Ja, dabei berichten die Klienten von ganz unterschiedlichen Erfahrungen. Ich habe einen Klienten, der Projektleiter ist. Er und seine Mitarbeiter arbeiten im Homeoffice und er ist begeistert von der Effizienzsteigerung. Die virtuellen Meetings sind sehr strukturiert und ergebnisorientiert gestaltet. Alle arbeiten nach festgelegten Prinzipen. Für das Team sind Aufgabenklarheit, Zeitplan und Eigenverantwortung die tragenden Säulen des Erfolgs.
Ein anderer Klient stand mit der Digitalisierung zu Beginn der Homeoffice-Zeit auf Kriegsfuß. Es waren für ihn zu viele virtuelle Meetings, die ihm technisch Probleme bereiteten und gefühlt zu anonym waren. Im Veränderungsprozess lernte er, mit der Technik besser umzugehen und seinen Arbeitstag gut zu strukturieren. Für seine Sozialpflege legte er abendliche Telefonate mit Kollegen fest. Da er eine standardisierte Tätigkeit mit klaren Abläufen hat, konnte er seine Aufgabe nach drei Monaten schneller und komfortabler von Zuhause aus bearbeiten.
Ein weiterer Klient verzweifelt daran, dass er sich nicht mit seinen Kunden treffen kann. Ihm fehlt die intensive Interaktion zu Problemen, Herausforderungen und Chancen. In virtuellen Konferenzen fehlt ihm der notwendige kreative Disput, um schwierige Lösungen nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit Intuition angehen zu können. Er sagt, dass seine Arbeit digital nicht mit der notwendigen Vielfalt durchgeführt werden kann.
Homeoffice funktioniert, wenn vier Bedingungen gegeben sind, die im Coaching als Reflexionsansätze dienen können:
(1) Der Beschäftigte hat neben der technischen und räumlichen Ausstattung auch eine familiäre Situation, die konzentriertes Arbeiten erlaubt.
(2) Bekannte, gut strukturierte Aufgaben können im Homeoffice zielführend bearbeitet werden. Bei neuen und kreativen Aufgaben stößt das Homeoffice an Grenzen.
(3) Wer es liebt, autonom und selbstbestimmt zu arbeiten, ist im Homeoffice gut aufgehoben. Wer soziale Beziehungen braucht, um seinen beruflichen Alltag zu meistern, ist schnell homeoffice-müde.
(4) Organisationen, die von einer Projekt-Kultur geprägt sind, stehen für selbstorganisiertes Arbeiten. In Kulturen, die stark auf persönlichen Austausch bauen, fällt Homeoffice schwerer.
Ja. Menschen, die beziehungsorientiert agieren, mangelt es an sozialen Kontakten zu Kollegen. Einer meiner Kunden liebt die unterschiedlichen Meinungen und Erfahrungen im Team. Der persönliche Austausch ist seine Energie- und Kraftquelle. Ihn erschöpfen die virtuellen Meetings. Niemand schaue sich dabei wirklich an, beklagt er. Es entstehe keine soziale Nähe und Wärme. Für ihn bedeutet Homeoffice Vereinsamung. Im Rahmen des Coachings kam er auf die Idee, ein Netzwerk aus Gleichgesinnten zu gründen. Dies zeigte, dass er nicht allein mit den Nachteilen des Homeoffice kämpft.
Es braucht jetzt ein klares Bekenntnis der Geschäftsleitung und der Führungskräfte, dass sie nicht in die alte Arbeitswelt zurückkehren werden. Meine feste Überzeugung ist, dass die Demokratisierung in Unternehmen zunimmt. Es wird wechselnde Leitfiguren geben, die Aufgaben übernehmen und proaktiv vorantreiben. In Unternehmen wird es letztendlich Mischformen im Rahmen der neuen Arbeitswelt geben.
Die Erfolgsrezepte der Vergangenheit taugen nicht für die Gestaltung der Zukunft. Es reicht jetzt nicht aus, neue Tools oder Methoden zu kaufen. Nur mit einem neuen Mindset entsteht ein neues Sein. Dies bedarf tiefer Reflexion und hier kann Coaching den Handelnden Unterstützung leisten. Aus meiner Überzeugung wird dieses neue Mindset von zwei Faktoren gespeist: von resilienten Führungskräften und Beschäftigten sowie von Organisationen, die sich an den Prinzipien der agilen Organisation orientieren.