die – zumindest augenscheinlich gegebene – Diskrepanz zwischen den Ergebnissen beider BDU-Erhebungen ist kaum zu übersehen. Der Fokus der Klienten liegt möglicherweise stärker, als dies auf der Anbieterseite vermutet wird, auf "weichen" Kompetenzen. Diese sollte man insbesondere im Coaching-Bereich vermuten, sofern man Coaching in Abgrenzung von Fachberatung als personen- und beziehungsorientierte Prozessberatung versteht (für modelltheoretische Hintergründe siehe auch Rauen, 2014). Die Anbietersicht, die der konkreten Neuplatzierung große Bedeutung beimisst, könnte hingegen stärker durch die Interessen der Auftrag gebenden Unternehmen beeinflusst sein. Zwar ist das Bewusstsein für die (im positiven Sinne) imagebildende Bedeutung eines wertschätzenden Trennungsmanagements in den Unternehmen durchaus gegeben (Kienbaum, 2016). Allerdings dürfte aufseiten der Auftraggeber zugleich auch ein gesteigertes (weil finanzielles) Interesse an einer schnellen Neuplatzierung der gekündigten Mitarbeiter bestehen.
Tatsächlich sollte jedoch angenommen werden, dass die augenscheinlich widersprüchlichen Ergebnisse in der Praxis vereinbar sind, denn: Letztlich bleibt festzuhalten, dass sich der Aufbau eines vom Klienten als stärkend empfundenen Vertrauensverhältnisses zum Coach und konkrete Bemühungen der Neuplatzierung alles andere als gegenseitig ausschließen. Im Gegenteil: Es ist denkbar, dass die aktive Platzierungsunterstützung insbesondere dann von Erfolg gekrönt sein kann, wenn zuvor eine Stärkung der vom Klienten empfundenen Selbstwirksamkeit erzielt werden konnte.
Schlösser und Kiesele (2017, S. 37) begründen dies – wenn auch bezugnehmend auf das Coaching Langzeiterwerbsloser – folgendermaßen: "Wenn das Job-Coaching erfolgreich ist und der Klient sich in einem ressourcenvollen Zustand befindet, ist auch der Blick für berufliche Ziele oder Teilziele offen." Diese Argumentation sollte auch auf den Kontext des Outplacements übertragbar sein. Die in der erwähnten Klienten-Befragung des BDU (2018) befragten Personen stellen jedenfalls die Motivationskraft der Berater positiv heraus. Die Rolle des Experten (für die aktive Neuplatzierung) und die Funktion des Coachs sind demnach in der Person des Outplacement-Beraters in zielführender Weise vereinbar.