Im Rahmen der 2021 abgeschlossenen zweiten RAUEN Coaching-Marktanalyse (Rauen, 2021) wurden erneut vielfältige Aspekte des Coaching-Marktes beleuchtet. Der Vergleich der Ergebnisse mit jenen der Vorgängererhebung (Rauen, 2020a) lässt Schlüsse auf pandemiebedingte Veränderungen zu. Im Folgenden werden Aspekte der Qualitätssicherung im Coaching herausgegriffen und gefragt: Was hat sich verändert? Welche positiven Entwicklungen können festgestellt werden? Wo besteht weiterer Verbesserungsbedarf?
Um ihre Coachings zu evaluieren, greifen Coaches überwiegend auf Abschlussgespräche mit dem Klienten bzw. mit dem Klienten und dem Auftraggeber zurück (siehe Abb. 1). Etwas mehr als ein Drittel setzt auf eigene Evaluationsbögen. Evaluationsbögen der Auftraggeber werden nur in einem Fünftel der Prozesse eingesetzt. Schriftliches Feedback durch Dritte wird nur in 14,53 Prozent der Fälle eingeholt.
Diese Ergebnisse sind jenen der Coaching-Marktanalyse 2020 recht ähnlich. Lediglich die Häufigkeit der Abschlussgespräche, die mit dem Klienten und dem Auftraggeber geführt werden, hat etwas abgenommen – zugunsten der Gespräche, die ausschließlich zwischen Coach und Klient stattfinden. Darüber hinaus wurden u.a. folgende Punkte ergänzt:
Auch die Inhalte bzw. Themen der Evaluation haben sich gegenüber der Analyse 2020 kaum verändert: Auf Platz 1 steht die Zielerreichung mit 94,30 Prozent (2020: 93,46 Prozent), gefolgt von den generellen Veränderungen durch das Coaching mit 81,20 Prozent (2020: 84,30 Prozent) und dem Coaching-Prozess mit 80,34 Prozent (2020: 84,86 Prozent). Die Arbeitsbeziehung zwischen Klient und Coach fällt – trotz ihrer hohen Bedeutung im Coaching – in der überwiegenden Zahl der Fälle ab. Hier wurde ein Wert von 53,56 Prozent (2020: 60,19 Prozent) ermittelt. Eine Evaluation der Rahmenbedingungen des Coachings findet in weniger als der Hälfte der Fälle statt (39,60 Prozent; 2020: 39,95 Prozent). Eingesetzte Materialien sind mit einem Wert von 21,37 Prozent ein noch seltenerer Evaluationsgegenstand (2020: 22,24 Prozent). Neu hinzugekommen ist das Thema Return on Investment, das aber für die Coaches, obwohl es insbesondere für die Auftraggeber wichtig sein dürfte, mit einem Wert von 17,38 Prozent eine eher untergeordnete Bedeutung hat.
Es kann festgehalten werden: Die Evaluation von Coachings hat sich weder formal noch thematisch durch die Pandemie verändert. Evaluiert wird hauptsächlich in mündlicher Form. Hierbei werden vor allem Abschlussgespräche eingesetzt. Evaluationsbögen oder strukturierte Verfahren werden eher selten genutzt. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass entsprechende Instrumente frei zur Verfügung stehen. Es gilt somit weiterhin die Aussage aus der letzten Marktanalyse, dass wenig standardisierte bzw. etablierte Prozesse der Qualitätssicherung erkennbar sind. Somit ist weiterhin darauf hinzuweisen, dass eine systematische(re) Evaluation erforderlich ist, um eine kontinuierliche Verbesserung der Coaching-Qualität gewährleisten zu können. Diese anzugehen, sollte im Interesse der Auftraggeber, der Klienten und der Coaches selbst liegen. (siehe auch Rauen, 2020b)
Dieser Artikel ist ein Auszug zentraler, in komprimierter Weise beschriebener Teilergebnisse der Marktanalyse 2021. Die vollständigen Ergebnisberichte aller Coaching-Marktanalysen sind kostenlos und ohne jede Zugangsbeschränkung abrufbar unter: www.rauen.de/cma
Sich fortzubilden, stellt eine wesentliche Säule des persönlichen wie fachlichen Wachstums dar. Von Coaches sollte man erwarten, dass sie sich regelmäßig und in nennenswertem Umfang fortbilden, um ihre Klienten bestmöglich unterstützen zu können. Diese Erwartung wurde bereits in der letzten Coaching-Marktanalyse 2020 nicht enttäuscht. Damals gaben 81,69 Prozent der befragten Coaches an, in den letzten zwölf Monaten eine Fortbildung absolviert zu haben. Dieser Wert ist trotz der COVID-19-Pandemie nur geringfügig gesunken – auf 78,35 Prozent. Dies zeigt, dass die Coaches Fortbildung auch dann als besonders wichtig erachten und entsprechend handeln, wenn die Rahmenbedingungen erschwert sind.
Entsprechendes gilt für den Umfang der absolvierten Fortbildungen, dieser lag – Präsenzzeit und Eigenarbeit zusammengenommen – durchschnittlich bei 123,36 Stunden. Auch diese Daten sind auf einem vergleichbaren Niveau mit den Ergebnissen der Vorgängeranalyse. Abermals kann demnach attestiert werden, dass Coaches nicht nur Kurzseminare besuchen.
Alles in allem ist also eine hohe Weiterbildungsbereitschaft der Coaches festzustellen. Etwas Luft nach oben ist dennoch gegeben. Immerhin haben sich 21,65 Prozent der Befragten innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten nicht fortgebildet.
In welchen Themen bilden sich Coaches weiter? Die Analyse des Jahres 2020 offenbarte ein überwiegendes Interesse an Fortbildungen im Bereich systemischer Ansätze und der Organisationsentwicklung. Es folgten die Supervision und körperorientierte Verfahren. Die Pandemie hat diese Bedürfnisse verändert: Auf dem ersten Platz stehen nun mit weitem Abstand Fortbildungen zum virtuellen Arbeiten als Coach und Berater (siehe Abb. 2). Die Coaches haben also schnell auf die Pandemiesituation reagiert. Sie sind dem dadurch ausgelösten Online-Boom nicht nur gefolgt, sondern haben sich in vielen Fällen auch entsprechend weitergebildet. Vor dem Hintergrund, dass die Präsenzarbeit nicht 1:1 auf das Online-Setting übertragen werden kann, sondern – wie vielfach diskutiert wird (siehe z.B. Ebermann, 2021) – spezifische Kompetenzen erfordert, kann diese Entwicklung als erfreulich bezeichnet werden.
Neben der hohen Weiterbildungsbereitschaft der meisten Coaches kann positiv festgehalten werden, dass diese auch Supervision und Intervision nutzen, um die Qualität ihrer Prozesse zu sichern. Zu wünschen bleibt insbesondere, dass die Coaches denselben Elan investieren, wenn es um die Weiterentwicklung ihrer Evaluationsprozesse und -verfahren geht.
Die Coaching-Branche weist nach wie vor großes Wachstumspotenzial auf, wie bereits aus der Coaching-Marktanalyse 2020 (siehe zudem Rauen, 2020b) hervorging. Um diese Chance nutzen zu können, ist es erforderlich, die Professionalisierung des Coachings weiter zu stärken. Eine effektive Qualitätssicherung, mit der ein möglichst hoher Nutzen des Coachings für die Auftraggeber und Klienten gewährleistet wird, stellt diesbezüglich einen wesentlichen Aspekt dar.
Jedoch ist dieser Anspruch nicht allein an die Coaches zu richten. Auch die Auftraggeber müssen ihren Teil zur Qualitätssicherung beitragen. Daher soll abschließend ein knapper Blick auf die Nachfrageseite gerichtet werden. Auch hier ist Verbesserungsbedarf erkennbar. Wie bereits im Rahmen der Marktanalyse 2020 deutlich wurde, ist weiterhin festzustellen, dass Coaches – ihrer Selbstauskunft nach – selten aufgrund von professionellen Standards wie einer Coaching-Ausbildung oder der Mitgliedschaft in bzw. Zertifizierung durch einen etablierten Coaching-Verband nachgefragt werden. Der zentrale Faktor, um als Coach engagiert zu werden, ist stattdessen das Empfehlungsmanagement. Auswahlprozesse aufseiten der Nachfrager sollten stärker, als dies bislang der Fall ist, entlang objektiver Kriterien gestaltet werden (siehe auch Rauen, 2020b).