Nach Schätzungen konkurrieren am deutschen Coaching-Markt ca. 8.000 bis 9.000 Business-Coaches um die Gunst potenzieller Klienten. Wie werden sie für ihre Arbeit entlohnt? Wie haben sich die Coaching-Honorare über die letzten Jahre hinweg entwickelt? Wodurch ist die Höhe der Vergütung beeinflusst und welche Maßnahmen können Coaches ergreifen, um ein möglichst gutes Honorar zu erzielen? Dies sind Fragen, die Psychologe, Organisationsentwickler und Coach Jörg Middendorf dem Coaching-Magazin datenbasiert beantwortete. Der Leiter des Büros für Coaching und Organisationsentwicklung (BCO, Köln, www.bco-koeln.de) ist Initiator der 2002 ins Leben gerufenen und seither jährlich durchgeführten „Coaching-Umfrage Deutschland“, der ältesten Langzeitstudie zum deutschen Coaching-Markt. Eine Übersicht.
Mit Blick auf die Entwicklung der Honorare zieht Middendorf auf Basis der Ergebnisse seiner bisherigen Coaching-Umfragen eine Bilanz, die von Coaches insgesamt als positiv bewertet werden dürfte. Der durchschnittliche Stundensatz (60 Minuten), der sowohl privat- als auch unternehmensbezahlte Coachings einbezieht, ist in 2016 so hoch ausgefallen wie noch nie seit Beginn der Erhebung der Honorare im Jahr 2004. Ermittelt wurde ein Satz von rund 168 Euro. Jedoch ging es nicht durchweg bergauf. „Die Entwicklung des Stundensatzes hatte mit der Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 einen Dämpfer erlitten“, blickt Middendorf zurück. Die Honorare sind damals von 158 auf 145 Euro gefallen. „Doch schon mit den Ergebnissen für 2010, die einen Satz von 153 Euro auswiesen, setzte eine Erholung ein, die bis 2016 angehalten hat.“
Aber nicht jeder Coach realisiert Honorarsätze, die im genannten Bereich angesiedelt sind. Tatsächlich bestehen hinsichtlich der individuellen Honorargestaltung sogar sehr große Unterschiede, wie Middendorf verdeutlicht: „In den durchschnittlichen Stundensatz fließen natürlich auch einzelne Honorare ein, die von 50 Euro bis zu Spitzensätzen von über 300 Euro reichen, sodass der durchschnittliche Stundensatz vom individuell erzielten Honorar einzelner Coaches stark abweichen kann.“ Es darf daher gefragt werden: Welche Faktoren beeinflussen die Honorarhöhe im Coaching? Welche wesentlichen Treiber können benannt werden? Auf den Punkt gebracht: Welche Coaches erzielen bessere, welche niedrigere Honorare?
Bekannt ist, dass Coaches im Rahmen einer Konstellation, in der der Arbeitgeber des Klienten als Auftraggeber fungiert und das Coaching dementsprechend finanziert, höhere Honorare verlangen können, als dies in Konstellationen der Fall ist, in denen der Klient das Coaching als Selbstzahler aufsucht. Erwartungsgemäß, so Middendorf, wurden auch im Rahmen der jüngsten Coaching-Umfrage „klare Unterschiede“ zwischen privat- und unternehmensbezahlten Coachings ermittelt: „Der durchschnittliche Stundensatz für Unternehmen betrug im Jahr 2016 184 Euro, der für Privatklienten lag hingegen mit 125 Euro deutlich darunter.“
Dass gerade in den Unternehmen gut verdient werden kann, belegt auch die Studie „Weiterbildungsszene Deutschland 2016“, mit der Jürgen Graf vom Verlag managerSeminare die Honorarverhältnisse im Coaching und in weiteren Beratungsformaten unter die Lupe nahm. Der ermittelte durchschnittliche Stundensatz für privat bezahlte Coachings lag demnach im Jahr 2015 deutlich unter den Sätzen, die für unternehmensbezahlte Coachings veranschlagt wurden.
Welche personenbezogenen Faktoren sind für die Honorargestaltung besonders ausschlaggebend? Middendorf findet eine klare Antwort: „Der zentrale Faktor bei der realisierten Höhe der Stundensätze ist das Lebensalter in Kombination mit der Berufserfahrung als Coach.“ Oberhalb des 50. Lebensjahrs, erläutert der Branchenkenner, werden bereits überdurchschnittliche Stundensätze erzielt. Oberhalb des 60. Lebensjahrs liege der durchschnittliche Satz schon bei 211 Euro für unternehmensbezahlte und 138 Euro bei privat gezahlten Coachings.
Als im Einklang hiermit stehend versteht Middendorf eine positive Wirkung umfangreicher Praxiserfahrung: „Analog steigen die Stundensätze überdurchschnittlich bei einer Berufserfahrung von mehr als zehn Jahren deutlich an – sowohl im privat- als auch im unternehmensbezahlten Bereich.“ Mit über 20 Jahren Erfahrung im Coaching-Business veranschlage ein Coach bei unternehmensbezahlten Aufträgen ein durchschnittliches Stundenhonorar von 223 Euro, verdeutlicht Middendorf. Bei privat bezahlten Coachings liege der Satz bei ebenfalls überdurchschnittlichen 169 Euro.
Inwiefern beeinflussen Spezialisierungen die von Coaches erzielten Honorare? Diese Frage bildete einen der Schwerpunkte der Coaching-Umfrage in 2016. „Die Ergebnisse zeigen, dass eine Spezialisierung nicht zwangsläufig einen Einfluss auf die Stundensätze hat“, erklärt Middendorf und ergänzt: „Allerdings gibt es bestimmte Spezialisierungen, die einen sehr deutlichen Einfluss auf das Honorar haben. So ist es nicht verwunderlich, dass eine Spezialisierung auf die Executive-Ebene in Unternehmen auch mit einem hohen Stundensatz korreliert. Man kann hier also davon ausgehen, dass die spezielle Zielgruppe, die bereit ist, höhere Honorare zu bezahlen, der wesentliche Treiber ist.“ Hinzu komme der Umstand, dass Coaches mit einer Spezialisierung auf die Executive-Ebene auch besonders lange als Coach arbeiten – durchschnittlich über 15 Jahre. „Alleine dies könnte die hohen Stundensätze fast schon erklären.“ Wie bereits dargestellt wurde, gehört die coaching-spezifische Berufserfahrung zu den gewichtigsten Faktoren, die die Honorare beeinflussen. Eine Spezialisierung auf bestimmte Organisations- bzw. Unternehmensformen des Klienten oder bestimmte Themen und Coaching-Anlässe habe hingegen keinen generellen positiven Einfluss auf das erzielte Honorar, so Middendorf.
Im Zusammenhang mit der Spezialisierung auf Executive-Coachings verweist Middendorf auf eine weitere Besonderheit und erläutert: „Frauen, die in diesem Feld aktiv sind, erzielen mit 271 Euro die höchsten durchschnittlichen Stundensätze überhaupt. Dies ist umso bemerkenswerter, weil Frauen ansonsten – wie so häufig – auch im Coaching-Bereich finanziell benachteiligt werden.“ Letzteres im Einzelnen: Der durchschnittliche Stundensatz unternehmensbezahlter Coachings beträgt 183 Euro. Männliche Coaches erzielen, wie Middendorf berichtet, mit 189 Euro einen überdurchschnittlichen Satz, während weibliche Coaches mit einem Honorar von 179 Euro unter dem Gesamtdurchschnitt liegen. Bei privat gezahlten Coachings sieht es ähnlich aus: Männer bekommen 127 und Frauen 123 Euro. Der Gesamtschnitt privat gezahlter Coachings liegt bei einem Satz von 125 Euro.
Ein noch deutlicheres Gefälle zwischen den Geschlechtern wurde im Rahmen der Honorar- und Gehaltsstudie „Weiterbildungsszene Deutschland 2016“ ermittelt. Männliche Coaches erzielten, folgt man den Ergebnissen der Erhebung, im Jahr 2015 ein durchschnittliches Honorar von 198 Euro und lagen damit weit vor ihren Kolleginnen, die im Schnitt einen Satz von 148 Euro erreichten.
Tabelle: Zentrale Faktoren und ihre Auswirkungen auf Coaching-Honorare
Nicht alle genannten Faktoren sind (unmittelbar) beeinflussbar. Was können Coaches also unternehmen, um höhere Honorare zu erzielen? Eher zu vernachlässigen ist nach Auffassung Middendorfs eine Reihe objektiver Kriterien, die bei diesen Überlegungen zunächst naheliegend erscheinen mögen: „Aus vergangenen Studien wissen wir, dass die Art der Coaching-Ausbildung, der Verbandszugehörigkeit oder der methodischen Ausrichtung eines Coachs für Kunden nicht von besonderem Interesse sind.“ Dies bedeute zwar nicht, dass Qualität und Seriosität unwichtig seien. Vielmehr werde jedoch „eine generelle Professionalität erwartet, die die meisten Coaches auch mitbringen.“
Für Kunden hingegen ausschlaggebend sei die persönliche Erfahrung mit dem Coach bzw. die Empfehlung durch eine vertrauenswürdige Person, erläutert Middendorf und rät: „Möchte ein Coach also mit bestimmten Zielgruppen arbeiten – z.B. mit solchen, die besonders hohe Honorare zahlen – so muss er dieser Zielgruppe durch andere Tätigkeiten die Gelegenheit geben, ihn kennenzulernen.“
Im Zusammenhang hiermit ist der Umstand zu betrachten, dass der Anteil des Coachings, wie Middendorf berichtet, an der Gesamttätigkeit eines Beraters seit Beginn der Coaching-Umfrage ca. ein Drittel beträgt. Der Coach lebt demnach in der Regel nicht ausschließlich vom Coaching. Die Schlussfolgerung: „Man könnte sogar sagen, dass die Coaching-Tätigkeit oft erst durch die weiteren Tätigkeiten des Beraters ermöglicht wird. Hier zählen also das Netzwerk und der sogenannte Stallgeruch, die zur Zielgruppe passen müssen.“
Die Ergebnisse der 15. Coaching-Umfrage zeigen: Die große Mehrheit der Coaches hierzulande rechnet ihre Coachings nach Stunden ab. Insbesondere Einsteigern rät Middendorf jedoch, sich nach Möglichkeit von der stundenbasierten Honorargestaltung zu verabschieden: „Das Modell der Stundenhonorare ist aus dem Feld der Psychotherapie bzw. Supervision übernommen worden und ist seitdem ein Hemmschuh für die Entwicklung der Profession.“ Jedes einzelne Coaching blockiere den gesamten Tag für andere, teils lukrativere Beratungsaufträge. „Mit Blick auf ein gutes Einkommen darf Coaching demnach aktuell also sogar nur ein Drittel der Tätigkeit einnehmen. Ansonsten steigen die Opportunitätskosten für den Coach zu stark an“, so das ernüchternde Resümee.
Wer nach alternativen Zahlungsmodellen fragt, die es Coaches erlauben würden, ihren Lebensunterhalt zu einem größeren Anteil durch Coaching-Tätigkeiten zu bestreiten, könne bei den Unternehmensberatern fündig werden, gibt Middendorf zu bedenken und stellt den Unterschied heraus: „Dort werden nicht Stunden, sondern Projekte und Tage abgerechnet.“ Coaches, die genau dies praktizieren, realisieren im Schnitt die höheren (errechneten) Stundensätze und können bisweilen deutliche Steigerungen erzielen, wie der langjährige Marktbeobachter auf Basis seiner Coaching-Umfrage in Erfahrung gebracht hat.
Der richtige Weg scheint somit abgesteckt. Coaches sollten bestrebt sein, im Rahmen unternehmensbezahlter Coachings das Tages- bzw. Projektmodell durchzusetzen. Nur ist dies leichter gesagt als getan, weiß Middendorf. Ein Grund: „Da in Coaching-Ausbildungen zu oft und unreflektiert das Stundenhonorar als alleiniges Zahlungsmodell vermittelt wird und sich in diesen Ausbildungen auch viele Personalentwickler befinden, ist es relativ schwierig, den Projektgedanken bei Unternehmen zu platzieren.“ Die Branche steht sich somit bisweilen selber im Weg. Eine ebenfalls erschwerende Rolle spielt die Pfadabhängigkeit. Middendorf verdeutlicht: „Hat man sich in den Verhandlungen mit einem Unternehmen erst einmal auf Stundensätze eingelassen, so ist es so gut wie unmöglich, zu späterem Zeitpunkt auf Tagessätze oder Projektsummen umzustellen.“ Ein ausschlaggebender Punkt dürfte darin bestehen, den Nutzen eines Coachings gegenüber Auftraggebern noch klarer herauszustellen. Ist ein deutlicher Return on Investment zu erwarten, sollte die Bereitschaft, sich auf eine projektbasierte Abrechnung einzulassen, entsprechend steigen.