Ich begleite Manager bei der Vorbereitung auf öffentliche Auftritte. Anlässe können z.B. Aktionärsversammlungen, Produktpräsentationen, Tagungen zum Jahresauftakt, Jubiläen oder Pressekonferenzen sein. Es kann sich um die Positionierung eines neuen Vorstands oder dessen Teilnahme an einer Offsite-Veranstaltung handeln, bei der das Vertrauen des Teams gewonnen werden soll. Ebenso kann es aber auch darum gehen, eine Videobotschaft des Unternehmensvorstandes an die Belegschaft zu gestalten.
Bei der Begleitung solcher Anlässe gehe ich davon aus, dass jeder Mensch, der auf der Bühne steht, seine eigene Persönlichkeit zeigen kann – unabhängig davon, wie begabt oder unbegabt er dafür ist. Auf der Bühne muss man wissen, was man von sich zeigen möchte und was zum Anlass passt. Das gilt nicht nur für Schauspieler, die einen fremden Text zu ihrem eigenen machen. Es geht dabei auch um die Fragen: Wie positioniere ich mich in den Medien? Als welche Art von Vorstand oder Führungskraft möchte ich gesehen werden? Elegant oder kantig, resolut oder nahbar?
Das größte Missverständnis, das man bei Managern häufig vorfindet, besteht darin, zu glauben, sie müssten sich auf der Bühne verdrehen und etwas nicht Greifbares darstellen. Sie stehen dann auf der Bühne und wollen auf keinen Fall so wirken, wie sie sind. Aber genau das interessiert das Publikum: Wer steht uns da gegenüber? Sich zu zeigen, wie man ist, bedarf Mut und eines Dialoges mit sich selbst. Wichtig ist dabei, die eigene Wirkung und Ausstrahlung zu kennen, um sie z.B. verstärken und ausbauen zu können.
In der Reflexion mit meinen Klienten bediene ich mich der Fragen aus der Gestalttherapie und der Systemischen Beratung. Es gilt auch, Ängste abzubauen. Je ängstlicher ein Klient ist, umso schwieriger ist es für ihn, auf der Bühne die Inhalte zu vertreten, die er dem Publikum mitteilen möchte. Zudem geht es um die Frage, wie man bühnenwirksam agiert. Hier nutze ich Übungen aus dem Schauspiel, die ich an die Manager anpasse, sowie aus der Atem- und Bewegungspädagogik bzw. -therapie. Atem, Stimme und Bewegung gehören zusammen. Mit den Klienten kreiere ich dann ein stimmiges Bild für die Bühne, das zu ihnen passt, sich nicht fremd anfühlt und es ihnen ermöglicht, selbstbewusst zu handeln sowie mit den Zuhörern in Kontakt zu kommen. Letzteres kann auch bedeuten, Elemente von Interaktion, Dialog und Entertainment einfließen zu lassen und eben nicht starr hinter dem Rednerpult zu verharren, damit ein Auftritt leichter, flüssiger und eloquenter wirkt.
Weil diese Menschen häufig sehr verkopft sind, wenig Körperbewusstsein haben und im Alltag nicht darauf achten, wie sie sich präsentieren. Es ist ihnen nicht bewusst, dass Präsentation schon anfängt, wenn kein öffentlicher Auftritt ansteht. Sie laufen, atmen und sprechen den ganzen Tag, ohne wahrzunehmen, wie sie wirken und welche Emotionen sie hervorrufen. Die meisten Klienten haben z.B. kein Verständnis dafür, wie sie ihre Gestik einsetzen, und kein Gespür dafür, wie aufrecht ihre Haltung ist. Und dann stehen sie plötzlich vor 2.000 Zuschauern auf der Bühne und merken: Mein Herz pocht, meine Kehle ist trocken, die Knie zittern, die Hände hängen. Erst realisieren sie das fehlende Körpergefühl, dann kommt die Frage auf: Wie habe ich jetzt zu sein?
Ich arbeite überwiegend mit Männern, die über Macht verfügen und dazu neigen, nicht auf ihr Wohlgefühl zu achten, und sich stattdessen sagen: Ich muss da durch. In der Konsequenz verdrehen sie sich, anstatt in sich hineinzuhören und zu fragen, wie sie agieren würden, wenn sie sich wohlfühlten und ihre Inhalte emotionalisierten. Wenn dann noch Angst hinzukommt, entwickeln sie entweder das Bedürfnis, zu versteifen und gar nichts mehr von sich zu präsentieren. Oder sie versuchen, die Unruhe auf der Bühne „wegzugehen“. Sie laufen dann planlos hin und her, ohne ihre Persönlichkeit zu zeigen, ohne klare Botschaften zu vermitteln, ohne eine Interaktion zwischen Sender und Empfängern herzustellen. Sie sind mehr in Kontakt mit der Aufregung als mit sich selbst, den Inhalten und Zuhörern. Letztlich steht ein Mensch auf der Bühne, der nur „tote“ Worte von sich gibt. Es ist kein Wunder, wenn dann 80 Prozent der Inhalte gar nicht beim Publikum ankommen. Wer seine Persönlichkeit nicht zeigt, bleibt beliebig. Eigentlich vertrauenswürdige Inhalte wecken bei den Zuschauern dann womöglich kein Vertrauen, weil die Botschaft nicht mit der notwendigen Emotion untermalt ist.
Genau. Es geht um Authentizität und Glaubwürdigkeit. Je stärker der Anspruch an Perfektion ist, desto schwieriger ist es, auf das zu reagieren, was passiert. Für das Publikum ist es sehr interessant, zu sehen, wie kompetent der Mensch auf der Bühne ist, wenn etwas aus dem Ruder läuft. Das sind die spannendsten Momente. Beim Schauspiel ist es genauso.
Stellen Sie sich vor, ein Schauspieler steht auf der Bühne, auf einem Tisch steht eine Obstschale. Plötzlich rollt ein Apfel auf die Bühne. Der „perfekte“ Schauspieler wird so tun, als ob er das nicht sieht, und seine Rolle weiterspielen. Der Schauspieler, der die innere Freiheit hat, flexibel zu reagieren, wird den Kontakt zum Publikum nicht abbrechen lassen, aber den Apfel z.B. aufheben, reinbeißen und wieder in die Schale legen.
Bei Business-Auftritten kann es passieren, dass das Mikrofon ausfällt, das Licht versagt oder ein vorbereiteter Film nicht abläuft. In diesen Situationen ist innere Freiheit wichtig, um kompetent und kreativ zu reagieren. Ist man hingegen im Anspruch an Perfektion gefangen und vergisst dann z.B. seinen Text, setzt Angst ein, fängt man an zu stottern. Ich hatte einen Kunden, der sogar hyperventiliert hat und umgefallen ist. Ein anderer Klient hingegen hat auf einen Mikrofonausfall reagiert, indem er das Publikum intuitiv bat, näher an die Bühne zu kommen. Er sprach dann ohne Mikrofon weiter. Diese Intuition ist blockiert, wenn man unbedingt perfekt sein will.
Das ist richtig. Perfektion wird hier häufig als Fehlerfreiheit definiert – nicht nur hinsichtlich des Inhalts, sondern auch in Bezug auf die Art und Weise der Präsentation. Ich versuche, meinen Klienten verständlich zu machen, wie sinnlos das ist, denn die Frage, wie man mit einem „Fehler“ umgeht, ist doch viel entscheidender.
Im Coaching reflektieren wir, was die schlimmsten Momente aus Sicht des Klienten wären und wie er mit diesen umgehen kann: Wie würde der Klient handeln, wenn er sich ungehemmt, angstfrei und wohl in seiner Haut fühlen würde? Welches Repertoire hätte er dann zur Verfügung? Wie würde er reagieren, wenn das Publikum aus Kindern bestünde? Worin besteht eigentlich seine Angst? Wie kommt Kompetenz in Haltung und Sprache zum Ausdruck? Daran wird dann auch körper- und stimmbezogen gearbeitet: Kompetenz hat eine aufrechte Haltung. Die Schultern sind nicht nach vorne gebeugt. Der Kopf ist nicht dem Boden oder Himmel, sondern – ebenso wie der Körper – den Adressaten zugewandt. Die Hände sind nicht verschränkt oder hinter dem Rücken versteckt. Zudem wirkt sich der Gehrhythmus auf die wahrgenommene Kompetenz aus. Man kann dynamisch gehen, aber sobald man sich sehr schnell bewegt, signalisiert dies Unsicherheit und Ängstlichkeit. Wer aufrecht und im richtigen Tempo schreitet, wirkt kompetent.
Bei der Stimme ist es ähnlich. Ist sie ganz hoch und schnell (spricht mit hoher Stimme), dann ist anzunehmen, dass der Klient hektisch und nicht in seiner Mitte ist. Oder ist die Stimme ganz monoton? Dann fehlen Bewegung und Gestus. Auch an Sprachrhythmus und Gestik arbeite ich mit den Klienten. Wir erweitern ihr Repertoire in diesen Bereichen – immer unter Einbezug der individuellen Persönlichkeit. Dabei geht es um authentische Emotionen: Wie untermale ich eine Botschaft mit einer dazu passenden Emotion, die nicht im Widerspruch zu meiner tatsächlichen Gefühlswelt steht? Zudem gilt es, die Wahrnehmung nonverbaler Kommunikation zu schärfen, denn wer eine Botschaft sendet, ist immer auch Empfänger der Reaktion.
Stellen Sie sich vor, es kommt jemand auf die Bühne und sagt: „Herzlich willkommen, meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass Sie erschienen sind.“ Dies sagt er sehr ernst, streng oder dumpf, untermalt die Aussage nicht mit dem passenden Gestus. Das untergräbt seine Glaubwürdigkeit. In der Begleitung frage ich denjenigen: Meinen Sie das wirklich so? Wenn ich jemanden „herzlich willkommen“ heiße, drückt das schließlich eine starke Emotion aus. Wir gehen dann die verschiedenen Ausdruckselemente durch und schauen, ob er überhaupt dazu in der Lage ist, herzlich zu sein. Wenn er das nicht ist, müssen wir andere Worte finden, die besser zum Klienten passen.
Ein anderes Beispiel: Der Klient sagt: „Wir werden das schaffen!“ Im Coaching reflektieren wir, worin hier der Untertext besteht. Welche Emotion soll geweckt werden? Wenn der Klient antwortet, er möchte die Zuhörer motivieren, in einer schwierigen Lage durchzuhalten, dann frage ich z.B.: „Welche Alltagssituationen haben Sie erlebt, in denen Sie Ihr Kind, Ihre Familie oder Freunde zu etwas motiviert haben? Und zwar in glaubwürdiger Weise.“ Diese Situationen schauen wir uns im nächsten Schritt an und übertragen sie auf den aktuellen Anlass. Es geht darum, das emotionale Repertoire zu entdecken, über das der Klient verfügt. Es ist etwas paradox: Der Klient weiß ja schon im Voraus, was er tun wird. Die Kunst besteht darin, dass es so aussieht, als wüsste er es nicht.
Hierin sehe ich auch den Unterschied zwischen einem Präsentationstraining und dem Vorhaben, jemanden auf die Bühne zu bringen, der glaubwürdig ist. Der Auftritt muss natürlich aussehen, obwohl er inszeniert ist. Und natürlich kann ich nur sein, wenn ich meine eigenen Bausteine nutze. Wenn ich etwas nur mache, weil man es mir gesagt hat, kann ich auf der Bühne nicht bestehen.
Ich habe z.B. mit einem Vertriebschef in Tschechien zusammengearbeitet. Er sollte eine große öffentliche Rede halten. Die PR-Abteilung hatte ihm einen absolut eleganten Text geschrieben, der nichts mit seinem „quadratisch-praktischen“ Sprachduktus zu tun hatte. Der Coach, mit dem er zunächst arbeitete, versuchte, aus ihm einen eleganten Menschen zu machen. Er sollte jemanden darstellen, der er definitiv nicht ist. Was passierte? Als er auf der Bühne stand, hyperventilierte er und fiel um. Aus einem pragmatisch veranlagten Menschen kann man keinen eleganten Herren machen. Ich habe rund drei Jahre lang mit ihm gearbeitet, bis er das Selbstbewusstsein erlangte, solche Situationen zu meistern, und verstand, dass er so, wie er ist, gut ist.
Wahnsinnig viel. Meiner Erfahrung nach sind sich insbesondere Klienten ab einem Alter von 50 Jahren aufwärts – bei den jüngeren ist ein Wandel erkennbar – ihrer Persönlichkeit nicht immer bewusst. Sie haben sich ein Spiel angeeignet, eine Art, sich zu zeigen, und trauen sich nicht, davon abzuweichen. Dahinter steckt häufig Versagensangst. Das gilt es, zu reflektieren: Woher rühren die Angst bzw. der Druck? Welcher Umgang mit dem Gefühl, von anderen bewertet zu werden, ist dem Klienten möglich? In der Bewertung durch andere verbirgt sich oft die größte Angst. Wir reflektieren, welche persönlichen Facetten der Klient mitbringt. Das ist wie ein Blick in den Kleiderschrank: Wenn ich weiß, welche Kleider ich habe, weiß ich auch, zu welchen Anlässen ich sie tragen kann.
Die Arbeit zielt also darauf ab, auf Klientenseite ein stärkeres Bewusstsein für die eigene Person, ihre Persönlichkeitsanteile und ihre Wirkung zu schaffen, indem ich gute Fragen stelle und körperorientiert arbeite. Die körperorientierte Arbeit ist elementar, damit der Klient auch spürt, wie sich das Zeigen unterschiedlicher Facetten, Gesten etc. anfühlt: Was fühlt sich für ihn gut an und was nicht?
Ein Beispiel: Ich habe eine Führungskraft begleitet, die nicht wahrnahm, dass sie schon aufgrund ihrer mächtigen körperlichen Statur auf andere Menschen einschüchternd wirkt. Die Mitarbeiter des Klienten hatten Angst vor ihm und seiner Überpräsenz. Seine Wirkung haben wir reflektiert. Zudem arbeiteten wir intensiv daran, dass er lernte, im Kontakt die richtige Distanz zu wahren, die aufgrund seiner Erscheinung erforderlich ist. Und zwar nicht nur verbal, sondern auch anhand praktischer körperbezogener Übungen.
Ich habe in Erinnerung, dass die Menschen im Kommunismus Angst hatten, sich negativ über Tito zu äußern. Und es durfte auch nichts Schlechtes gesagt werden. Mein Vater tat dies und wurde abgeführt. Man spürte oft eine nicht ausgesprochene Aggressivität. Die Leute äußerten sich zwar freundlich, da sie Probleme vermeiden wollten oder sich fragten, wie sie sich geben, sich verdrehen müssen, um z.B. eine neue Waschmaschine oder eine gute Wohnung zu bekommen. Nonverbal war aber zu spüren, dass sie mit Vielem nicht einverstanden waren. Das eine wurde gesagt, das andere ausgestrahlt. Diesen Widerspruch nahm ich schon als Kind war.
Die politische Situation in Jugoslawien war gar nicht gut. Meine Mutter studierte damals Medizin. Gleichzeitig wurden in Deutschland ausländische Arbeitskräfte gesucht. Sie brach das Studium ab, um in Nordrhein-Westfalen als Krankenschwester anzufangen. Natürlich verstand ich kein Wort Deutsch. Daher achtete ich instinktiv darauf, wie die Stimme eines Menschen klingt, wie er sich gebärdet, wie seine Köpersprache ist. Auf Basis meines Wohl- bzw. Unwohlgefühls teilte ich die Menschen dann in „gefährlich“ oder „nicht gefährlich“, in „vertrauenswürdig“ oder „nicht vertrauenswürdig“ ein.
Wohl- und Unwohlgefühl stellen bei mir noch heute einen Gratmesser dar, wenn ich mit Leuten in Kontakt bin. Das ist eine Art inneres Empfindungsgewissen. Wenn ich plötzlich spüre, dass sich irgendetwas nicht gut anfühlt, dann schaue ich mir mein Gegenüber genau an und höre genau hin, was die Person sagt und wie sie es sagt. Dann entscheide ich, wie ich auftrete und auf welche Teile meines Repertoires ich zurückgreife, was wiederum voraussetzt, dass ich meine Facetten kenne.
Hier kommt das Konzept der kreativen Anpassung aus der Gestalttherapie ins Spiel. Es geht auch darum, bewusst das eigene Bedürfnis wahrzunehmen, nicht nur das des Gegenübers. Das Wohlgefühl ist ein Seismograph, über den wir alle verfügen und der sehr wichtig ist, wenn man eine Bühne oder z.B. auch eine Konferenz betritt. Deshalb stelle ich meinen Klienten entsprechende Fragen: Wann und wie fühlen Sie sich wohl? Wann spüren Sie Unwohlsein und weshalb? Was hat das mit Ihnen, was hat das mit Ihrem Gegenüber zu tun? Warum übergehen Sie diese Gefühle? Ich habe von der Pike auf gelernt, auf meinen inneren Seismographen zu achten und wahrzunehmen, wann ich mich wohlfühle und wann nicht.
Unbedingt. Später habe ich den kreativen Umgang mit diesen Anlagen gelernt – auf der Schauspielschule und durch meine sprech-, atem- und bewegungspädagogische Ausbildung. Stimme und Atmung sind nicht zu unterschätzen. Wer z.B. Angst hat, vor anderen zu sprechen, atmet unbewusst durch die Nase ein, wodurch eine Überatmung in der Lunge und eine Festigkeit in den Schultern entstehen. Wenn man spricht, sollte man durch den Mund atmen. Die Atmung ist mit allem, was wir tun, sehr eng verbunden: mit jeder Bewegung, mit der Stimme etc. Ohne Atem kein Leben. Um solches Wissen im Coaching, in der Beratung und in der therapeutischen Arbeit mit den richtigen Fragen kombinieren zu können, habe ich zudem Ausbildungen in Gestalttherapie und Systemischer Beratung angeschlossen.
Genau, ich habe an beiden Schulen gelernt und zudem natürlich auch gespielt: in Hamburg, Düsseldorf und am Theater des Westens in Berlin. An der Schauspielschule kamen die anderen Studenten vor Prüfungen oft zu mir und sagten: Violeta, kannst Du das mit uns erarbeiten? Meine Lust, mit Menschen zu interagieren und ihre Stärken herauszuarbeiten, über die sie verfügen, wenn sie angstfrei und nicht zu aufgeregt sind, habe ich dabei entdeckt.
Im Kommunismus hatte ich mich sehr gefürchtet. Später – als Ausländerin in Deutschland – spürte ich Versagensängste. Ich wurde angefeindet und hatte eine schwere Zeit. Ich kam aus dem Süden, aus Sarajevo, wo ich auf Bäumen herumgeklettert bin. Ich war ein Wildfang. In einem Deutschland, in dem es damals noch den Sonntagsknick gab, fiel ich auf. Furcht und Aufregung kenne ich demnach aus frühem eigenem Erleben und es interessiert mich, wie Menschen sich verhalten, wenn sie angstfrei sind. Wie gehen sie dann mit den möglicherweise schwierigen Situationen um, in denen sie gerade stecken? Schon zu der Zeit, als ich lernte und spielte, fand ich das spannend. Ich habe mich vor der Bühne immer wohler gefühlt als auf der Bühne.
Am Schauspielhaus habe ich die Darsteller auf ihre Auftritte und unterschiedlichen Rollen vorbereitet. Im Rahmen des Kirschgartens von Anton Tschechow erarbeitete ich z.B. mit einer asthmatischen Schauspielerin, wie sie sich u.a. stimmlich auf der Bühne präsentieren kann. Ich selber habe nicht mehr gespielt, stand nicht mehr auf der Bühne. Irgendwann hat mich die Deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP) gefragt, ob ich für Personalentwickler und Vorstände Seminare geben und Vorträge halten könnte. Ich arbeitete dann – zunächst parallel zu meiner Tätigkeit am Schauspielhaus – deutschlandweit für die DGFP. So kam ich in den Business-Bereich.
Als nächstes trat ein Energieversorger an mich heran. Für diesen gab ich Seminare, bei denen es darum ging, den Mitarbeitern im Callcenter dabei zu helfen, sich nonverbal richtig zu verhalten, z.B. in Konfliktfällen den Klang ihrer Stimmen deeskalierend einzusetzen, unter Einbezug von Atmung und dem richtigen Sitzen. Ich habe dann mein Wissen aus dem Schauspiel und der Atemtherapie kontinuierlich weiter verbunden und irgendwann angefangen, Business-Auftritte auf der Bühne zu inszenieren, die natürlich und echt wirken. Zunächst mit Einzelnen, dann auch mit Gruppen.
Was ich aus New York wirklich mitgenommen habe, ist das Bewusstsein, dass jeder Mensch seine eigene, unverfälschte Persönlichkeit hat. Wenn wir den Mut haben, darauf zu schauen, wer wir sind und was wir mitbringen, sind wir einzigartig.
Beim Method Acting geht es darum, die eigenen Erfahrungen und Gefühle – die eigene Tiefe – einzubringen. Erinnerungen an durchlebte Situationen und Emotionen werden wieder hochgeholt, um dadurch auf eine größere Facettenvielfalt zurückgreifen zu können. Strasberg nannte das einen „privaten Moment“, den der Schauspieler, wenn er sich diesen in Erinnerung ruft, öffentlich wiederholen kann, insofern er zur Rolle bzw. zum Text passt. Er wird dadurch stimuliert, stärker aus der eigenen Persönlichkeit heraus zu agieren. Strasberg wollte damit einen Weg finden, Schauspielern zu helfen, das Publikum zu vergessen und sich stärker auf die eigene Person zu konzentrieren. Oft wurde ihm jedoch vorgeworfen, er sei Voyeur. Letztlich handelt es sich um eine Methode, mit sich selbst in Kontakt zu kommen und dies einem Publikum zeigen zu können. Marlon Brando und viele weitere Schauspieler haben mit der Methode gearbeitet – damals war sie wunderbar.
Es hat aber eine Weiterentwicklung stattgefunden. Heute wird beispielsweise mit der sogenannten Meisner-Technik gearbeitet, die dabei helfen soll, intuitiv in Kontakt mit dem Gegenüber zu kommen und auf dieses zu reagieren. Mein Sohn ist derzeit in New York und arbeitet mit dieser Technik. Method Acting könnte ich mit meinen Klienten aus dem Management nicht tiefgehend umsetzen – ich nutze es höchstens sehr wohldosiert, wenn ich z.B. zwecks Emotionalisierung sage: „Schließen Sie mal die Augen und erinnern Sie sich an die Situation. Welche Bilder kommen in Ihnen auf?“
Nein, ich bezeichnete mich anfangs nicht als Coach. Der Begriff war Mitte der 90er Jahre auch noch nicht sehr verbreitet. Ich habe mir damals um die Begrifflichkeiten keine großen Gedanken gemacht. Trainerin, Beraterin, Persönlichkeitsentwicklerin oder Regisseurin sind einige der Begriffe, die man mir zuschrieb. Auch als Coach wurde ich von anderen bezeichnet. Da ich in meiner Arbeit unterschiedliche Aspekte miteinander verbinde, war ich schon immer ein Paradiesvogel. In München fragte mich einmal ein Taxifahrer nach meinem Beruf. Ich erklärte ihm, was ich mache, und er – ich fand das toll – sagte nur: „Wer braucht denn den Quatsch?“ (lacht) Tatsächlich nehmen ihn ganz viele Menschen in Anspruch. Und das freut mich, denn ich liebe meine Arbeit!
Als Atem- und Bewegungstherapeutin war ich schon weit gekommen. Ich wusste auch, wie Betriebe funktionieren. Ich hatte aber das Gefühl, eventuell noch mehr Wissen zu benötigen. Der Gedanke, dass zukünftig möglicherweise vermehrt ein Coaching-Zertifikat nachgefragt werden könnte, spielte zwar ebenfalls eine Rolle, primär habe ich die Entscheidung aber aus Lust getroffen, keinesfalls aus Not.
Ich habe also eine systemische Ausbildung durchlaufen. Die systemische Ausbildung gab mir einen anderen Zugang zu Themen aus der Wirtschaft und einen anderen Blick auf die Verflechtungen, in denen meine Klienten agieren. Ich denke, dass man das Systemische mit dem Blick für das Nonverbale sehr gut verbinden kann. Z.B. dann, wenn man hinterfragt, wo das Problem herrührt, das hinter einer kommunikativen Sperre liegt. Ich bediene eine Nische, in der ich sehr gefestigt bin, und sehe mich sicher nicht als die allerbeste Systemikerin. Aber das Wissen, das ich aus der Ausbildung mitgenommen habe, bereichert und vervollständigt meine Arbeit.
Ich habe auch ein stärkeres Bewusstsein dafür entwickelt, in welchen Momenten ich Coach bin und wann ich als Beraterin agiere. Dadurch wurde mir klar, dass ich zuvor sicher auch mal Grenzen überschritten hatte, zu sehr in die direktive Beratung eingestiegen bin, obwohl eigentlich Coaching angebracht gewesen wäre. Aufgrund der verschiedenen Ansätze, die ich kombiniere, muss ich diesbezüglich ohnehin aufmerksam sein. Diese Rollendefinition und -abgrenzung gelingt mir heute viel besser. Das habe ich durch die systemische Ausbildung gelernt.
Es folgte die Ausbildung in Gestalttherapie, die mich ebenfalls sehr interessierte und aus der ich insbesondere das Konzept der kreativen Anpassung mitgenommen habe. Hierfür bin ich sehr dankbar, denn aufgrund meiner Persönlichkeit kann ich sehr resolut sein. Wie gehe ich mit Situationen um, die nicht laufen wie gewünscht? Wie viel Freiheit habe ich, umzudenken und mich kreativ auf die Situation einzustellen? Hier ist das Konzept auch für mich persönlich sehr hilfreich. Ebenso arbeite ich mit den Kontaktzyklen aus der Gestalttherapie.
Grundsätzlich bin ich jedoch ein Mensch, der nichts Gelerntes einfach übernimmt. Ich bewundere Menschen, die das können. Ich kann es nicht und muss alles zu Meinem machen, wenngleich das Fundament natürlich bestehen bleibt. Davon abgesehen ist jeder Mensch anders und so fällt auch jede Begleitung individuell aus. Vor Jahren hatte ich einen Auftrag für ein Kommunikationsseminar und bekam eine Mappe mit vorgefertigten Inhalten, die ich in immer gleicher Weise umsetzen sollte. Das ist nicht meine Sache, dabei sterbe ich.