Sehr viele Coaches haben die sozialen Medien entdeckt und nutzen sie zur Kundengewinnung. Da werden Facebook-Gruppen bespielt, Instagram-Lives gegeben und LinkedIn-Profile optimiert. Was aber viele Coaches und auch andere Solo-Selbständige völlig außer Acht lassen, ist die klassische Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Das unterscheidet sie deutlich von Unternehmern und Start-up-Gründern mit Konzern-Background, die alle um die Macht der Öffentlichkeitsarbeit wissen. Kein größeres Unternehmen kommt ohne PR-Abteilung aus, und die meisten Start-up-Gründer wissen um die Wichtigkeit der Presse – insbesondere um faktische und potenzielle Investoren glücklich zu machen. Natürlich sind Coaches und Solo-Selbständige keine Dax-Konzerne, was aber nicht bedeutet, dass sie auf Öffentlichkeitsarbeit gänzlich verzichten sollten.
Beide Begriffe werden in Deutschland synonym verwendet, genauso wie der Begriff Pressearbeit. PR steht für das englische Public Relations, übersetzt: Öffentliche Beziehungen. Und genau das ist PR im besten Sinne: Beziehungsarbeit mit Journalisten, der eigenen Zielgruppe, aktuellen und künftigen Mitarbeitern, Kunden, Politikern und anderen Entscheidungsträgern. So lautet ein wichtiges PR-Motto: „Tue Gutes und rede darüber.“ (Georg-Volkmar Graf Zedtwitz-Arnim)
Doch das Wichtigste: PR ist keine Werbung. Journalisten werden von ihrem Auftraggeber bezahlt, also der Zeitung, dem Fernsehsender oder der Radiostation. Sie müssen nicht über Sie berichten – sie machen das nur, wenn Sie oder Ihr Thema so interessant sind, dass sich die Berichterstattung lohnt. Es kann also sehr gut sein, dass E-Mails an Redakteure einfach im Nirgendwo verschwinden – und diese nicht einmal antworten. Einfach deshalb, weil Journalisten hunderte von E-Mails bekommen und nicht alle Themen interessant für sie sind. Es ist zeitlich für sie schlicht unmöglich, auf alle E-Mails zu antworten. Anders natürlich, wenn man bezahlte Werbung schalten möchte – hier kann man sich der Aufmerksamkeit der Werbeabteilung sicher sein.
Bevor sich ein Coach überlegt, mit PR und Öffentlichkeitsarbeit zu starten, sollte die Basis stimmen. Überlegen Sie sich, ob Sie zum jetzigen Zeitpunkt wirklich wollen, dass Journalisten sich mit Ihnen und Ihrer Arbeit beschäftigen. Stellen Sie sich folgende Fragen:
1. Sieht meine Webseite professionell aus?
2. Sind meine Social-Media-Auftritte professionell?
3. Kann ich mich zu Recht als Experten oder Expertin bezeichnen? (Qualifikation, Bücher, Berufserfahrung, Kundenerfolge, Medienauftritte)
4. Halte ich mich an alle geltenden Regeln (Impressumspflicht, AGB, Datenschutz)
5. Sind meine Kunden und Mitarbeiter überwiegend zufrieden?
Wenn Sie alle oder die meisten Fragen mit ja beantworten können, steht einem Start in die Eigen-PR nichts mehr im Wege.
Es ist offensichtlich: PR und Öffentlichkeitsarbeit lohnen sich. Bill Gates hat nicht umsonst gesagt, dass er seinen letzten Dollar in PR investieren würde. Denn natürlich macht es einen großen Unterschied, ob ein Coach über sich und seine Erfolge selbst bloggt oder ob er bzw. sie als Experte bzw. Expertin in den Medien vorgestellt wird.
Die Vertrauenswürdigkeit kann durch die Berichterstattung in den Medien enorm steigen und potenzielle Kunden können überhaupt erst auf Sie aufmerksam werden. Falls es eine Verlinkung gibt, hilft PR auch bei der Suchmaschinenoptimierung.
Die erste Frage, die sich ein Coach stellen sollte, bevor er oder sie mit der PR loslegt, ist die Frage, welche Medien die Zielgruppe überhaupt konsumiert. Natürlich kann man auch von dem Grundsatz ausgehen, jede PR ist gute PR. Zielführender ist es aber, sich auf Medien zu konzentrieren, die von den Menschen konsumiert werden, die Sie erreichen wollen. Und das muss nicht unbedingt die lokale Tageszeitung, der Spiegel oder die Zeit sein. Manche Zielgruppen lesen überhaupt gar keine klassischen Medien, sondern hören Podcasts und lesen ihren Instagram- und Facebook-Feed. Je nachdem, wo sich die eigene Zielgruppe aufhält, kann es deshalb sinnvoll sein, sich mit PR-Aktivitäten auf Blogger und Podcaster zu konzentrieren. Und wie findet man heraus, wo die Zielgruppe sich herumtreibt? Einfach fragen: im Gespräch, im Social-Media-Kanal oder über den Newsletter.
Es erleichtert die PR am Anfang ungemein, wenn Sie sich ein Vorbild suchen. Wer steht in meinem Feld medial dort, wo ich gerne hin möchte? Wer wird in Zeitung XY zitiert, wer war in meinem Lieblingspodcast zu Gast? Wenn Sie Ihr Vorbild gefunden haben, schauen Sie sich die Webseite genauer an. Oft werden Medienauftritte auf der Webseite erwähnt – so wissen Sie gleich, welches Medium auch für Sie interessant sein könnte. Im nächsten Schritt lohnt sich eine Google-News-Suche mit dem Namen des Vorbildes. So sehen Sie ebenfalls, wer schon einmal berichtet hat.
Ein Tipp: Die Google-News-Suche lohnt sich auch für die Themen- und Journalistenrecherche. Ein Beispiel: Angenommen Sie haben sich auf Work-Life-Balance spezialisiert. Wenn Sie Work-Life-Balance eingeben, bekommen Sie über die News-Suche Medien und Journalisten, die sich bereits mit dem Thema befasst haben und sich über Input durch Sie freuen könnten.
Wenn Sie wissen, wo sich Ihre Zielgruppe und Ihr Vorbild medial aufhalten, erstellen Sie sich am besten eine Wunsch-Medienliste. Dazu gehören:
Wenn Sie sich eine Tabelle mit den Medien erstellt haben, in denen Sie gerne präsent sein würden, sollten Sie sich diese auch anschauen! Lesen Sie Zeitungen, Zeitschriften und Blogs und versuchen Sie, ein Gefühl für das Medium zu bekommen. Wer wird wann und warum interviewt? Welche Themen sind für das Medium relevant? Wenn Sie möchten, dass über Sie berichtet wird, sollten Sie sich als erstes auch für Ihr Zielmedium interessieren. Sonst wird es schwierig, ein passendes Thema anzubieten.
Wenn Sie ein Gefühl dafür gewonnen haben, für welche Bereiche sich ein Blogger oder eine Zeitung interessiert, können Sie damit beginnen, sich Themen zu überlegen, die Sie anbieten wollen. „Ich bin ein erfolgreicher Coach und habe aktuell Platz für Neukunden“ ist natürlich kein spannendes Material für eine Berichterstattung. Für eine Lokalzeitung könnte eine Veranstaltung ein interessanter Event sein, etwa ein Tag der offenen Tür mit Gratis-Live-Coachings. Für ein Magazin, das sich an vielbeschäftigte Führungskräfte richtet, könnten „5 Tipps, um die Work-Life-Balance wieder herzustellen“ ein Thema sein. Für ein Karrieremagazin: „So erkennen Sie einen guten Führungskräfte-Coach“ etc. Im Kontakt mit Journalisten geht es in der Regel nicht darum, direkt ein Produkt zu verkaufen, sondern um sich als Experte bzw. Expertin zu positionieren.
Wenn Sie wissen, mit welchem Thema Sie gerne an die Öffentlichkeit gehen wollen, dann sprechen Sie Journalisten, Blogger und Podcaster direkt an. Manchmal gibt es auch die Möglichkeit, einen Gastartikel in einer Publikation zu schreiben. Wichtig ist, zu wissen, dass Journalisten gänzlich anders arbeiten als etwa Blogger. Journalisten müssen sich an die Vorgaben ihrer Redaktion halten, der Platz für Themen ist begrenzt. Zwar suchen sie immer neue Themen, müssen sich aber an ganz andere Regeln halten als der Host eines Podcasts. Während viele Online-Medien beispielsweise keine direkten Links auf fremde Webseiten setzen, gehört das bei einem Podcast oder Blog schon fast zum guten Ton. Ein weiterer Vorteil: Speziell in Podcasts gibt es in der Regel sehr viel Redezeit, die beispielsweise im Radio viel stärker beschränkt wird. Ein erfolgreicher Podcast kann gerade einem Coach mehr bringen als so mancher Zeitungsartikel.
Wichtig: Versuchen Sie, die Kontaktaufnahme so spezifisch wie möglich zu gestalten. Falls möglich, kontaktieren Sie direkt den passenden Ansprechpartner, etwa den Journalisten, der schon einmal berichtet hat. Mein Tipp: Erst mailen, dann anrufen. Und lassen Sie das Anrufen auf keinen Fall weg. Es wäre doch schade, wenn Ihr spannendes Thema in der E-Mail-Flut untergegangen ist, nur weil Sie nicht nachgefasst haben.