Im Rahmen einer Bachelorarbeit wurde eine wissenschaftliche Studie zur emotionalen Intelligenz von Beschäftigten und Führungskräften durchgeführt. Auf Basis der Ergebnisse dieser Studie wurde ein Coaching-Konzept für Führungskräfte entwickelt. Die Problemstellung resultiert daraus, dass durch den technologischen Wandel, die immer stärker werdende Wettbewerbslandschaft, die ansteigende Komplexität und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen vor allem Führungskräfte unter einem enormen Druck stehen (Goleman, 1999).
Schon im 19. Jahrhundert hat sich der Evolutionsbiologe Charles Darwin mit Emotionen beschäftigt und sich gefragt, welche Funktionen diese haben. Er stellte die These auf, dass die Entwicklung von Emotionen zu einem Überlebensvorteil des Menschen geführt hat. Auch heute teilen noch viele Forscher Darwins Ansicht. Durch Emotionen können gesammelte Erfahrungen in unterschiedlichen Situationen und in kurzer Zeit abgerufen werden. Außerdem können Situationen und Menschen besser eingeschätzt werden.
Im 20. Jahrhundert wurde den Emotionen nur eine geringe Bedeutung zugeschrieben, sie wurden fast ausschließlich dem privaten Raum und „Gebrauch“ zugeordnet. Erst Mitte der 1990er-Jahre kam es durch Daniel Goleman zu einem Gedankenumbruch. Seiner Sichtweise nach, zeichnen sich Personen mit einem hohen Erfolg nicht nur durch einen außergewöhnlichen Intelligenzquotienten aus, sondern durch einen besonders hohen Emotionsquotienten, also durch die emotionale Intelligenz (Kanitz, 2015). Nach Kanitz (ebd.) spielen Emotionen sowohl in der Entwicklung von Plänen, bei der Einschätzung von Risiken und Lösung von Problemen als auch in Standardsituationen eine große Rolle – sie beeinflussen unser Denken in hohem Maße. So können Emotionen über den Lebenserfolg mitentscheidend sein.
Laut Goleman (1999) umfasst emotionale Intelligenz die Fähigkeit, die eigenen Emotionen wahrzunehmen und mit diesen umgehen zu können. Sie dient also auch als Selbstmotivation und der Fähigkeit zur Einfühlung in andere Menschen. Golemans (ebd.) aufgestellte These, dass es eine Verknüpfung zwischen Karriere und emotionaler Intelligenz gibt, ist bis heute nicht einwandfrei belegt. Jedoch ist der starke Einfluss von Emotionen auf die Handlung des Menschen unbestritten, weshalb die emotionale Intelligenz eine immer wichtigere Bedeutung in der Forschung einnimmt (Kanitz, 2015).
Gute Führungskräfte zeichnen sich dadurch aus, dass sie die am Arbeitsplatz vorhandenen Emotionen wahrnehmen. Dabei sind nicht nur materielle Faktoren wie z.B. eine geringe Mitarbeiterfluktuation oder bessere Geschäftsergebnisse zu berücksichtigen, sondern auch immaterielle wie die Arbeitsmotivation oder das Engagement. Eine Führungskraft hat die Macht, ihr Team emotional „anzustecken“: Lenkt sie die Emotionen in eine negative Richtung und löst damit Angst und/oder Wut aus, kann das entsprechende Auswirkungen auf die Ergebnisse haben. Werden Emotionen in eine positive Richtung gelenkt, so können Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von diesen Emotionen erfasst werden, was sich wiederum positiv auf die Arbeit und Leistung auswirken kann. Somit könnte der Schlüssel für Geschäftserfolg und ein gutes Arbeitsklima in der emotionalen Führung bzw. in der professionellen emotionalen Intelligenz der Führungskraft liegen. Eine emotional intelligente Führungskraft ist flexibel, werteorientiert, informell und offen, zu ihren Fähigkeiten gehören eine sehr professionelle emotionale Beziehung zu anderen Menschen und das Erzeugen von positiver Resonanz (Boyatzis et al., 2005).
Kern der Untersuchung ist eine Online-Befragung, bei der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, welche in einem Unternehmen, einer Einrichtung oder Behörde fest angestellt sind, zur emotionalen Intelligenz befragt werden. Der standardisierte Fragebogen überprüft per Selbsteinschätzung die emotionale Intelligenz von Beschäftigten im Zusammenhang mit der Unternehmensgröße, dem Führungsstil sowie dem emotionalen Arbeitsklima. Ziel ist es, ein Führungskräfte-Coaching zu entwickeln. Die emotionale Intelligenz wird über den EI4-Test von Dr. L. Satow ermittelt. Dieser enthält als Indikatoren das Einfühlungsvermögen, die Menschenkenntnis, die emotionale Selbstkontrolle und die Überzeugungskraft. Anhand dieser Indikatoren kann die emotionale Intelligenz ermittelt werden. Eine solche Testfrage lautet z.B.: „Ich bin einfühlsamer und sensibler als andere“, woraufhin die Person in vier Abstufungen zwischen „stimmt genau“ und „stimmt gar nicht“ antworten kann. Beim emotionalen Klima geht es um die Wünsche der Mitarbeitenden gegenüber ihren Führungskräften. Dieses wurde über die Indikatoren Fluktuation, Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit ermittelt. Fragenbeispiel: „Ermöglichung von Aufstiegschancen“ bzw. „Meine Führungskraft müsste empathisch sein“, Antwortmöglichkeiten wie zuvor.
Vermittelt wurde die Online-Befragung über soziale Medien wie Xing, Facebook, Twitter und WhatsApp. Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der Online-Befragung um einen Fragebogen zur Selbsteinschätzung handelt, ist zu berücksichtigen, dass es zu Antwortverzerrungen im Sinne einer Erwünschtheit kommen kann. Aufgrund der zu Beginn versicherten Anonymität ist zwar die Verzerrung eher gering einzuschätzen, sollte jedoch bei der Interpretation der Daten berücksichtigt werden. Auf Basis dieser Untersuchung wurde ein Führungskräfte-Coaching entwickelt, welches in naher Zukunft noch evaluiert werden soll.
Alle Fragen des Fragebogens sind positiv gepolt, wie anhand der aufgeführten Beispielfrage ersichtlich wird. Aus diesem Grund wurde folgende Skalierung für alle Fragen vorgenommen:
An der Online-Befragung haben 130 Personen teilgenommen (siehe Tabelle 1), davon haben 107 den Fragebogen vollständig ausgefüllt. Lediglich 33 Personen (30,6 Prozent) haben bereits an einem Coaching teilgenommen.
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass die emotionale Intelligenz der befragten Arbeitnehmer hoch ist. Der Mittelwert aller Antworten auf diesen Fragenbereich liegt bei 2,09, was im Punktesystem „Trifft eher zu“ entspricht und über dem Skalendurchschnitt liegt. Außerdem hat die Umfrage ergeben, dass es keinen Zusammenhang zwischen der emotionalen Intelligenz und der Unternehmensgröße gibt. Dies ergibt sich aus den Mittelwerten der emotionalen Intelligenz im Zusammenhang zu den zwei in der Studie festgelegten Unternehmensgrößen (bis 49 und ab 50 Mitarbeiter): Der Mittelwert in kleineren Unternehmen liegt bei 2,11, in größeren Unternehmen bei 2,08 (siehe Punktesystem).
Ein wichtiger Teil der Umfrage zielt auf einen Zusammenhang zwischen der emotionalen Intelligenz, dem emotionalen Arbeitsklima, einer hohen Arbeitsmotivation, einer geringen Fluktuation und der Arbeitszufriedenheit. Die emotionale Intelligenz wurde wie oben bereits beschrieben über den EI4-Test ermittelt. Für das emotionale Arbeitsklima wurde nach Items wie der Arbeitszeit, der Bezahlung, der Zusammenarbeit sowie dem Informationsfluss gefragt. Um die Arbeitsmotivation zu ermitteln, wurde nach Items wie Vertrauen, das Interesse an der Arbeit, definierte Ziele und das Zutrauen von eigenverantwortlicher Arbeit gefragt. Die Arbeitszufriedenheit wurde hingegen über Items wie die Stimmung im Team, Möglichkeiten zur Weiterbildung, einen angemessenen Umgangston sowie einer adäquaten Arbeitsverteilung gemessen. Zuletzt wurde die Fluktuation ermittelt, was über Items wie mögliche Aufstiegschancen, Förderungen des betrieblichen Gesundheitsmanagements, Lob und Anerkennung sowie Führungsverhalten geschah.
Dafür wurde im ersten Schritt untersucht, ob emotionale Intelligenz ein Prädiktor für ein emotionales Arbeitsklima ist. Zwar sind die emotionale Intelligenz (wie dargestellt mit einem Mittelwert von 2,09) sowie das emotionale Arbeitsklima (Mittelwert von 2,17) der Studienteilnehmer hoch, jedoch gibt es keinen Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen. Da die Signifikanz mit n=0,98 sehr gering ist, kann nicht geschlussfolgert werden, dass bei einer hohen emotionalen Intelligenz gleichermaßen auch das emotionale Arbeitsklima hoch ist. Daher wurden die tatsächlichen Prädiktoren für ein emotionales Arbeitsklima untersucht. Die Überlegung bestand darin, dass sowohl eine geringe Fluktuation als auch eine hohe Arbeitsmotivation und eine hohe Arbeitszufriedenheit Prädiktoren für ein gutes emotionales Arbeitsklima sein könnten. Aus diesem Grund wurden die Fluktuation, die Arbeitsmotivation und die Arbeitszufriedenheit als unabhängige Variablen festgelegt. Als abhängige Variable wurde das emotionale Arbeitsklima bestimmt. Diese Untersuchung erfolgte über eine multiple Regression und ergab einen Regressionskoeffizienten bei allen drei Variablen von 0,333. Das bedeutet, dass die Fluktuation, die Arbeitsmotivation sowie die Arbeitszufriedenheit das emotionale Arbeitsklima um jeweils 33,3 Prozent beeinflussen. Auch die Signifikanz ist mit n=0,0 sehr hoch, da sie innerhalb des festgelegten Signifikanzniveaus liegt. So kann die zuvor aufgestellte Annahme, dass die drei unabhängigen Variablen das emotionale Arbeitsklima beeinflussen, bestätigt werden.
Im zweiten Schritt wurde untersucht, ob bei großen oder kleinen Unternehmen das emotionale Arbeitsklima höher ist. Hierfür wurden wieder die Mittelwerte des Punktesystems betrachtet: Der Mittelwert des emotionalen Arbeitsklimas bei kleineren Unternehmen ist mit 2,04 näher an „Trifft eher zu“ (sprich: das emotionale Arbeitsklima ist höher) als bei großen Unternehmen mit 2,3. Jedoch liegt die Signifikanz mit 13 Prozent außerhalb des Signifikanzniveaus. Das niedrige Signifikanzniveau resultiert aus zu vielen Abweichungen bei der Umfrage. Aus diesem Grund kann kein Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und emotionalem Arbeitsklima hergestellt werden.
Im dritten Schritt wurde untersucht, ob die emotionale Intelligenz der Führungskräfte ein Prädiktor für das emotionale Arbeitsklima ist. Zuvor wurde untersucht, ob die emotionale Intelligenz im Allgemeinen einen Einfluss auf das emotionale Arbeitsklima hat. In diesem Schritt stellt sich nun die Frage, ob die emotionale Intelligenz der Führungskräfte einen Einfluss auf das emotionale Arbeitsklima ausübt. Schließlich ist eines der Ziele der Studie die Konzeption eines Führungskräfte-Coachings hinsichtlich emotionaler Intelligenz – gibt es hier keinen Zusammenhang, so muss die Sinnhaftigkeit des Konzepts infrage gestellt werden. Als abhängige Variable wurde das emotionale Arbeitsklima und als unabhängige Variable die emotionale Intelligenz der Führungskraft festgelegt. Der Regressionskoeffizient liegt bei 65 Prozent, was bedeutet, dass es einen Zusammenhang dieser Variablen gibt. Auch die Signifikanz von n=0,0 bestätigt die Aussage, dass die emotionale Intelligenz der Führungskraft einen Einfluss auf das emotionale Arbeitsklima hat.
Die Untersuchung ergab, dass eine geringe Fluktuation, eine hohe Arbeitsmotivation und die Arbeitszufriedenheit Prädiktoren für ein emotionales Arbeitsklima sind und dieses durch die emotionale Intelligenz der Führungskraft beeinflusst wird. Aufgrund dieser Ergebnisse wird deutlich, dass ein Coaching-Konzept der emotionalen Intelligenz für Führungskräfte sinnvoll sein kann. Im Folgenden wird dargestellt, wie anhand der Studie eine Basis für die Entwicklung des Führungskräfte-Coachings geschaffen wurde.
Für die prozessuale Strukturierung des Coaching-Konzepts wurde das COACH-Modell von Rauen und Steinhübel (2020) herangezogen. Das COACH-Modell ermöglicht es, auch in komplexen Beratungssituationen die Orientierung zu behalten, und es dient zudem der Steuerung des Coaching-Prozesses. Außerdem wurde im Rahmen der Studie erfragt, welche Vorteile und Erwartungen die Befragten mit Coaching verbinden.
Die Umfrage hat ergeben, dass nur 30,6 Prozent der Befragten bereits an einem Coaching teilgenommen, dagegen 69,4 Prozent keinerlei Erfahrungen mit Coachings haben. Die 30,6 Prozent der Befragten gaben zum größten Teil an, gute Erfahrungen mit einem Coaching gemacht zu haben. Dabei wurde gefragt, ob das Coaching bei der Persönlichkeitsentwicklung geholfen hat: Hier ergab sich ein Mittelwert von 2,06 (anhand des Punktesystems: „Trifft eher zu“). Daraus lässt sich schließen, dass ein Coaching Vorteile im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung (zumindest im Rahmen der Gruppe der Studienteilnehmer) mit sich bringt. Außerdem bestätigt der Mittelwert von 1,86 die Aussage, dass durch ein Coaching viele neue Erkenntnisse gewonnen wurden. In der Tabelle 2 werden alle Fragen mit den entsprechenden Mittelwerten dargestellt. Da fast alle Mittelwerte unter 2,5 liegen, wird deutlich, dass Coaching auf die Teilnehmergruppe einen positiven Einfluss ausgeübt hat und alle Fragen eine wichtige Rolle bei den bisher gesammelten Erfahrungen spielen.
Anschließend wurden alle Teilnehmer gefragt, welche Erwartungen sie an ein Coaching haben. Die Mehrzahl aller Teilnehmer wünscht sich von einem Coaching, dass dieses ein offenes Feedback von einem neutralen und erfahrenen Coach beinhaltet, was der Mittelwert von 1,36 bestätigt. Außerdem sollte das Coaching ein Dialog auf Augenhöhe sein und das Bewusstmachen, Reflektieren und Hinterfragen der eigenen Gedankensätze unterstützen. In Tabelle 3 werden alle Fragen mit den entsprechenden Mittelwerten dargestellt. Da auch hier alle Mittelwerte unter 2,5 liegen, haben alle Fragen eine wichtige Rolle bei den Erwartungen gespielt.
All diese Punkte wurden bei der Entwicklung des Führungskräfte-Coachings beachtet. Daraufhin wurde ein Formular für die Bedarfsanalyse erstellt, anhand dessen für jeden Fall ermittelt wird, was das genaue Coaching-Ziel ist, bis wann es erreicht werden und ob es sich um ein Einzel- oder ein Gruppen-Coaching handeln soll. Dadurch können (angefragte) Coaches entscheiden, ob sie dieses Coaching übernehmen können bzw. wollen.
Das Coaching endet mit einem Feedbackbogen, welchen die Klienten für den Coach ausfüllen sollen. Vereinbart wird eine weiterführende Betreuung des Klienten über ein halbes Jahr hinweg, in der der Coach bei der Umsetzung des Erlernten unterstützend wirken soll.
Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass ein Führungskräfte-Coaching zum Thema emotionale Intelligenz durchaus einen Mehrwert für die Unternehmen haben kann. Dies wird dadurch deutlich, dass die Auswertung ergeben hat, dass eine hohe emotionale Intelligenz der Führungskraft einen positiven Einfluss auf ein emotionales Arbeitsklima hat – hier besteht ein signifikanter Zusammenhang. Das bedeutet mit anderen Worten für das Unternehmen: Eine höhere emotionale Intelligenz der Führungskraft kann zu einem höheren emotionalen Arbeitsklima und somit einer Steigerung der Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation bei gleichzeitiger Senkung der Fluktuation führen.
Durch soziale, wirtschaftliche, politische und technologische Veränderungen stehen ganze Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter unter zunehmender Belastung. Führungskräfte mit einer hohen emotionalen Intelligenz sind in der Lage, die eigenen negativen Gefühle so zu kontrollieren, dass sie das Wichtige nicht aus dem Auge verlieren. Vor allem stehen diese Führungskräfte hinter ihren Mitarbeitern, stärken ihnen den Rücken, stehen selbst in großen Veränderungen zu ihrer Vision und können mit Kritik gut umgehen. Hinzu kommt, dass die alten Führungsmodelle in den meisten Unternehmen eher funktional sind und somit die emotionale und persönliche Dimension der Mitarbeiter außer Acht lassen. Mitarbeiter wurden lange als austauschbare Elemente angesehen und genau diese Einstellung muss aufgrund des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels immer mehr revidiert werden. Unternehmen sind auf ihre Mitarbeiter angewiesen und können diese unter anderem durch einen emotionalen Führungsstil an ihr Unternehmen binden (Boyatzis et al., 2005).