Erkundung von Handlungsoptionen aus einer zukünftigen Perspektive.
Das Tool hilft in schwierigen Entscheidungssituationen, z.B. bei Ambivalenzen in Bezug auf ein Handlungsthema, wenn sich der Klient in einer Sackgasse gefangen fühlt.
Ferner dient das Tool zur Überprüfung des eigenen Wertegebäudes und Identifikation typischer Lebens- und Verhaltensmuster
Die „Zeitmaschine“ vermittelt bei schwierigen Wert- und Lebensentscheidungen neue Handlungsimpulse. Der Klient imaginiert seine eigene Zukunft und blickt auf die Gegenwart zurück. So kann der Klient neue Perspektiven auf schwierige (Entscheidungs-)Situationen entwickeln.
Die aktuell erlebte Sackgasse wird dadurch geöffnet, Blockaden werden abgebaut. Eigene Impulse, die oftmals von inneren und äußeren Bedenken gehemmt werden, können so klarer und prägnanter wahrgenommen werden.
Ein Praxisbeispiel: Eine junge Managerin stand vor schwierigen Fragen: „Soll ich in meinem jetzigen Job bleiben oder will ich einen weiteren Karriereschritt wagen? Kann ich meinem Mann und meinen kleinen Kindern einen dann notwendigen Umzug zumuten? Ist mein Platz in dieser Lebensphase nicht eher zu Hause bei den Kindern? “
Die Frau hatte das Problem selbst bereits ausgiebig analysiert, mit anderen besprochen und stand dennoch vor einem echten Entscheidungs-Dilemma. Ihre Herausforderung hatte sie immer wieder intellektuell mit verschiedenen Entscheidungsmethoden zu klären versucht. Trotzdem (oder gerade deswegen?) kam sie mit ihrer Entscheidung einfach nicht voran. Die erste Phase im Coaching-Prozess war von Hektik geprägt: die Frau sprach sehr schnell und ratterte ohne wirkliche innere Beteiligung alle Pro- und Contra-Argumente herunter. Schnell wurde ihr selbst deutlich: so würde sie ihre Frage nicht klären können.
Der Coach schlug vor, die Frage in einen neuen Kontext zu bringen. Die gedankliche „Zeitmaschine“ ließ sie ins Jahr 2028 reisen. Sie setzte sich auf einen anderen Stuhl und orientierte sich in dieser neuen Zeit: sie war nun bereits eine ältere Frau und ihr jüngstes Kind war längst erwachsen. Sie schaute aus dieser Perspektive auf wichtige Lebensstationen zurück. Sie erzählte ihren Kindern, was ihr im Leben viel bedeutet hatte. Worauf sie stolz sei und was ihr in der Erziehung besonders wichtig gewesen sei. Im Reden entdeckte sie, was sie für sich als die „Stimme der weisen Frau“ beschrieb.
Zurück im Jahr 2008 saß eine nachdenkliche, aber sehr klare Frau: die quälende Frage war für sie beantwortet. Sie würde sich der neuen Herausforderung stellen. Wenn nötig, würde sie ihrer Familie einen Umzug zumuten, denn: sie wollte auch ihren Kindern ein Modell sein, dass sie als Frau ihre Potenziale in der Welt erfolgreich zum Wirken bringen konnte.
Kurze Zeit hatte sie eine neue Stelle in einer anderen Stadt angenommen. Die Familie hatte offenbar keine größeren Probleme mit der Situation. Sie selbst war sehr stolz und zufrieden mit ihrer Entscheidung.
Eine grundlegende These der systemischen Ansätze besagt, dass menschlichem Handeln eine bestimmte Konstruktion von Vorstellungen, Gedanken, Werten zugrunde liegt. Aus verschiedenen Elementen „basteln“ man sich ein schlüssiges inneres Bild, eine innere Landkarte der Wirklichkeit. Der Nutzen liegt darin, dass man in vielen Situationen schnell handlungsfähig ist. Diese Gleichsetzung von subjektiver und objektiver Wirklichkeit erweist sich aber in komplexen Entscheidungssituationen oftmals als Pferdefuß. Hier setzt die systemische Beratungstradition an: sie entwickelte Methoden, die diesen scheinbar objektiven und „fertigen“ Blick in Frage stellen. Erstarrtes soll aufgeweicht und verflüssigt werden.
Oftmals berührt die Coaching-Frage tiefere Lebensthemen. Verschiedene miteinander konkurrierende Werte treffen aufeinander, innere Konflikte beeinträchtigen den Klienten.
Was also steht hinter der Ausgangsfrage?
Bei der jungen Managerin ging es vordergründig um die Frage: Soll ich bleiben oder gehen? Hintergründig ging es um große Fragen des Lebens: Was denke ich als Mutter über die richtige Erziehung meiner Kinder? Welches Rollenbild möchte ich meinen Kindern vermitteln? Darf ich Erziehung delegieren? Welche Wünsche darf ich als Frau für meine persönliche Entwicklung haben?
In diesem zweiten Schritt werden diese Fragen auf einem Flipchart gesammelt. Meist ergeben sich natürliche Cluster der Themen. Somit entspricht diese Sammlung eher einer „Mind Map“ als einer strukturierten Themenliste. Ziel ist es, sich der Vielschichtigkeit der Thematik bewusst zu werden und den Rahmen für die nächsten Schritte zu definieren.
Der Klient wird eingeladen, sich auf ein kleines Abenteuer einzulassen. Meistens haben Klienten schon vieles vergeblich ausprobiert und sind gerne bereit, sich auf ein kleines Experiment einzulassen. Man erklärt die „Zeitmaschine“ auf eine Art,die zum jeweiligen Klienten passt: mal pragmatisch („Lassen Sie uns doch herausfinden, wie das Thema in einem größeren Zusammenhang aussieht“), mal inszenierend, indem man eine kleine Geschichte erzählt („Ich lade Sie ein mit mir in die Zeitmaschine zu steigen…“)
Erfahrungsgemäß ist es sinnvoll, das Thema aus maximal drei verschiedenen Zeitperspektiven zu betrachten. Die Leitfrage ist hier, welche wichtigen Lebensstationen für das Thema relevant sein könnten. Ein Fixpunkt ist fast immer der Berufsausstieg – also der Zeitpunkt im Leben, wenn der reife Mensch Rückblick hält und seine Erfahrungen reflektieren kann. Oftmals bietet der Klient selbst noch andere näher liegende Zeiträume an.
Der Klient wird gebeten, sich auf einen anderen Stuhl zu setzen. Diesen markiert der Coach mit einer bestimmten Jahreszahl. Es ist wichtig, dass man daran auch im Laufe der ganzen Sitzung festhält: Jeder Stuhl ist einer bestimmten Zeit zugeordnet. Sollte der Klient zwischendurch aus einer anderen Zeit sprechen, bittet man ihn, wieder den Stuhl zu wechseln.
Der Coach sollte Schreibzeug bereit halten, damit er Notizen festhalten kann. Auf diese Weie kann der Klient auch nach der Sitzung die wichtigsten Aussagen nochmals nachvollziehen.
Man geht wieder zurück in das aktuelle Jahr. Der Coach gibt dem Klienten seine Notizen – und lässt sich von ihm erzählen, was ihm wichtig war.
Meist braucht es aber noch Zeit und Raum, das Gehörte und Erspürte zu ordnen. Bisweilen auch, um Abschied nehmen zu können von Vertrautem.
Zum Schluss blicken Coach und Klient gemeinsam auf das Flipchart mit den Wert-Fragen (vgl. Schritt 2): Was davon wurde angesprochen? Was wurde klarer? Was hat an Bedeutung gewonnen bzw. verloren?
Im Abschluss werden wesentliche Erkenntnisse und Leitsätze nochmals formuliert. Der Coach fragt nach den Handlungsimpulsen und der Klient definiert für sich die nächsten Schritte, wie er mit dem Thema umgehen wird.
Für dieses Tool braucht es nur Schreibzeug, evtl. Flipchart zur Visualisierung und genügend Stühle im Raum. Wichtigste Voraussetzung ist daher nicht das Material, sondern der Coach selbst. Er sollte Empathie verfügen und sich so wertneutral in andere Lebens- und Gedankenwelten einfühlen können. Vorteilhaft ist es, wenn er sicher in der gestalttherapeutischen Stuhlarbeit ist.