Noch immer sind in den oberen Führungsgremien der deutschen Wirtschaft nur 6,4 Prozent aller Positionen mit Frauen besetzt, wie die Unternehmensberatung Ernst & Young nach einer Analyse der 160 Unternehmen aus Dax, M-Dax, S-Dax und Tec-Dax zum 1. Juli 2016 festgestellt hat. Die freiwillige Selbstverpflichtung deutscher Unternehmen aus dem Jahr 2001 hat kaum Früchte getragen und zu diesem geringen Prozentsatz geführt. Sollte die Zahl von Frauen in Führungspositionen weiter so langsam steigen, würde es bis zum Jahr 2038 dauern, bis ein Drittel der Vorstandsposten mit Frauen besetzt ist.
Besser sieht es bei den Aufsichtsratsgremien aus. Für sie hat die Bundesregierung von diesem Jahr an eine gesetzliche Quote verordnet, die schon vor langer Zeit angekündigt wurde. Entsprechend haben die Konzerne früh die Weichen gestellt, sodass der Anteil weiblicher Mitglieder in den Aufsichtsratsgremien der Dax-Konzerne heute bei gut 30 Prozent liegt.
Worauf ist der geringe Anteil weiblicher Führungskräfte in den operativen Gremien der deutschen Wirtschaft zurückzuführen? In den Führungsetagen heißt es oft, „wir würden die Stelle gern mit einer weiblichen Führungskraft besetzen, aber wir finden keine passende“.
Woran liegt das? Wenn beispielsweise fünf zentrale Qualifikationen für eine Position gefordert sind, stellt eine Frau gerne die zwei heraus, die sie nicht in vollem Umfang mitbringt. Männer dagegen konzentrieren sich bei ihrer Selbstpräsentation vor allem auf die zwei, die sie besonders gut beherrschen. So lautet eine der vorherrschenden Begründungen von Männern, die Frauen für Führungsaufgaben weniger geeignet halten.
Frauen und Männer unterscheiden sich in ihrem Verhalten, wobei es besser und richtiger wäre, von einem „eher weiblichen“ und „eher männlichen“ Verhalten zu sprechen. Der weibliche Anteil ist risikoscheuer und sorgt für Sicherheit, der männliche Anteil sucht nach Chancen und ist risikobereiter und nimmt Einfluss. Beide Arten, zu handeln und zu denken, sind für spezifische Führungssituationen wichtig und notwendig. Aus Sicht der Emotionstheorie ist dies nur ein marginaler Unterschied der Grundemotionen Angst, die achtsam macht, um für Sicherheit zu sorgen, und des Ärgers, der kraftvoll macht, um Einfluss zu nehmen. Bei der Vergabe von Positionen kann dies für Frauen jedoch zum Nachteil führen. Dies ist eine Dynamik, die in die Überlegungen beim Auswahlprozess einbezogen werden sollte.
Offensichtlich ist, dass Männer, die die Macht haben und über die Vergabe der Positionen entscheiden, die weibliche Kernqualität wie die Sorge um Sicherheit geringer schätzen als die männliche nach der Suche ihrer Chancen. Die fehlende Wertschätzung der weiblichen Qualitäten und die Angst vor weiblicher Konkurrenz führt Entscheider dazu, eher durchschnittliche Managerinnen einzustellen.
Das ist die verdichtete Antwort auf die oben aufgeworfenen Fragen. Mit dieser Einschätzung von Führungsqualitäten wird die Besetzung mit weiblichen Führungskräften nicht die Geschwindigkeit aufnehmen, die nötig ist, und – was schlimmer wirkt – nicht die Entfaltung der weiblichen Qualitäten in einem Führungsteam fördern.
Wie kann dann ein Wandel gelingen und wie können die Qualitäten weiblicher Führungskräfte nutzenstiftend in Unternehmen Einzug halten?
Auch wenn eine Quotenregelung notwendig ist, wird eine offene Förderung von weiblichen Führungskräften naturgemäß zu einer Gegenbewegung führen. So werden die Qualitäten, die diese mitbringen, abgewertet und die weiblichen Führungskräfte als Quotenfrauen entwertet. Das forciert erneut das Risiko für die Einstellung eher durchschnittlicher Managerinnen und bestätigt fatalerweise erneut gängige Vorurteile. Was jedoch noch schlimmer wirkt: Diese werden eigene Konkurrentinnen nicht nach oben kommen lassen.
Das vorherrschende männlich-autoritäre Führungsverständnis sollte in ein wertschätzendes Miteinander überführt werden. Dies gilt gleichermaßen für weibliche und männliche Führungskräfte. In Entscheidungsprozessen – der Kern von Führung – sollte die Sorge um Sicherheit (meist weiblich) zeitlich vor der Einflussnahme für die Chancen-Nutzung (meist männlich) stattfinden.
Kritisieren jedoch reicht nicht. Führungskräfte müssen die Risiken, die sie kennen, in angemessene Maßnahmen umformen. Das gilt für die Förderung von Frauen genauso wie für alle anderen unternehmerischen Herausforderungen, in denen die weibliche Qualität greifen soll. Ein robuster Prozess, der gemeinsam getragene Entscheidungen herstellt, ist dafür erforderlich. Nur durch einen soliden Entscheidungsprozess wird der notwendige Wertewandel stattfinden und das darauf basierende Verhalten sich ändern.
Ein tiefer liegendes Problem ist, dass Frauen sich häufig selbst nicht rechtzeitig und angemessen einbringen – und aufgrund der Männerdominanz es manchmal auch nicht können –, um gemeinsam getragene Entscheidungen herzustellen. So können Männer (weiterhin) dominieren und erkennbare Fehler werden nicht frühzeitig gemeinsam korrigiert.
Die Sorge, gemeinsam getragene Entscheidungen würden mit einem Machtverlust autoritärer Führungskräfte einhergehen, ist viel zu kurz gegriffen und der männlichen Hybris geschuldet. Fehlt das Commitment Einzelner, so bleibt dem Verantwortlichen immer noch die autoritäre Entscheidung. Der transparente Prozess sorgt jedoch dafür, dass mit zunehmender Erfahrung die Gruppe lieber eine gemeinsam getragene Entscheidung wählt als eine ungewisse Entscheidung auf den Verantwortlichen abzuwälzen.
Der Verantwortliche andererseits kann eine vorgegebene Entscheidung durch einen gemeinsam getragenen Entscheidungsprozess formen und erkennt, wieweit die Expertise und Beteiligung aller Verantwortlichen berücksichtigt ist. So werden die Gruppen-Kompetenz und die Chef-Entscheidung transparent integriert.
Führungskräfte dürfen Risiken, die Frauen vorbringen, nicht wegwischen und ignorieren. Für gemeinsam getragene Entscheidungen müssen Frauen in die Pflicht genommen werden, damit sie für die Sicherheit sorgen. So bekommen alle Führungskräfte, weibliche wie männliche, einen Entscheidungsprozess an die Hand, um „gemeinsam zu führen“.
Werte wie Offenheit, Respekt, Wertschätzung, Mut, Zielorientierung und Commitment entstehen, wenn man ein Verhalten lebt, das diese Werte in sich trägt. Das Verhalten in Unternehmen wird am schnellsten und gleichzeitig am nachhaltigsten mit einem gemeinsam getragenen Entscheidungsprozess gestaltet, der im Unternehmen eingeführt, verankert und dadurch gelebt und verfeinert wird. Der Entscheidungsprozess, der in jedem Management-Vorgang vorkommt, ist der bedeutendste und gleichzeitig der wirksamste Entscheidungsprozess.
Der Königsweg ist der Wandel im Entscheidungsmanagement mit einer gezielten Förderung weiblicher Führungskräfte.
Die Quote ist notwendig, um den Wandel herbeizuführen. Wichtiger wird jedoch sein, ein Führungsverständnis herbeizuführen, in dem weibliche Qualitäten Raum bekommen, ohne die männlichen einzuschränken, sodass aus beiden etwas Neues entsteht, das dem Bisherigen überlegen ist. Damit werden die Herausforderungen unserer Zeit bewältigt.
Die individuelle Sicht „Tue Dein Bestes“, wie es Buddha zusammenfasst, wird um die Gruppenkompetenz erweitert, in der sich weibliche und männliche Qualitäten entfalten.
Für Coaches bieten sich zwei sehr unterschiedliche Coaching-Chancen an. Zum einen brauchen die Verantwortlichen in den Unternehmen Personal-Coaching, um den Change erfolgreich zu führen. Zum anderen ist Business-Coaching für die Change-Prozesse und die Team-Entwicklung in den Unternehmen erforderlich. Für die Durchführung des Coachings ist ein gemischtes Team aus weiblichen und männlichen Coaches dringend angeraten. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor wird es sein, bereits in der Akquise und im Besonderen bei der Durchführung das weibliche und männliche Miteinander als Coaching-Team vorzuleben. Ebenfalls wichtig ist es, dass auf der Unternehmensseite ein gemischtes entscheidungskompetentes Team aufgestellt wird.
Die Aufgaben im Personal- als auch im Business-Coaching sind umfangreich und umfassen im Kern das Design und die Einführung einer unternehmensspezifischen Quoten-Regelung und eines robusten Entscheidungsmanagements, das autoritäres Führungsverständnis und In-die-Pflicht-Nahme weiblicher Führungskräfte in ein wertschätzendes Miteinander überführt.
Personal-Coaching zielt vornehmlich auf die bisher autoritär führenden Manager ab – mit dem Ziel, die Befürchtung, gemeinsam getragene Entscheidungen würden mit einem Machtverlust einhergehen, abzubauen. Die bisherigen Versuche, die Gruppen-Kompetenz zu integrieren, wurden in den meisten Unternehmen von der Führungsmannschaft als verzögernd und entscheidungsverhindernd erlebt. Autoritäre Führungskräfte verwechseln gemeinsam getragene Entscheidungen immer noch mit demokratischen und Konsens-Entscheidungen, die tatsächlich sehr lange dauern und zuweilen nicht auf den Punkt kommen. Der notwendige Entscheidungsprozess sollte erlebt und das daraus entstehende Vertrauen für gemeinsam getragene Entscheidungen sollte durch den Coach mit dem bestehenden Management aufgebaut werden.
Das Ziel im Personal-Coaching ist erreicht, wenn der Nutzen für das Unternehmen und eine Vision für einen geeigneten Einführungsplan erarbeitet sind. Eine Beauftragung für die Umsetzung schließt das Personal-Coaching ab und leitet die interne und gegebenenfalls externe Beauftragung für den Change-Prozess ein.
Die Chancen im Business-Coaching liegen in der verantwortlichen Umsetzung sowie im Coaching der Verantwortlichen im Unternehmen. Dabei sind wiederum mehrere Bereiche in einer gemeinsam getragenen Entscheidung für das ausgesprochene Ziel zu verpflichten: Top-Management, HR-Abteilung, Change-Abteilung, ggf. Betriebsrat und Diversity. Das Coaching erfordert eine hohe Kompetenz an Herstellung gemeinsam getragener Entscheidungen.
Als Rahmen sollte zuerst die unternehmensspezifische Quoten-Regelung erstellt werden. Im autoritären Führungsverständnis lässt sich dies einfach aus Zielerfüllungs-Plänen ableiten. Die zugehörigen Key Performance Indicators sind offensichtlich.
Die Einführung eines robusten Entscheidungsmanagement, das das autoritäre Führungsverständnis in ein wertschätzendes Miteinander überführt, erzeugt erst den Nutzen und sollte zyklisch-evolutionär eingeführt werden. Ein Top-Down-Vorgehen ist zu empfehlen. Bei der Auswahl sollten Unternehmensbereiche identifiziert werden, deren Manager ernsthaft für das Thema begeistert sind, wodurch die Umsetzung leicht gelingen kann. Wenn Erfolge in diesen Bereichen sichtbar und im Unternehmen referenzierbar sind, sollten offene und interessierte Bereiche folgen. Erst danach sollten die restlichen Bereiche verpflichtet werden. Auch die Governance und eine Beauftragung durch das Top-Management sind wichtige Erfolgsgaranten für das Gelingen.
Die Quote ist notwendig, um den Wandel herbeizuführen. Wichtiger wird jedoch sein, ein Führungsverständnis herbeizuführen, in dem weibliche Qualitäten zum Nutzen der Unternehmen gefördert und gefordert werden, ohne die männlichen einzuschränken. So würde aus beiden Stilen ein Führungsklima entstehen, das dem jeweils einzelnen überlegen ist.