Wie heißt es so schön: Den Mutigen gehört die Welt!
Mit diesem Motto vor Augen habe ich mich im Spätherbst 2020 als Systemischer Coach in München selbständig gemacht, um danach richtig durchzustarten. Doch leider machten die im Zuge des zweiten Lockdowns beschlossenen Corona-Maßnahmen, mit den bekannten wirtschaftlichen Begleiterscheinigungen, einen Strich durch meine Rechnung.
Die erneute Krise stellte mein Leben, wie das von vielen anderen Menschen, über Nacht auf den Kopf. Alle meine mit Bedacht geplanten Geschäftsaktivitäten wurden hinfällig und ich musste mich täglich auf neue Herausforderungen einstellen. Ich habe festgestellt, dass in diesen turbulenten Zeiten weder übertriebener Aktionismus noch lähmende Gleichgültigkeit hilfreich sind.
Um das Projekt „Neue Selbständigkeit“ unter den veränderten Bedingungen voranzubringen, überlegte ich mir einen Fünf-Punkte-Plan:
Zum damaligen Zeitpunkt stand ich kurz vor dem Abschluß meiner Coaching-Ausbildung. Kurz danach fand ich geeignete Coaching-Räumlichkeiten in zentraler Münchener Innenstadtlage, gestaltete mit einem IT-Experten eine moderne Website, ließ neue Marketingmaterialen und Firmenschilder drucken und führte intensive Markt- und Wettbewerbsrecherchen durch.
Was mir allerdings noch zum Geschäftsstart fehlte, war die passende Möblierung meines Coaching-Raums, geeignete IT-/Kommunikationsgeräte und eine stimmige Innendeko. Aufgrund der Corona-Pandemie und der entsprechend erschwerten Einkaufsmöglichkeiten sowie den langen Lieferzeiten u.a. bei Bestellungen von IT (aufgrund der Einrichtung der zahlreichen Home-Office-Plätze blieb die Nachfrage kontinuierlich hoch) konnte ich diese Punkte erst mit einer mehrmonatigen Verspätung umsetzen. Die Konsequenz daraus war, dass ich vorerst keine Klienten vor Ort persönlich begrüßen, aber auch aufgrund fehlender Technik keine Online-Coachings anbieten konnte.
Ich nutzte die Zwischenzeit, um Literaturrecherche zu betreiben, mich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen und fachlich fortzubilden. Das hätte ich vermutlich kaum in der Intensität ohne diese Zwangspause getan.
Social Media-Profis raten, dass es gerade am Anfang einer Selbständigkeit als Coach wichtig ist, so oft wie möglich im Netz präsent zu sein, damit man auffällt und dadurch Aufträge generiert. Schnell merkte ich, dass mediale Präsenz wichtig, aber nicht alles ist.
Eine informative Website, zahlreiche Vernetzungskontakte auf XING und LinkedIn, wöchentliche Posts in diversen Social Media-Kanälen und teure Google-Ads-Werbekampagnen sind kein Garant, dass interessierte Menschen auf einen aufmerksam werden. All diese Dinge haben sicherlich ihre Berechtigung, helfen jedoch kurzfristig wenig und sollten eher als Langzeit-Investment gesehen werden.
Es kommt vielmehr darauf an, mit dem richtigen Angebot im passenden Medium und vor allem gegenüber der betreffenden Zielgruppe in Erscheinung zu treten. Diesbezüglich hat mir das Aufgreifen aktueller Themen in meinem regelmäßigen Blog geholfen, medial präsenter zu werden.
Ich wusste, einer der nächsten Schritte würde der Schwierigste sein, zumal ich noch keine Antwort auf die entscheidende Frage hatte: Wie mache ich richtig auf mich aufmerksam und wie erfahren interessierte Klienten von meiner Existenz als Coach und meinen Angeboten?
Erschwerend kam hinzu, dass der Markt für Coaches in München übersät ist von Anbietern aller Couleur mit unterschiedlichsten Dienstleistungen. Das machte es nicht nur schwer für mich, sondern auch für Suchende bzw. Interessierte, mich als für sie passenden Coach zu finden.
Was mir zu Beginn wirklich half, war ein funktionierendes Beziehungsnetzwerk (alte Berufskontakte, Vereinsmitglieder, Nachbarn, Bekannte, Freunde, Verwandte usw.) auf das ich sofort zugreifen konnte. Das Zauberwort hieß tatsächlich „Empfehlungsmarketing“ und öffnete die ersten Türen.
Die größte Hürde die ich dabei überwinden musste, war die eigene Scheu abzulegen, aktiv für mich und meine neue Profession Werbung zu machen – und zwar ständig und überall. Dafür nutzte ich eine Art „Elevator Pitch“, um mich und meine Leistungen anderen Personen kurz und knapp vorzustellen. Nach einer gewissen Zeit machte es mir sogar Spaß, Mitmenschen damit neugierig zu machen und tiefere Einblicke in eine eher unbekannte Branche zu geben.
Um meine Bekanntheit weiter zu steigern, kam ich auf die Idee, eine Vortragsreihe mit Unterstützung einer Volkshochschule zu veranstalten, die in meinem Einzugsgebiet liegt. Das half, in direkten Kontakt mit potenziellen Klienten zu kommen und gleichzeitig für mich zu werben.
Eine geplante Präsentation meines Leistungsangebots auf einer regionalen Fachmesse wurde zwaraufgrund der Corona-Pandemie abgesagt, wird aber hoffentlich im kommenden Jahr stattfinden. Ich glaube, eine solche Präsentation auf dem lokalen Markt kann eine ähnliche Wirkung haben, wie Vortragsreihen an Bildungseinrichtungen.
Es gibt viele Möglichkeiten, um auf sich als Coach aufmerksam zu machen. Meines Erachtens sollte es aber immer authentisch, interessant und nutzenstiftend erfolgen, damit ein positiver und nachhaltiger Eindruck entsteht.
Menschen die zum ersten mal ein Coaching buchen, haben für gewöhnlich eine relativ hohe Erwartungshaltung. Sie machen sich intensiv Gedanken darüber, welchen Anbieter sie für die Lösung ihres persönlichen Problems oder Anliegens auswählen sollen.
Aufgrund der Vielzahl von Angeboten im süddeutschen Markt musste ich erkennen, dass man ohne eine zur eigenen Person passende Spezialisierung keine Chance hat, überhaupt wahrgenommen und gefunden zu werden. Ich war mir bewusst, dass spezialisierte Coaches ihr Leistungsangebot auf ein eng umgrenztes Gebiet bzw. auf ausgewählte Themen konzentrieren. Wer hingegen eine Vielzahl von Angeboten mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten und methodischen Ansätzen vorweist, kann verständlicherweise nicht in jedem Bereich eine Koryphäe sein.
Leider wusste ich zu Beginn meiner Selbständigkeit überhaupt nicht, wie eine Spezialisierung für mich aussehen könnte und habe deshalb genau das gemacht und die gesamte mir bekannte Bandbreite von Coaching-Themen angeboten.
Nach einiger Zeit merkte ich jedoch, dass mein Komplettangebot nicht angenommen wird und es für mich als Coach somit nur einen Ausweg gibt: Ich muss Interessenten nachvollziehbar vermitteln, dass ich der passende (oder ideale) Ansprechpartner für sie bin. Das geht am besten, indem ich ihnen überzeugend veranschauliche, dass ich genau auf das Problem oder Anliegen spezialisiert bin, das sie beschäftigt.
Deshalb habe ich mein Coaching-Angebot, insbesondere aufgrund einer inzwischen abgeschlossenen Zusatzausbildung, drastisch reduziert und fokussiere mich neben ausgewählten Themen im Personal-Coaching hauptsächlich auf Anfragen im Rahmen des Hypnose-Coachings. Dank dieser definierten Eingrenzung und Spezialisierung finden Interessierte und potentielle Klienten mein Angebot offensichtlich besser – die Anfragen nahmen und nehmen zu. Zudem führt die Konzentration des Angebots nicht nur dazu, dass Klienten mich gezielter finden können, sondern sie ermöglicht es auch, jene Zielgruppe tatsächlich effektiv und wirksam auf ihrem Weg zu unterstützen.
Meines Erachtens existiert nach wie vor ein gesellschaftliches Informationsdefizit zum Thema Coaching. Viele Menschen haben entweder ein falsches oder gar kein Bild bezüglich der Einsatzmöglichkeiten und der Wirkungen von Coaching. Auch deshalb scheuen viele den Kontakt zu professionellen Coaching-Anbietern. Coaches und insbesondere Coaching-Berufseinsteiger müssen sich dieses Umstands bewusst sein.
Das Wichtigste, was ich in den letzten zwölf Monaten gelernt habe, ist veränderte Situationen als Chance zu begreifen. Manchmal bedarf es einschneidender Ereignisse, um sich zu fragen, was wirklich bedeutend im Leben ist und ob jetzt nicht der richtige Zeitpunkt gekommen ist, einen anderen und/oder neuen Weg einzuschlagen.
Veränderungen im Leben und der Blick auf sich selber fördern bekanntlich nicht nur die Selbstreflexion, sondern dienen vor allem der persönlichen Weiterentwicklung.