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Coaching für Mitarbeiter in Fachlaufbahnen

 Laufbahnentwicklung für Fachkräfte

9 Min.

Erschienen im Coaching-Newsletter in Ausgabe 11 | 2013

Zum Wesen der Fachlaufbahn

Berufliches Weiterkommen oder "Karriere machen" ist für Arbeitnehmer ein Ziel, um Wünschenswertes zu realisieren: Wertschätzung, materielle Beweglichkeit, Machtentfaltung. Gleichzeitig ist es Ziel der Arbeitgeber, qualifiziertes Personal zu finden, es leistungsgerecht zu motivieren und langfristig zu binden.

Diese Zielsetzungen lassen sich in der Laufbahnentwicklung für Fachkräfte als effektives Instrumentarium der Personalentwicklung zusammenführen. In Zeiten flacher Hierarchien und dem späteren Eintritt in den Ruhestand ist die Anzahl freier Führungspositionen begrenzt, und die Fachlaufbahn gewinnt neben traditionellen Karrierewegen an Bedeutung.

Was ist eigentlich eine Fachkarriere? Domsch (2011) definiert die Fachlaufbahn als "ein neben der traditionellen Führungshierarchie existierendes hierarchisches Positionsgefüge für hoch qualifizierte Fachspezialisten. Sie sieht Rangstufen – parallel zu verschiedenen Leitungsebenen der Führungslaufbahn – mit spezifischen Bezeichnungen und Anreizen vor." 

Die Fachkarriere ist nicht unbedingt spiegelsymmetrisch zur Führungslaufbahn gestaltet. Die Spitzenfunktionen im Unternehmen werden immer Führungsfunktionen sein. Eine einmal eingeschlagene Fachlaufbahn sollte keine endgültige Entscheidung sein. Mitarbeiter können in die Führungslaufbahn wechseln oder umgekehrt.

Charakteristisch für Positionen in der Fachlaufbahn sind ein hoher Anteil an reinen Fach- und ein geringer Umfang an Personalführungs- und Verwaltungsaufgaben. Fachspezialisten sind im Unternehmen mit neuen Aufgaben und Verfahrensverbesserung konfrontiert. Sie arbeiten unter Termin- und Leistungsdruck, mit teils langen Arbeitszeiten. Sie decken komplexe Schnittstellen im betrieblichen Geschehen ab. Im Vergleich zu Führungskräften haben sie weniger Möglichkeiten, die Arbeit autark zu planen (Lohmann-Haislah, 2012). 

Fachkarrieren gibt es seit vielen Jahren, insbesondere in Know-how-intensiven Bereichen wie beispielsweise Forschung und Entwicklung, Informationstechnologie, Engineering, Planungs-/Strategiebereich, Bildungsbereich, Rechtsabteilungen, Finanzdienstleistern, aber auch generell in Unternehmen mit komplexen Aufgabenstellungen.

Das Ziel von Fachkarrieren ist die Beeinflussung der Leistungsfähigkeit/-motivation von Arbeitnehmern in dem Sinne, dass die Leistungserwartungen des Unternehmens erfüllt werden. Es wird langfristig erreicht, wenn die positiven Erfahrungen mit ihr überwiegen und die negativen vermieden werden. Dies ist jedoch nicht immer der Fall:


Fachspezialisten bedauern beispielsweise, dass sie – obwohl mit Titeln oder Bezeichnungen dekoriert und in ihrer Hierarchie hochstehend – keine Sichtbarkeit und offene Wertschätzung der Geschäftsleitung haben. Denn diese kommuniziert schlichtweg mit disziplinarischen Führungskräften. Zu dem letzteren Kreis haben Fachspezialisten keinen Zutritt, können selten in ihr Netzwerk eintauchen, um persönliche Beziehungen für das berufliche Weiterkommen zu etablieren.

Die Beziehung zum disziplinarischen Vorgesetzten kann eine Farce sein, soweit sie auf gleicher Hierarchieebene stattfindet, die Führungskraft aber über weitergehende Entscheidungsbefugnisse als der Fachkarrierist verfügt. Sie macht den letzteren zum Vasallen der Führungskraft und geht mit einem Ohnmachtsgefühl eines "zahnlosen Tigers" einher. Dieses Verhalten beginnt bereits bei der Auswahl der Mitarbeiter, die die Fachlaufbahn durchlaufen dürfen und ihrer späteren Weiterentwicklung.

Darüber hinaus können Nichternannte oder -beförderte der Fachkarriere demotiviert und enttäuscht sein. Das Fachkarrieresystem verschärft den Konkurrenzkampf zwischen Mitarbeitern, die aufgrund ihrer Spezialisierung die Gefahr sinkender Einsatzflexibilität im Unternehmen haben.

Im schlimmsten Fall wird mittels des Fachlaufbahnkonzepts eher die Machtlosigkeit der Spezialisten formalisiert und mit dieser Führungskräfte zweiter Klasse geschaffen, anstelle eine gleichwertige Laufbahnvariante neben der Managementlaufbahn institutionalisiert. Grundsätzlich sollte sie nicht als "Abstellgleis" für erfolglose oder freigesetzte Führungskräfte missbraucht werden.

Letztendlich hängt die Akzeptanz eines Fachkarriere-Konzepts von der gleichwertigen Behandlung der Experten im Vergleich zu Führungskräften ab. Die Gleichwertigkeit manifestiert sich u.a. in der Transparenz der Laufbahnstruktur und Sichtbarkeit von Entwicklungsmöglichkeiten, in der differenzierten Leistungsvergütung sowie der Partizipation an Managementrunden/-information (Domsch & Ladwig, 2013). Die Mitarbeiter in einer Organisation achten sehr sorgfältig darauf, ob das Bekenntnis zu Fachkarrieren nur ein Lippenbekenntnis ist oder im alltäglichen Umgang mit dieser Zielgruppe tatsächlich glaubhaft gelebt wird.

Coaching als professionelle Beratung der Mitarbeiter in Fachkarrieren

Wie kann Coaching für die Zielgruppe "Mitarbeiter in Fachlaufbahnen" aussehen und ansprechend gestaltet werden? Coaching definiert sich als professionelle Beratung, die die Weiterentwicklung von Lern- und Leistungsprozessen bezüglich primär beruflicher Anliegen fördert.

Dabei spielen bei Mitarbeitern in der Fachlaufbahn die oben genannten, kritischen Punkte, die systemischen Charakter haben, eine große Rolle. Ein Fachspezialist kann aufgrund seiner organisatorischen Einbindung unzufrieden sein. Diese Unzufriedenheit ist mit Wut, Ärger und Verzweiflung aufgrund resignativer Erfahrungen verbunden. Ein Coach wird hier - neben einer großen Portion Verständnis - analysieren, wie der Klient mit seiner Situation umgeht. Der Coach wird helfen, sein Erlebtes zu systematisieren, um anschließend zukünftige Handlungsoptionen aufzuzeigen. 

So ist es beispielsweise bei einem 47-jährigen Maschinenbauingenieur eines Telekommunikationsunternehmens geschehen, der nach jahrelanger Arbeit in IT-Projekten schließlich Führungskraft werden wollte. Er begründete dies mit nicht eingehaltenen Versprechungen zur Führungskraftentwicklung und den Vorgesetztenentscheidungen insbesondere in personellen und Budget-Fragen ausgeliefert zu sein. Sein Entschluss war so intensiv, dass er für sich keine andere Möglichkeit sah. Über das Kompetenzrad der Jobfitness (Reischenbacher & Höher, 2012) konnte seine Situation im Coaching aufbereitet und ihm geholfen werden.

Die beruflichen Anforderungen des betrieblichen Umfeldes bestimmen größtenteils die Fragestellung, die der Klient zusammen mit dem Coach bearbeitet. Mitarbeiter in Fachkarrieren entsprechen dabei ihren Anforderungen durch ihre persönlichen Kompetenzen im fachlichen, methodischen, persönlichen oder zwischenmenschlichen Bereich. Sie können managementähnlich sein, wenn der Fachmanager die sachgebundene Leistungserstellung plant, organisiert, entscheidet und kontrolliert. Je höher er im Rang der Fachlaufbahn steht, desto relevanter sind soziale Kompetenzen, da repräsentative Aufgaben zunehmen.

Die fachliche Kompetenz der Fachspezialisten umfasst aufgabenbezogenes und fachspezifisches (Erfahrungs-)Wissen. Es ist ihre Fähigkeit, Informationen zu erkennen, zu verstehen, zu verarbeiten und zu übertragen als Grundlage für ganzheitliches Denken und Urteilsbildung. Ihre Fachkompetenz ist ein wichtiges Gut, das sie Arbeitgebern verkaufen. Von ihm hängt entscheidend der nächste, vertikale Schritt in der Fachkarriere (z.B. die Beförderung vom "Junior" zum "Senior") ab. Wird die fachliche Kompetenz in einer Coaching-Sitzung zum Thema, kann es beispielsweise mit folgenden Schwerpunkten sein:Wie stelle ich mein Wissen verständlich dar, um in der betrieblichen Umwelt positiv wahrgenommen zu werden? Wie überzeuge ich Vorgesetzte, in wichtige Projekte zu investieren? Wie stelle ich sicher, dass mein Wissen aktuell bleibt und erweitert wird? Wie verbessere ich mein Zeitmanagement/meine Arbeitsmethodik? Wie entwickle ich neue Lösungsideen für komplexe, unstrukturierte Fachprobleme?

Über zwischenmenschliche Kompetenzen wie Kommunikations-, Konflikt-, Kooperationsfähigkeit und Empathie gestalten die Fachspezialisten ihre beruflichen Beziehungen und täglichen Interaktionen. Coaching ist ein probates Mittel, um Interaktionen günstiger als bisher zu gestalten. Fachspezialisten haben häufig Themen, die sich um misslungene Interaktionen zentrieren. Sie kommunizieren ohne den Hintergrund von disziplinarischer oder Budget-Macht, besitzen jedoch ihr Wissen als Machtinstrument.

Coaching-Themen zur zwischenmenschlichen Kompetenz können u.a. sein:

- Wie überzeuge ich Kollegen und Entscheidungsträger?
- Wie überwinde ich Widerstände gegenüber betrieblichen Veränderungen?
- Wie gehe ich Konflikte konstruktiv an?
- Wie verhalte ich mich im Unternehmen politisch richtig?
- Wie begegne ich Erwartungen Dritter zur Aufgabenerledigung, die im Hinblick auf Zeit, Aufwand, Funktionalität nicht umsetzbar sind?
- Wie baue ich ein solides Netzwerk auf?
- Wie erreiche ich als Experte im Team eine vertrauensvolle, effektive Zusammenarbeit?
 

Welche persönlichen Kompetenzen spielen bei Fachspezialisten eine Rolle? Sieber-Bethke (2007) zählt dazu unter anderem folgende Kompetenzen auf:

- persönliche Stabilität
- innere Werte
- Selbstmanagement
- Aufgabenorientierung
- Lernbereitschaft
- Selbstbild 
 

Wie bereits erwähnt, haben Experten ihre Meinung auch gegen konträre Meinungsbilder und Anfeindungen zu formulieren. Sie brauchen ein gesundes Selbstbewusstsein und persönliche Stabilität, einerseits um Kraft zu haben, Widerständen zu begegnen und andere zu überzeugen, andererseits um Anfeindungen oder Beleidigungen nicht persönlich zu nehmen. Gleichzeitig haben sie Wut, Ärger sowie Enttäuschungen auszuhalten. Verfügen Fachexperten über integrative Kompetenzen, hilft es, Konflikte zu vermeiden, wenn fachliche und marktbezogene Perspektiven durch frühzeitige Abstimmung in Einklang gebracht werden.

Ihre eigenen Werte und Überzeugungen müssen Fachspezialisten zurückstellen, wenn sie mit politischen, kundenbezogenen oder finanziell-kaufmännischen Gegebenheiten in Konflikt geraten. Lernbereitschaft äußert sich beispielsweise in einem Wechsel im Rollenverständnis und im Selbstbild. D.h., dass z.B. die Rolle des analytischen Sachbearbeiters für die Rolle des eloquenten Unternehmensrepräsentanten abgelegt wird. 

Grundsätzlich sprechen Fachspezialisten im Coaching über Situationen, in denen sie ohne Macht durchsetzungsstark sein müssen. In Abgrenzung dazu nennen Führungskräfte eher Themen zu ihrem Machterhalt oder ihrer Machtumsetzung im Coaching.

Coaching kann eine besonders gut geeignete Möglichkeit sein, Experten zu unterstützen und weiterzuentwickeln. Mitarbeiter in Fachkarrieren bringen aufgrund ihrer beruflichen Stellung als Experte, Schnittstellenbesetzer und Katalysator für Prozesse Themen ins Coaching, die ihre Laufbahn und ihre persönlichen Dispositionen betreffen. Einerseits erreichen sie ihre betriebliche Akzeptanz über ihre Fachkompetenz. Andererseits werden von ihnen exzellente Kommunikations- und Konfliktlösungsfähigkeiten verlangt. 

Ihre fehlende Macht über Personal und Budget im betrieblichen Geschehen sowie ihre Gleichwertigkeit gegenüber Führungskräften spielen eine entscheidende Rolle für Fachspezialisten, da sie über die Zufriedenheit im Beruf entscheiden. Die Arbeit an ihrer konkreten, unverwechselbaren Situation und die Bearbeitung ihrer aktuellen Herausforderungen stellt ein arbeitsplatznahes Lernen mit hoher Umsetzungsrelevanz dar. Coaching ist ein sehr probates Mittel zur Unterstützung von Mitarbeitern in Fachkarrieren.

Methodisch kann der Coach während des Coachings die o.g. Themen der Fachspezialisten zunächst durch Tools zur Selbst- und Problemreflexion analysieren. Sie bringen Coach und Klienten ein grundlegendes Verständnis der Bedürfnisse, Motive, Stärken und Schwächen des Letzteren. Sie beleuchten sein Denken, Erleben und Verhalten. Darüber hinaus kann die organisatorische, zwischenmenschliche Situation am Arbeitsplatz des Fachspezialisten geklärt werden. 

Durch Tools zur Zielklärung werden seine Ziele priorisiert und ausgewählt. Um sie zu erreichen und die Abweichung von ihnen zu überwinden, kann der Coach beim Fachspezialisten u.a. Tools zum Einüben eigener Kompetenzen und erfolgreicher Strategien einsetzen. Letztlich wird der Coach den Klienten darin unterstützen, seine Leistung zu steigern, sich beruflich und persönlich zu entwickeln, um ein erhöhtes Maß an Selbstvertrauen und Wohlbefinden zu erreichen.

Literatur

  • Domsch, Michel & Ladwig, Désirée (2011). Fachlaufbahnen – Zukunftsweisende Laufbahnkonzepte für Wissensgesellschaften und Netzwerkorganisationen. In dies. (Hrsg.). Fachlaufbahnen. Köln: Luchterhand.
  • Domsch, Michel & Ladwig, Désirée (2013). Fachlaufbahnen im Haus der Karriere. Vortrag, Projektteam Fachhochschule Lübeck
  • Lohmann-Haislah, Andrea (2012). Stressreport Deutschland 2012. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Quelle: www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/Gd68.pdf?_blob=publicationFile
  • Reischenbacher, Katharina & Höher, Peter (2012). Das Kompetenzrad der Jobfitness. In Christopher Rauen (Hrsg.). Coaching-Tools III. Bonn: managerSeminare. 110–115.
  • Sieber-Bethke, Frank (2007). Fach-, Führungs- und Projektlaufbahnen entwickeln und einführen. In ders. (Hrsg.). Projekt-, Führungs- und Fachlaufbahnen. Konstanz: Paul Christiani. 25–78.

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