Coaching-Tools

Coaching mit der Balanced Scorecard (BSC):
Die Private Balanced Scorecard (PBSC)

Ein Coaching-Tool von Franz Comes

6 Min.

Coaching-Magazin Online, 01.03.2006

Kurzbeschreibung

Ausgehend von dem betriebwirtschaftlichen bzw. Management-Konzept der Balanced Scorecard wurde eine "Private Balanced Scorecard" zum Einsatz im Coaching entwickelt, die in der Personal-Entwicklung eingesetzt werden kann.

Ausführliche Beschreibung

In den letzten Jahren hat die Balanced Scorecard (BSC) in der Management- bzw. Unternehmensberatung großen Anklang gefunden. Es handelt sich hierbei um eine Methode, mit deren Hilfe eine Unternehmensstrategie auf relevante, messbare Erfolgsfaktoren in Form von Kennzahlen in den vier Perspektiv-Bereichen:

  • Finanzen
  • Kunden/Markt
  • Prozesse/Aufbau-/Ablauforganisation und
  • Mitarbeiter bzw. Human Resources

ausgerichtet wird.

Die Methode beruht letztlich auf der Erkenntnis, dass Zielorientierung, Messbarkeit der Ziele und die Kommunizierbarkeit der Unternehmensstrategie, detailliert bezogen auf die einzelnen Unternehmensbereiche, wichtige Faktoren für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens sind.

Ausgehend von dem betriebwirtschaftlichen bzw. Management-Konzept der Balanced Scorecard habe ich eine "Private Balanced Scorecard" zum Einsatz im Coaching entwickelt, die in der Personalentwicklung eingesetzt werden kann. Sie beruht auf den folgenden Perspektiven (wobei diese im Einzelfall kein Muss sind, sondern z.B. auch Offenheit für weitere Themen besteht):

  1. Mission / Vision / strategische Ziele des Klienten
  2. Berufliche Perspektive (in persönlicher und fachlicher Hinsicht)
  3. Die Perspektive "Körper & Gesundheit"
  4. Die Perspektive "Kontakt & Kommunikation"
  5. Die Finanzperspektive
  6. Die ??-Perspektive (individuell definiert, z.B. Kreativität, Spiritualität ...)

Die Entwicklung einer "Private Balanced Scorecard" beginnt nach der Formulierung einer persönlichen Vision bzw. Mission und der strategischen Ziele in den einzelnen Perspektivbereichen (z.B. im Bereich "Körper & Gesundheit": "Ich bin gesund und körperlich fit").

Es folgt eine Analyse der Stärken und Schwächen bzw. der Chancen und Risiken in den jeweiligen Perspektivbereichen. 

Anschlieflend werden konkrete wohlgeformte Ziele für die einzelnen Perspektiven definiert (z.B.: "Ich jogge mindestens drei mal pro Woche jeweils 20 Minuten lang").

Checklisten und ein Vertrag mit sich selbst (Prinzip der Schriftlichkeit!) dienen der Selbstkontrolle und gleichzeitig der Unterstützung der Eigenmotivation zur Erreichung der selbstdefinierten Ziele in den jeweiligen Perspektivbereichen.

Praxisbeispiel einer Private Balanced Scorecard im Einzel-Coaching

Der Coachingklient, Herr H., Geschäftsführer eines mittelständischen Verlages für Printmedien, hatte bereits zwei Herzinfarkte hinter sich. Nach dem letzten Infarkt fasste er viele gute Vorsätze, die aber im Alltag nicht lange überlebten. Herr H. erkannte, dass er gründlich umdenken musste und dass er hierzu professionelle Hilfe benötigte.

Zunächst wurde im Coaching-Gespräch geklärt, welche langfristigen Ziele Herr H. hatte. Es zeigte sich, dass Herr H. zwar gerne arbeitete, aber seine berufliche Tätigkeit als „viel zu stressig“ erlebte. Allerdings nahm er dies in Kauf, weil die Familie das Geld benötigte.

Mit Herrn H. wurde herausgearbeitet, dass Geld lediglich Mittel zum Zweck ist. Sein eigentliches Lebensziel war, „einfach glücklich und zufrieden“ zu sein, und zwar in allen Lebensbereichen: Bei der Arbeit, im Kontakt mit seinen Mitmenschen, in seiner Familie, das alles natürlich auf der Grundlage einer guten körperlichen und geistig-psychischen Verfassung.

Ziele und Maßnahmen

Ausgehend von der Vision „Glück und Zufriedenheit“ wurden mit Herrn H. vier Bereiche (Perspektiven) ausgewählt, für die konkrete Maßnahmen definiert wurden:

  1. Erfolg bei der bzw. Freude an der Arbeit
  2. Zufriedenheit in der Familie
  3. ein gesunder Körper
  4. lebendige soziale Kontakte


1. Erfolg bei der bzw. Freude an der Arbeit

Herr H. arbeitete gerne und ohne auf die Uhr zu schauen („Selbst ist der Mann“). Er hielt sich im Grunde für unersetzlich. Hier setzten die folgenden Maßnahmen an:

  • Delegation von Arbeit und Verantwortung. Herr H. wurde ermutigt, seine Mitarbeiter aktiver miteinzubeziehen, ihnen Verantwortung zu übertragen, ggf. durch Fortbildung ihren Horizont und ihre Einsatzmöglichkeiten zu erweitern.
  • Durch regelmäßige Teamsitzungen werden Probleme und organisatorische Regelungen besprochen und umsetzbare Lösungsmöglichkeiten entwickelt.
  • Herr H. schloss einen Vertrag mit sich selbst, dass er an zwei Tagen in der Woche spätestens um 18.00 Uhr zu Hause sein wird.
  • Zwei Wochenenden pro Monat wurden ausschließlich für das Zusammensein und Aktivitäten mit der Familie festgelegt.

2. Zufriedenheit in der Familie

Herr setzte sich zum Ziel,

  • sich täglich – entweder persönlich oder, wie z.B. während beruflicher Reisen, fernmündlich mit seiner Frau auszutauschen, um Probleme zu besprechen, sie zu unterstützen.

Weitere Ziele:

  • Einmal in der Woche gemeinsam mit seiner Frau und seinen Kindern essen gehen, auch wenn es nur eine Pizza beim Italiener ist.
  • Zweimal im Monat gemeinsame Freizeitgestaltung mit der Familie (Kino, Rad fahren etc.), um etwas gemeinsam zu erleben.
  • Einmal im Monat etwas alleine mit seiner Frau unternehmen (z.B. tanzen gehen oder in ein Konzert).

Selbstverständlich wurden alle diese Ziele und Maßnahmen im Familienkreis besprochen und gemeinsam festgelegt.

3. Körperliche Gesundheit

Hier setzte sich Herr H. – nach Rücksprache mit seinem Hausarzt – die folgenden Ziele:

  • Einmal pro Woche Besuch eines Fitness-Studios
  • Zweimal pro Woche fünf Kilometer joggen.

4. Lebendige soziale Kontakte

Herr H. hat für sich erkannt, dass befriedigende soziale Kontakte (persönliche Freunde, eine aktive Mitwirkung in seiner kirchlichen Gemeinde) ihm Anerkennung, Beachtung und auch Selbstbestätigung vermitteln. So beschloss er die folgenden Maßnahmen:

  • Zwei Treffen im Monat mit privaten Freunden, um bestehende Kontakte zu pflegen und neue aufzubauen.
  • Zweimal im Monat Treffen mit Mitgliedern seiner Kirchengemeinde, um aktuelle soziale Probleme in seinem Stadtteil zu besprechen und gemeinsam Verbesserungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Die Umsetzung der Ziele und Maßnahmen wurde über Soll-/Ist-Vergleiche gemessen.

Bereich / PerspektiveMaßnahme (pro Woche /Monat)SollIst
ArbeitTeamsitzungen43
 Fortbildung von Mitarbeitern62
 Feierabend um 18.00 Uhr21
 Wochenende ohne Arbeit21
FamilieGespräche mit Ehefrau51
 Familienessen extern45
 Freizeitgestaltung mit Familie21
 Unternehmung mit Ehefrau11
GesundheitFitness-Studio43
 Joggen22
Sozialer KontaktFreunde treffen20
 Kirchengemeinde21

Private Balanced Scorecard: Soll-/Ist-Vergleich


Die  Private Balanced Scorecard kann auch visualisiert werden:

Private Balanced Scorecard

Private Balanced Scorecard von Herrn H.

In der Praxis findet eine solche kennzahlenbasierte und zielorientierte Selbstkontroll- und Selbstmotivationsmethode gerade bei Managern und Führungskräften, für die der Umgang mit Zahlen und Ist-/Soll-Vergleichen Alltag ist, großen Anklang.

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