Frank Farrelly ist tot. Er starb am 10. Februar 2013 nach längerer Krankheit. Er war einer der großen, weltweit bekannten Therapiegründer und ein außergewöhnlicher Mensch, der die Psychotherapie der letzten fünfzig Jahre entscheidend geprägt hat, direkt und indirekt. Viele wissen z.B. nicht, welchen hohen Anteil Franks Arbeit bei der Entwicklung des NLP hatte, zumal er für Grinder und Bandler neben Virgina Satir, Fritz Perls und Milton Erickson eines der zentralen "models" war.
Farrelly ist es zu verdanken, dass das Lachen in der Psychotherapie "gesellschaftsfähig" wurde und nicht mehr als Kunstfehler betrachtet werden musste. Deshalb nannte man ihn auch den "Vater des Humors in der Psychotherapie". Es war ihm aber immer ein zentrales Anliegen, nicht in den "Guru-Status" erhoben zu werden – so konnte er fuchsteufelswild werden, wenn jemand zu ihm sagte: "Du bist mein Guru".
Frank Farrelly entwickelte die Provokative Therapie bereits Anfang der Sechzigerjahre. Das heißt, er sagte stets, dass das keine langsame Entwicklung war, sondern dass die Provokative Therapie plötzlich auftauchte. Monatelang hatte er mit einem äußerst therapieresistenten schizophrenen Patienten streng klientenzentriert gearbeitet, ihm aufmerksam zugehört und versucht, jede noch so winzige positive Regung kräftig zu unterstützen. Leider ohne jeglichen Erfolg. Eines Tages verlor Farrelly die Geduld und stimmte dem Patienten zu, dass dieser wertlos, hoffnungslos und zu nichts nütze sei. Zu seiner großen Überraschung verzweifelte der Patient nicht, sondern richtete sich auf und begann energiegeladen zu protestieren und seine guten Seiten aufzuzählen. Es war die Geburtsstunde der Provokativen Therapie, die erst später diesen Namen bekam.
Als ich Frank Farrelly 1985 auf einem seiner ersten Workshops in Deutschland kennen lernte, eilte ihm der Ruf voraus, er sei ein wildgewordener Kliniker aus den USA, der eine total durchgeknallte neue Therapieform erfunden habe, in der der Humor eine zentrale Rolle spiele. Mein erster Eindruck war entsprechend: Ich beobachtete fasziniert, wie Farrelly fröhlich und hemmungslos alle Regeln der Psychotherapie verletzte, die mir in den letzten 15 Jahren nach Abschluss meines Psychologiestudiums als unantastbar beigebracht worden waren. Es war ein Hochgenuss und ich verfiel der Provokativen Therapie sofort mit Haut und Haaren! Wenn das Therapie war, wollte ich unbedingt mehr darüber wissen. Ich sagte zu Frank: "Ich bin verwirrt. Sie beleidigen die Klienten und alle amüsieren sich königlich und sagen hinterher, sie hätten sich noch nie so akzeptiert und verstanden gefühlt. There must be something more!" – "Yes, there is something more!", sagte er mit einem Lächeln, und bot mir an, am nächsten Tag ein so genanntes "Module" (eine 25-minütige Live-Arbeit im Workshop) mit ihm zu machen. Es war ein unvergessliches Erlebnis.
Farrelly ging es zunächst wie allen genialen Erfindern, die ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus sind: Er wurde wegen seiner neuen Vorgehensweise in der Luft zerrissen. Farrelly arbeitete damals in einer psychiatrischen Klinik mit schwer gestörten Patienten und es wurde ihm bescheinigt, dass seine Ergebnisse beeindruckend, aber seine Methode untragbar sei. Nur wenige erkannten das Potential, das in dieser Methode liegt, unter anderen der damals bereits betagte Carl Rogers, der gesagt haben soll: "Wenn ich jung wäre, würde ich Farrellys neuen Therapieansatz probieren".
Farrelly und die Provokative Therapie polarisieren bis heute, sie lassen niemanden kalt. Frank wurde daher von vielen geliebt aber auch immer wieder angegriffen, speziell von denen, die ihn und die Provokative Therapie nur vom Hörensagen kannten: "Sowas kann man doch nicht machen!", sagten sie entrüstet, getreu dem Motto: "Je prägnanter die Urteile eines Menschen umso weniger von Sachkenntnis getrübt!" An den auch heute noch auftauchenden empörten Reaktionen mancher Außenstehender kann man ablesen, dass die Provokative Therapie selbst nach fünfzig Jahren noch nicht zum therapeutischen Allgemeingut gehört und unserer Zeit immer noch weit voraus ist.
Was an der Provokativen Therapie entzweit die Geister so heftig? Es ist eine sehr komplexe Vorgehensweise und in Kurzform könnte man sagen: Der Kontrast zwischen der Oberfläche, also dem nackten Inhalt des gesprochenen Wortes, und der dahinter stehenden wertschätzenden Grundhaltung des Anwenders wird nicht für jeden sofort sichtbar. Das hinter der Provokativen Therapie stehende sehr positive, wohlwollende und unterstützende Menschenbild, das sich auf die Fähigkeiten des einzelnen und seine Selbstverantwortung konzentriert, hat der Therapeut im Hinterkopf, aber was er ausspricht, klingt ganz anders. Frank selbst sprach immer vom "open heart chacra", das für die provokative Arbeit unerlässlich sei. Für ihn war das so selbstverständlich wie atmen. Eine von Franks Klientinnen beschrieb ihn einmal folgendermaßen: "He is the kindest, most understanding man I have ever met in my whole life, wrapped up in the biggest son-of-a-bitch I have ever met!".
Es ist deshalb ein Riesenunterschied, ob man diese Therapieform als Beobachter oder als direkt betroffener Klient erlebt. Die Klienten spüren die liebevolle Akzeptanz, während die Beobachter oft nur die unverfrorene "Unverschämtheit" sehen und hören. Sowohl in Franks Workshops als auch in meinen provokativen Fortbildungen waren und sind die Beobachter der Live-Arbeiten häufig überzeugt, sie würden sich so niemals behandeln lassen. Es überrascht sie dann sehr, dass die Klienten sich stets angenommen und verstanden fühlen und sogar oft sagen, "das war doch gar nicht so provokativ". Sobald sie dann selbst als Klienten fungiert haben, schließen sie sich dieser Meinung an.
Frank hat uns stets in der Auffassung unterstützt, dass Provokative Therapie nicht nur eine Therapieform, sondern eine geistige, fast philosophische innere Haltung ist. Wer diese Grundhaltung verstanden und verinnerlicht hat, muss keine starren Regeln einhalten, sondern kann den provokativen Ansatz passend zur eigenen Persönlichkeit umsetzen. Das gilt auch für Anwender, die gar nicht explizit oder nur noch provokativ arbeiten wollen. Provokative Vorgehensweisen lassen sich in praktisch jedes Umfeld einbauen: in Therapie und Beratung, Coaching, Training, Mediation und Management. Auch in der privaten Kommunikation verhelfen sie zu reibungsloserem, positiverem Umgang miteinander. Frank hat daher weltweit unzähligen Menschen zu mehr Effizienz und Freude bei der Arbeit und im Privatleben verholfen. Dafür sind wir ihm sehr dankbar!
Da die Provokative Therapie so ungewöhnlich und komplex ist, gab es immer wieder Stimmen, die behaupteten: Nur Frank Farrelly kann Provokative Therapie machen! Frank meinte dazu grinsend, er wisse nicht nur von vielen, weltweit provokativ arbeitenden männlichen Kollegen, er kenne sogar blonde Frauen, die das auch könnten, selbst wenn sie aus dem für seine Humorlosigkeit weltbekannten Deutschland stammten. Das ist ein typisches Frank-Kompliment.
Ich verdanke Frank unendlich viel. Ich kenne ihn seit fast 30 Jahren und er hat nicht nur meine Berufslaufbahn entscheidend geprägt, denn ohne ihn gäbe es kein D.I.P. (das Deutsche Institut für Provokative Therapie) mit seiner großen Gemeinde professioneller Kommunikatoren, denen durch provokative Arbeit das Leben erleichtert wurde. Frank wurde auch zu einem sehr engen, loyalen, geliebten und geschätzten Freund. Für unsere ganze Familie – mich, meinen Mann und unsere Kinder – war er jahrzehntelang eine feste Größe, da er auf seinen Workshop-Reisen teilweise wochenlang bei uns wohnte, wobei uns allen die humorvoll-provokative Kommunikation ganz nebenbei in Fleisch und Blut überging.
Wir haben noch nicht ganz begriffen, dass Frank nun endgültig gegangen ist, aber nach seiner Definition ist er das auch nicht. Für mich ist Franks feste Überzeugung eines Lebens nach dem Tode und eines Wiedersehens mit geliebten Menschen nur eine mögliche, sehr schöne Idee. Für Frank aber war es eine Tatsache, kein Glaubenssatz. Er nannte mich daher "my Munich sceptic" und erläuterte mir nachdrücklich, dass bei meinem Tod eine wunderbare Überraschung auf mich warte. Er versprach, mich zu kontaktieren, wenn er zuerst hinüber wechsle ("crossing over", wie er das nannte) und zwar nicht als Geist im weißen Nachthemd um Mitternacht, sondern so, dass ich keinen Herzinfarkt bekomme. Ich warte und freue mich darauf!
Aber auch wenn er mir nicht erscheint, sehe ich ihn vor mir, spüre sein Wohlwollen und höre seine Stimme und sein Lachen. Damit bin ich nicht alleine, denn Frank hat das Leben unzähliger Menschen auf der ganzen Welt grundlegend beeinflusst. Er wird in seinem Werk weiterleben.