Coaching boomt nach wie vor! Die Entwicklung des Coaching-Marktes in Deutschland ist beeindruckend. Längst wurden Kritiker abgestraft, die im Coaching nur einen kurzfristigen Modetrend sehen wollten. Coaching ist momentan das Schlagwort moderner Personalentwicklung; und wenn man neueren Studien glauben darf, ist zukünftig mit noch größerem Bedeutungsgewinn zu rechnen.
Die Gründe für die gestiegene Popularität von Coaching sind auf zwei Ebenen zu verorten:
In der Studie zum deutschen Coaching-Markt 2008/09 stand die vorvertragliche Verhandlungssituation zwischen Coachs und ihren Kunden im Fokus.
Die Studie entstand im Rahmen meiner Diplomarbeit am Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement der Philipps-Universität Marburg. Sie die trägt den Titel „Angebots- und Nachfragestrategien im deutschen Coaching-Markt – Dienstleistungsmarketing in der Personalentwicklung“. Die kompletten Ergebnisse dieser Studie erscheinen im vierten Quartal dieses Jahres als Buch. Zu diesem Anlass planen wir in Marburg eine Tagung. Im Gegensatz zu anderen Marktstudien (s. Kasten) liegt den Ergebnissen eine verhältnismäßig große Stichprobe zu Grunde. Auf der Seite der Coachs haben sich knapp 1.100 Teilnehmer durch den Online-Fragebogen geklickt. Die Stichprobe der Nachfrageseite ist kleiner, gleichwohl aber sehr spezifisch, denn bei den 243 Teilnehmern handelt es sich um Entscheidungsträger. Die größte Gruppe in dieser Stichprobe stellen dabei Geschäftsführer mit einem Anteil von 26 Prozent dar, gefolgt von Personalentwicklern (18%) und Abteilungs- oder Bereichsleitern (16%).
Der Einschätzung zur Grundgesamtheit von Coaching-Anbietern liegt eine Analyse der Zahlen zur Einkommenssteuer des Statistischen Bundesamtes zu Grunde. Nach der Interpretation dieser vorliegenden Zahlen wurde die Zahl der in Deutschland tätigen Coachs auf 8.000 festgelegt. Damit kann die Stichprobe mit einem Anteil von 13,63 Prozent aller Coachs als repräsentativ für den deutschen Coaching-Markt angesehen werden.
Jörg Middendorf führt gemeinsam mit dem Deutschen Bundesverband Coaching e.V. (www.dbvc.de) die Coaching-Umfrage Deutschland durch. Inzwischen liegen seit 2002 die jährlich erscheinenden Studienergebnisse vor. Die aktuelle 7. Coaching-Umfrage Deutschland basiert auf der Befragung von 432 Teilnehmern.
Auf europäischer („European Coaching Survey 2007/08“) und seit Neuesten auf internationaler Ebene („Global Coaching Survey 2008/09“) untersucht Frank Bresser die Coaching-Branche. Seine Daten beruhen bislang in weiten Teilen auf der Befragung von Verbandsfunktionären und können daher noch keine hohe Validität beanspruchen.
Weitere Infos im Coaching-Report.
Der durchschnittliche Coach ist weiblich (53%). „Mrs. Coach“ ist 47 Jahre alt. Jede Dritte hat eine kaufmännische Ausbildung (29%), die durch ein Studium der Psychologie (27%), der Wirtschaftswissenschaften (25%) oder der Pädagogik (21%) ergänzt wurde. Sie besitzt eine spezifische Coaching- oder Beraterausbildung (72%) und jede Dritte hat auch eine therapeutische Zusatzausbildung (33%) absolviert. Sie organisiert ihre Arbeit selbstständig als Freiberuflerin (40%), ist selbstständig mit einer eigenen Firma (21%) oder arbeitet als vernetzte Einzelanbieterin in einem Coaching-Pool (17%).
Bisher kann nur jeder zehnte Coach allein von Coaching leben (10%). Jede Zweite (59%) erwirtschaftet durch Coaching allerdings bis zu 30 Prozent ihres Jahreseinkommens. Das durchschnittliche Tageshonorar liegt bei 63 Prozent der Coachs zwischen 1.000 und 2.000 Euro. Der durchschnittliche Stundensatz im Coaching liegt bei 150 Euro. Wobei der größte Teil der Coachs (78%) ihre Dienstleistung bis zu diesem Durchschnittssatz anbietet. Darin ist auch ehrenamtliches Engagement enthalten. Coachings werden allerdings auch bis hin zu einem Stundensatz von 500 Euro angeboten.
Es gibt keine Branche, die sich durch den Einsatz von Coaching besonders auszeichnet. So arbeiten Coachs beispielsweise in der Automobilindustrie (34%), in Handel und Vertrieb (39%), bei Banken und Versicherungen (38%) oder im Gesundheits- und Sozialwesen (37%). Auffällig ist, dass einige Coachs über spezifisches Branchenwissen verfügen – einige konzentrieren sich zum Beispiel auf das Gesundheits- und Sozialwesen (22%) oder die Finanzbranche (Banken und Versicherungen: 20%). Die größte Gruppe von Klienten der Coachs findet sich mit 71 Prozent im mittleren Management. Mit dem gehobenen Management arbeiten mit 61 Prozent ähnlich viele Coachs, wie mit Nachwuchsführungskräften (60%). Mitarbeiter werden zu 50 Prozent gecoacht und lediglich 33 Prozent coachen Top-Executives.
Die Frage nach Methoden und Ansätzen wurde in zwei Spalten gegliedert. Differenziert konnten Angaben darüber gemacht werden, ob man einem kompletten Ansatz oder lediglich Elemente eines Ansatzes bei der Arbeit als Coach nutzt. Als meistverwendete „ganze“ Ansätze sind der Systemische Ansatz (34%) und die Supervision (28%) zu nennen. Den Kern der Arbeit als Coach scheint allerdings der bedarfsadäquate Einsatz von Elementen verschiedener Ansätze im Coaching darzustellen (eklektizistischer Ansatz). Unter den therapeutischen Ansätzen werden häufig Elemente aus der Gesprächstherapie (53%), der Verhaltenstherapie (50%) oder der klientenzentrierten Kommunikation (50%) verwendet. Unter den kommunikationstheoretischen Ansätzen sind beispielsweise Elemente aus dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP) (45%), der Transaktionsanalyse (TA) (43%) sowie der Gesprächs-Rhetorik (41%) populär. Elemente aus der Supervision (47%) und dem 360-Grad-Feedback (31%) werden aus der Gruppe der Feedback-Ansätze häufig verwendet.
Lediglich knapp mehr als die Hälfte aller Coachs bewerben ihre Dienstleistung (55%). Etwas mehr als die Hälfte der werbenden Coachs tut dies seit maximal fünf Jahren (56%). 41 Prozent gaben 2008 zwischen 1.000 und 5.000 Euro für Werbe-Maßnahmen aus.
Konkrete Werbe-Maßnahmen sind beispielsweise die eigene Homepage (94%), die Pflege von Netzwerken (81%), der Aufbau eines Corporate-Designs oder einer Corporate-Identity (62%) sowie die Öffentlichkeitsarbeit/ PR (38%).
Dabei stellen 43 Prozent der Coachs in ihrer Werbung besonders ihre Qualifikation oder die Ausbildung sowie die Kompetenzen in den Vordergrund; gefolgt von ihren beruflichen Erfahrungen (30%) sowie dem Themenblock Schwerpunkte, Spezialisierung oder USP (24%).
Die Coachs, die ihre Dienstleistung bewerben, wurden in einer weiteren Frage darum gebeten, eine Einschätzung über die Werbewirkung verschiedener Maßnahmen abzugeben. Die Ergebnistabelle 1 zeigt die subjektiven Einschätzungen von Coachs dazu, wie sich ihre Auftragszahlen nach einer konkreten Marketing-Maßnahme prozentual verändert haben. In der Spalte „Durchschnittlich“ sind alle Angaben zu Veränderungen in den Auftragszahlen gemittelt. Die Spalten „Minimum“ und „Maximum“ visualisieren die absoluten Prozentwerte der niedrigsten (Minimum) und höchsten (Maximum) Veränderungseinschätzung zu ex post erzielten Auftragszahlen. Die „Basis n“ zeigt die absoluten Zahlen der Nennungen von Coachs. Die große Differenz in dieser Spalte der Nennungen ergibt sich, da vier Maßnahmen in der Fragetabelle bereits vorgegeben waren und offen um die Ergänzung weiterer Maßnahmen und deren Bewertung gebeten wurde. Aus diesem Grund sind die Antworten der Coachs bei der qualitativen Auswertung in passende Merkmalskategorien zusammengefasst worden.
Aus den Maßnahmen „Fachbuchautorenschaft“ und „Artikelveröffentlichungen“ wurden drei Kategorien gebildet, da es Probanden gab, die bei ihren Angaben beide Maßnahmen zusammengefasst, etwa durch das Merkmal „Veröffentlichungen“, erwähnten und bewerteten. Nach den Angaben der befragten Coachs entfaltet eine „Fachbuchautorenschaft“ mit durchschnittlich 86 Prozent der Nennungen die nachhaltigste Wirkung in der Erhöhung der Auftragszahlen. Die Erhöhung der Auftragszahlen rangieren hier zwischen mindestens 25 und maximal 300 Prozent. Die Coachs, die die „Fachbuchautorenschaft“ und „Artikelveröffentlichungen“ gemeinsam angaben, vermuten, aus diesen Maßnahmen im Durchschnitt 66 Prozent mehr Aufträge erhalten zu haben. Die Bandbreite liegt hier zwischen 10 und 300 Prozent.
Interessant sind die Daten zur solitären Maßnahme „Artikelveröffentlichungen“: Durch diese singuläre Maßnahme erhöhten sich die Auftragszahlen der Coachs lediglich um durchschnittliche 13 Prozent. Die Bandbreite reicht hier von 10 bis 20 Prozent. Der Vergleich zwischen diesen drei Merkmalskategorien lässt vermuten, dass wissenschaftliche Veröffentlichungen, die häufig in Form von Artikeln veröffentlicht werden, von Kunden weniger zur Kenntnis genommen werden.
Die wissenschaftliche Reputation eines Coachs wird von Kunden für die praktische Arbeit mit Klienten offenbar weniger beachtet. Eine Fachbuchautorenschaft, die – wenn man sich am Durchschnitt der 7.129 Buch-Angebote zum Thema Coaching bei Amazon orientiert – in den meisten Fällen einen eher populärwissenschaftlichen Charakter besitzt, wird dagegen vermutlich häufiger von Kunden bemerkt und auf Grund von „vermeintlich“ höherer Praxisorientierung für die praktische Arbeit mit Klienten stärker gewichtet.
Die Maßnahme „gezielte Ansprache“ wurde bei der Kategorisierung bewusst von der Maßnahme „Kaltakquise“ getrennt. Gezielt angesprochen werden in der Regel bereits bestehende Kunden, um auf ein besonderes Angebot hinzuweisen. Bei der Kaltakquisition geht es um Neukundengewinnung. Diese Unterscheidung liefert vermutlich schon einen ersten Hinweis darauf, warum Coachs durch gezielte Ansprache im Durchschnitt 70 Prozent mehr Aufträge erhielten. Die Spannbreite der Nennungen für diese Kategorie lag zwischen 30 und 100 Prozent. Durch Kaltakquise konnten Coachs ihre Auftragszahlen im Durchschnitt um 43 Prozent steigern, die Spannbreite der Merkmalsausprägungen in dieser Kategorie lag zwischen zehn und 100 Prozent.
Die Kunden von Coachs stammen aus Unternehmen aller Größenordnungen und Branchen. Die meisten von ihnen sind über den Austausch mit Kollegen auf Coaching aufmerksam geworden (28%). Mit 67 Prozent überwiegt der Anteil derer, die mit dem Einsatz von Coaching zufrieden sind. 58 Prozent der Kunden attestieren einen mittleren, 42 Prozent einen hohen Erfolg für ihr Unternehmen durch den Einsatz von Coaching
Die meisten Kunden werden auf Coachs durch Empfehlungen aufmerksam (Mund-zu-Mund-Kommunikation, Meinungen aus ihrem Netzwerk; 58%). 17 Prozent finden den Coach durch die gezielte Suche im Internet. Bei der Auswahl von Coachs sind unter anderem Referenzen und positive Erfahrungen Dritter mit dem Coach (34%), die Schwerpunktkompetenzen des Coachs (18%) sowie Ausbildung und Erfahrung des Coachs (17%) wichtige Kriterien. Zweibis dreistündige Vorstellungsgespräche zum Kennenlernen gehören für 25 Prozent der Kunden zum Standard bei der Auswahl. Entscheidend sind für die Vertragsvergabe bei 17 Prozent das Fitting zwischen Coach und Klienten („Chemie“). Die Passung des Coachs zur Firmenphilosophie oder -kultur ist für zwölf Prozent entscheidend.
Wesentliches Auswahlkriterium ist für Kunden eine spezifische Coaching- oder Beraterausbildung, diese wird von 54 Prozent als sehr wichtig und von 29 Prozent als wichtig eingestuft. Interessant ist, dass eine Promotion lediglich von zwei Prozent der Kunden als wichtig, und von 82 Prozent als unwichtig markiert wurde. Dass ein Coach Berufserfahrung als Coach be sitzt, halten 72 Prozent der Kunden für sehr wichtig, 21 Prozent für wichtig. Auch eigene Branchenerfahrung ist von Vorteil (sehr wichtig: 49%, wichtig: 30%). Unter den persönlichen Eigenschaften wünschen sich Kunden unter anderem Vertrauenswürdigkeit und Integrität (sehr wichtig: 77%, wichtig: 16%) sowie Persönlichkeit und Ausstrahlung (sehr wichtig: 71%, wichtig: 21%) von ihrem Coach. Mehrfach wurde in einer ergänzenden, offenen Fragestellung erwähnt, dass die Auswahl eines Coachs häufig eine Sache des „Bauchgefühls“ sei.
Bei fast drei Viertel der Kunden von Coaching-Dienstleistungen liegt der Anteil von Coaching an Personalentwicklungsbudgets bei nicht mehr als 20 Prozent. Das Personalentwicklungsbudget der Kunden, die über 60 Prozent ihres Budgets in Coaching investieren, liegt bei unter 10.000 Euro. In Anbetracht der Vielfalt möglicher Personalentwicklungsmaßnahmen ist der Anteil von Coaching an Personalentwicklungsbudgets mit einem Mittelwert von 16,85 Prozent doch recht respektabel. Es bleibt abzuwarten, wie sich dieser Anteil in den nächsten Jahren entwickeln wird.