Organisationswelten sind – da erzähle ich nichts Neues – heterogen, volatil, dynamisch und von permanenter Veränderung geprägt. Organisationen können vielfältige Entwicklungsstufen aufweisen, sich beispielsweise im Übergang von der klassischen Hierarchie- in eine Netzwerkstruktur befinden. Diese Kontexte gehen mit unterschiedlichen Erwartungen und Anforderungen an Führung, Teamarbeit etc. einher. Führungskräften wird aufgrund des immer schnelleren Wandels zunehmend abverlangt, anpassungsfähig und flexibel zu sein.
Vor diesem Hintergrund entfallen zwei Drittel der Ausbildung auf Business-Coaching, während in einem weiteren Drittel Grundlagen von Change-Management, zukunftsorientierter Führung und agilen Ansätzen behandelt werden. Jedoch lehre ich nicht SCRUM, sondern vermittle Werte, Prinzipien und den Sinn agiler Arbeit sowie einzelne Methoden wie z.B. Kanban. Die Idee dahinter besteht darin, dass die Coaches Landkarten und Kompetenzen mitnehmen sollen, die sie befähigen, Führungskräfte und Teams in ganz unterschiedlichen Organisationswirklichkeiten und Veränderungssituationen kompetent zu begleiten. Coaches entwickeln in der Ausbildung die Fähigkeit, einordnen zu können: In welche Kontexte sind die Führungskraft und ihr Team eingebunden und welche Herausforderungen können daraus folgen? Wie sind sie adäquat zu unterstützen? Wie setze ich Veränderungsprozesse sinnvoll auf?
Die systemische und coachende Haltung stellt dabei die Basis dar und durchzieht alle Module der Ausbildung, denn Methoden allein reichen nicht. Das Teilnehmerfeld ist gemischt. Sowohl agile Coaches als auch Projektleiter, Führungskräfte und HR-Mitarbeiter, die mit dem Thema Change in Berührung kommen oder für Kompetenzentwicklung im Unternehmen zuständig sind, sind dabei.
Genau. Führungskräfte füllen im Unternehmen eine Funktion aus, d.h.: Person und Organisation überschneiden sich. Das Individuum bringt seine Haltung, Einstellungen, Werte, Bedürfnisse und Fähigkeiten mit. All dies trifft auf die Organisation mit ihren Strukturen, Prozessen und Erwartungen, die an die Rolle der Führungskraft geknüpft sind. Im Coaching geht es dann oft um die Fragen, wie die Person in ihrem organisatorischen Umfeld wirksam werden kann und wie die Passung zwischen Persönlichkeit und Rolle ausfällt bzw. zu steigern ist, damit es dem Rolleninhaber ermöglicht wird, den eigenen Motiven und Bedürfnissen gerecht zu werden. Dies ist wichtig, um Arbeitszufriedenheit zu entwickeln und gleichzeitig erfolgreich handeln zu können.
Die Aufgabe besteht darin, die größtmögliche Authentizität zu erreichen. Es geht darum, dass die Führungskraft die Rollenerwartungen auf möglichst selbstkongruente Weise erfüllen kann. Wer authentisch handelt, entwickelt Strahlkraft. Um dies zu erreichen, muss sich die Führungskraft mit der eigenen Person, mit ihren Zielen und Werten auseinandersetzen.
Ich erinnere mich z.B. an einen Abteilungsleiter, der sehr ambitioniert, strukturiert und regelorientiert führte. Er pflegte wenig direkte Kommunikation mit seinem Team, was dem eher hierarchischen Führungsstil entsprach, den er aus seiner vorherigen Position in einem anderen Unternehmen kannte. Sein Handeln ging stark in Richtung Mikromanagement. Die Kultur in seinem neuen Unternehmen war jedoch sehr von Autonomie geprägt, dialogisch und offen. Die Mitarbeiter waren daher einen ganz anderen Führungsstil gewohnt. Schon nach kurzer Zeit knisterte es im Team. Unzufriedenheit kam auf und es gab schlechte Leistungen. Der Abteilungsleiter erkannte daher die Notwendigkeit, an sich zu arbeiten. Um die Passung von Persönlichkeit und Rolle zu erhöhen, wollte er im Coaching Klarheit über die Unternehmenskultur sowie die damit verbundenen Erwartungen an ihn erlangen, sich der Wirkung seines Handelns bewusst werden und erfahren, was ihn als Person ausmacht. Wir reflektierten also zunächst, welche Ziele und Werte ihm wichtig sind und worin sein Führungsverständnis besteht. Bei der Reflexion von Werten lohnt sich der Einsatz des Wertequadrates. So lässt sich gut erkennen, welche Werte eventuell zu einseitig gelebt bzw. innerhalb eines bestimmten Kontextes zu stark zum Ausdruck kommen. Dann nahmen wir eine Systemaufstellung vor, erörterten die Anforderungen seiner Interaktionspartner und ermittelten seine „Stärken und Schwächen“ bezüglich dieser Erwartungen, um herauszuarbeiten, mit welchen er „mitgehen“ konnte. Danach haben wir die Umwelt, sprich die Organisationskultur, unter die Lupe genommen und geschaut, welche Aspekte ihn mit dieser verbinden und wo es Unterschiede gibt. Ich arbeite hierbei häufig mit Feedback und spiegle meinem Gegenüber, wie ich es wahrnehme. Ich teile dabei auch meine Einschätzung mit, wie sich sein Verhalten innerhalb der jeweiligen Kultur auswirken könnte. Letztlich arbeiteten wir daran, ihm eine Erweiterung und Flexibilisierung seines Verhaltensrepertoires zu ermöglichen. Dies impliziert, dass sein bisheriges Verhalten nicht als schlecht abgewertet wurde. Stattdessen wurde reflektiert, in welchen Situationen es adäquat ist und in welchen ein angepasstes Vorgehen funktionaler wäre.
Dem Klienten wurde durch das Coaching klar, dass seine Mitarbeiter ihn als sehr starr erlebten, was Widerstand auslöste, da sie sich stattdessen ein dialogischeres Miteinander wünschten. Mit dieser Erkenntnis konnte er gut arbeiten und sich mit der Frage auseinandersetzen, wie er sowohl Spielräume eröffnen als auch ausreichend führen kann. Mit Blick auf die Umsetzung entwickelten wir ein Ampelsystem: Was wäre in einer bestimmten Situation ein rotes, gelbes oder grünes Verhalten? Dadurch war er in der Lage, sein Verhalten gut zu steuern. Darüber hinaus hat sich auch etwas in seiner Haltung verändert. Er versuchte fortan, die Dinge spielerischer anzugehen. Wir holten dann immer wieder Rückmeldungen von Stakeholdern ein und führten 360-Grad-Feedbacks mit seinem Team durch. Der Prozess war recht erfolgreich.
Wenn jemand seine Persönlichkeit lebt, es dadurch aber nicht schafft, die Rollenerwartungen zu erfüllen, führt das im Umfeld zu Unzufriedenheit, Konflikten und Frust. Beim Rollenträger kann zunehmende Unsicherheit die Folge sein. Es besteht die Möglichkeit, dass er einen Mangel an erlebter Selbstwirksamkeit herausbildet. Es kann das Gefühl entstehen, nicht zu genügen und nicht der Richtige für die Position zu sein. Viele orientieren sich dann an äußeren Vorgaben und vermeintlichen Idealen, was eine gute Führungskraft ausmache, und beginnen, sich zu verstellen. Sie unterdrücken dann ihre Impulse, Gefühle und Bedürfnisse und erleben Inkongruenz.
Folgt eine Führungskraft z.B. dem Ziel, in schwierigen Situationen ruhig zu bleiben, obwohl sie eigentlich impulsiv ist, klaffen Person und Rollenverhalten auseinander, was langfristig zu gesundheitlichen Problemen führen kann: z.B. zu Demotivation und psychosomatischen Stresssymptomen. In extremen Fällen, wenn die Person in einem Umfeld tätig ist, in dem sie sich gar nicht als wirksam erlebt, vielleicht sogar das Gefühl hat, den falschen Beruf ergriffen zu haben, kann sie gar ein Gefühl von Leere und Burnout entwickeln. Dass eine selbstkongruente Lebensführung zu Wohlbefinden und Gesundheit beiträgt, zeigen viele Studien.
Ein Beispiel aus meiner Praxis: Ich arbeite häufig mit Frauen in Männerdomänen und hatte eine Klientin, die bemüht war, in Durchsetzungssituationen sehr dominant aufzutreten. Dabei ging sie schnell in die Abwertung und setzte Druck ein, was ihrem Wesen eigentlich nicht entsprach. Sie dachte, dies werde von ihr verlangt und es gebe keinen anderen Weg, als Frau in der Männerdomäne akzeptiert zu werden. Im Coaching arbeiteten wir u.a. mit Bildern, wodurch sie mit ihren unbewussten Bedürfnissen in Kontakt kam und erkennen konnte, was für sie bedeutsam ist. Sie wählte ein Bild aus, auf dem sich zwei Freundinnen umarmen. In der Reflexion stellte sich heraus, dass es ihr ein Bedürfnis ist, mit anderen auf positive Weise zurechtzukommen. Sie lernte, kooperativer aufzutreten und die eigenen Ziele somit authentischer zu verfolgen. Dies erhöhte ihr Wohlbefinden. Im Coaching hinterließ sie anfangs einen sehr gestressten Eindruck. Sie war unglücklich. Sich zu verstellen, kostet Kraft. Wer authentisch handelt – wenn auch in rollenangepasster Weise – kann diese anderweitig investieren.
Ich arbeite sowohl gerne mit Frauen als auch mit Männern. Die Arbeit mit Frauen liegt mir aber besonders am Herzen, weil ich in einem bikulturellen Haushalt aufgewachsen bin, in dem die Rolle der Frau als Thema immer mitschwang. Mein Vater war Iraner und es gibt schon eine Diskrepanz zwischen dem dortigen Rollenverständnis und dem bei uns in Deutschland, womit ich mich intensiv auseinandersetzte. Zur Arbeit mit Frauen, die in männlich geprägten Unternehmenskulturen tätig sind, habe ich darüber hinaus auch deshalb eine Affinität, weil ich nach dem Abitur zunächst begann, Architektur zu studieren, und in diesem Zusammenhang eine Ausbildung zur Fliesen- und Mosaiklegerin absolvierte. Als Frau in „Männerberufen“ zu arbeiten, ist mir also vertraut.
Man kann zwar nicht pauschalisieren, mit welchen Anliegen Frauen ins Coaching kommen. Überproportional oft geht es jedoch um das Thema Selbstmarketing und die Frage, wie inneren Saboteuren begegnet werden kann. Z.B. haben Frauen häufig einen hohen Anspruch an sich und sind sehr selbstkritisch, was zu Zweifeln an der eigenen Person führen kann. Auch der Umgang mit Macht wird immer wieder angesprochen. Hiermit ist wiederum das Thema Konkurrenz und Kooperation eng verbunden. Frauen wollen natürlich genauso erfolgreich sein wie Männer, vermeiden aber häufig die offene Konkurrenz und fahren mit angezogener Handbremse, denn sie möchten anderen nicht wehtun. Das mündet oft in einen Schlingerkurs, der eher nicht in höheren Führungspositionen endet. Männliche Führungskräfte haben in ihrer Sozialisation zumeist gelernt, ihre Interessen klar zu verfolgen und sich dabei auch wohlzufühlen. In Konkurrenz zu gehen, ohne Unbehaglichkeit zu verspüren, fällt Frauen hingegen nicht selten schwer. Sie befinden sich oft in einem Dilemma, bestehend aus dem Wunsch nach Beziehung und Harmonie sowie dem Anspruch, die eigenen beruflichen Ziele zu verwirklichen. Im Coaching werden innere „Erfolgsverhinderer“ aufgedeckt und das Verhältnis der Klientin zum Thema Macht geklärt, sodass sie einen Weg finden kann, mit diesem selbstkongruent umzugehen. Selbstkongruenz müssen sich viele Frauen in Männerdomänen erst erarbeiten. Natürlich gibt es auch Männer, auf die das zutrifft.
Wenn ich Teamentwicklungen durchführe, um eine Vertrauensbasis herzustellen, arbeite ich in der Regel mit den Teams und ihren Führungskräften. So begleitete ich z.B. ein Team, dessen Führungskraft sehr emotional agierte, häufig unter großem Druck stand und von dem Anspruch getrieben war, der Beste sein zu müssen. Ein Dreivierteljahr nachdem die Führungskraft das Team übernommen hatte, kam es zum Konflikt. Die Mitarbeiter gaben der HR-Abteilung die Rückmeldung, vor der Führungskraft Angst zu haben und am Wochenende bereits mit Schrecken auf den Montag zu blicken. Das Team litt sehr unter dem Druck, den die Führungskraft aufbaute. Ich sprach mit allen Beteiligten, sammelte Feedback der Teammitglieder und spielte dieses – da das Team seine Sicht nicht offen kundtun wollte – an die Führungskraft zurück. Diese reagierte entsetzt, der Mann hatte ein völlig anderes Selbstbild. Nachdem der erste Schock überwunden war, zeigte er sich bereit, eine gemeinsame Lösung zu finden.
Im Einzel-Coaching ging es zunächst darum, ihn nach dem negativen Feedback wieder aufzubauen und zu stärken, indem wir geschaut haben, welche Erfolge er bereits verbuchen konnte, worin seine Ressourcen und Kompetenzen bestehen. Das Feedback des Teams wurde dann mittels Perspektivwechsel und der Betrachtung konkreter Situationen aus dem Arbeitsalltag verarbeitet. Ihm war nicht bewusst, dass der Druck, den er verspürte, dazu führte, selbst stark Druck auszuüben. Wir arbeiteten fortan an seinen Selbstführungskompetenzen. Im Laufe des Coachings lernte er, seine Emotionen besser zu steuern. Methodisch arbeiteten wir mit dem Seitenmodell von Gunther Schmidt, bei dem ich eine sehr prägende Weiterbildung durchlief, und brachten die Seiten Ambition sowie Entspannung in Übereinstimmung. Embodiment setzten wir ein, um den Körper einzubeziehen. Auch dies half dem Klienten, seine Emotionen besser in den Griff zu bekommen. Zudem spielte der Aspekt der Selbstfürsorge eine wichtige Rolle, um Entlastung vom eigenen Druck zu ermöglichen. Er achtete z.B. darauf, ausreichend zu schlafen. Achtsamkeitsübungen und Meditation kamen hinzu.
Im Workshop mit dem Team gab es eine von mir moderierte Aussprache. Wir formulierten Erwartungen. Dies ist nicht zu unterschätzen, denn in dem Moment, in dem Bedürfnisse ausgesprochen werden, man also keine Angst mehr davor haben muss, sie kundzutun, kann das Stresserleben in einem Team bereits deutlich reduziert sein. Eine Arbeitsbasis schufen wir, indem wir die Frage klärten, wie Respekt, Wertschätzung und Vertrauen gelebt werden sollten, und entsprechende Maßnahmen verabredeten. Es ging auch darum, den Mitarbeitern psychologische Sicherheit zu vermitteln, ihnen das Gefühl zu geben, gut aufgehoben zu sein und keine Angst haben zu müssen, wenn sie etwas – ggf. auch Kritisches – zu sagen haben. Wir führten Teamdialoge ein, um einen regelmäßigen Austausch – z.B. über Erwartungen bzw. vermeintliche Erwartungen anderer – zu etablieren. Später zeigte sich, dass diese Maßnahme dazu beitrug, das Vertrauen in die Führungskraft zu stärken. Team und Führungskraft sind im Workshop und in der anschließenden Zusammenarbeit aufeinander zugegangen, das war super. Letztlich ist die Führungskraft hierfür in „Vorleistung“ getreten, indem sie vorab im Einzel-Coaching gut an sich arbeitete.
Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten, im Coaching mit Bildern zu arbeiten. Der Coach kann Fotos verwenden, Kunstdrucke zusammenstellen oder Postkarten einsetzen. Zunehmend gibt es fertige Sets aus Bildern oder Fotografien, die natürlich professioneller wirken. Der Coach kann den Klienten auch animieren, selber private Fotos und Bilder aus Magazinen oder dem Internet herauszusuchen. Er kann ihn beispielsweise bitten, zur kommenden Sitzung ein Bild mitzubringen, das ihn an seine Ziele erinnert bzw. sein Entwicklungsthema symbolisiert.
Ich arbeite viel mit der ZRM-Bildkartei von Maja Storch und Frank Krause und dem dazugehörigen Ansatz, dem Zürcher Ressourcen Modell. Nachdem wir das Coaching-Ziel herausgearbeitet haben und geklärt ist, ob das Anliegen anhand von Bildern bearbeitet werden kann und soll, bringe ich den Klienten mit seiner Gefühlsebene in Kontakt, indem ich z.B. sage: „Wobei entspannen Sie im Alltag? Denken Sie an ein schönes Erlebnis.“ Ich präsentiere dem Klienten dann die Bilder und er sucht sich – unter dem Eindruck des angenehmen Gefühls und unter Berücksichtigung seiner somatischen Marker – ein bis drei aus, die positiv wirksam sind, d.h., in Hinblick auf sein Ziel positive Emotionen auslösen, ihm Wohlbefinden vermitteln und ihn lächeln lassen.
Es ist wichtig, vorab festzustellen, ob die Person Bilder „spüren“ kann, ob sie diesen Zugang zu ihren Gefühlen hat und ob es ihr somit überhaupt möglich ist, Bilder mit positiven Emotionen auszuwählen. Ich führe daher vorab einen Check durch, inwieweit der Klient seine somatischen Marker wahrnimmt. In der Arbeit mit den ausgewählten Bildern geht es dann darum, einen Austauschprozess zwischen bewusster und unbewusster Ebene anzustoßen. Bilder sind an beide Systeme anschlussfähig: an den Verstand und an das Unbewusste. Ich frage, welche Assoziationen der Klient bei Betrachtung des jeweiligen Bildes hat, schreibe diese auf und bitte ihn anschließend, die schönsten Assoziationen zu markieren. Aus Letzteren bilden wir anschließend ein Haltungsziel, das mit den unbewussten Wünschen des Klienten, aus denen die Assoziationen resultieren, abgestimmt und für ihn daher mit einer starken Motivation verbunden ist. Das Haltungsziel bringt zum Ausdruck, auf welchem Weg der Klient sein Anliegen verfolgen möchte, ohne dabei mit seinen unbewusst wirkenden Wünschen in Konflikt zu geraten.
Im Laufe des Prozesses, den ich hier skizziert habe, achte ich auf die Mimik und Körpersprache des Klienten, um sicherzustellen, dass der Klient bei der Interpretation des Bildes in Kontakt mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen ist und nicht aus dem analytischen Verstandessystem heraus antwortet. Im gemeinsamen Prozess schälen wir nach und nach heraus, was den Klienten bewogen hat, sein Bild auszuwählen und welche positiven Assoziationen enthalten sind. Ich frage ihn, weshalb ihm die markierten Assoziationen besonders gefallen, um die dahinterstehenden Wünsche zu ergründen. Wir erkunden gemeinsam, worin das Unbewusste hinter dem bewussten Anliegen besteht. Wenn es gut läuft, wird deutlich, welche Bedürfnisse zu erfüllen sind, damit das Unbewusste den Weg, der fortan eingeschlagen werden soll, sozusagen „mitgeht“.
Ja, Bilder können den Weg zu unbewussten Bedürfnissen und Gefühlen weisen. Klienten kommen mitunter mit Themen ins Coaching, die vordergründig sind. Ich erinnere mich an eine Geschäftsführerin, deren Anliegen es war, Strukturen und Prozesse zu etablieren. In unseren Gesprächen wirkte sie derart kraftlos, dass ich ihr anbot, ein Bild auszusuchen, das sie unabhängig von ihrem Ziel anspricht. Sie wählte ein Pflanzenmotiv und fing während der Reflexion zu weinen an, weil ihr klar wurde, worum es eigentlich ging. Nämlich darum, dass sie seit 15 Jahren nur noch an die Firma dachte und die eigenen Bedürfnisse so sehr vernachlässigte, dass sie diese gar nicht mehr spürte. Sie sah ihr Selbst nicht gedeihen, was ihr wie Schuppen von den Augen fiel und es ermöglichte, an den wirklich relevanten Themen zu arbeiten.
Wenn man sein Verhalten ändern möchte, ist es wichtig, dass beide Systeme – das Bewusste und das Unbewusste – an einem Strang ziehen, damit eine kongruente Veränderung ermöglicht wird. Es nützt nichts, sich zu einem veränderten Handeln zu zwingen. Viele Klienten bringen Selbstmanagementthemen mit, wollen gesünder leben oder fokussierter arbeiten. Die hierfür hinderlichen Verhaltensmuster laufen aber wie ein Autopilot auf unbewussten Ebenen ab und entziehen sich damit der willentlichen Kontrolle. Ein gutes Beispiel sind die Neujahresvorhaben. Sie scheitern in der Regel, weil sie nur kognitiv angegangen werden. Die unbewussten Muster behalten dann früher oder später die Oberhand. Unbewusste Automatismen sind immer schneller sowie stärker als willentliche Vorhaben und können von diesen auch nicht beeinflusst werden, wie z.B. in den Arbeiten des Psychotherapieforschers Klaus Grawe nachzulesen ist. Die Frage ist demnach, wie man das unbewusste System erreichen kann, und das kann mittels des Einsatzes von Bildern funktionieren. Bilder fungieren dabei als eine Art Dolmetscher zwischen der unbewussten und der bewussten Ebene und ebnen so den Weg für eine kongruente Zielentwicklung.
Bilder einzusetzen, macht einfach Spaß. Wenn die Klienten ein Bild ausgewählt haben, versinken sie oftmals richtig darin, sind mit sich und dem Bild intensiv im Diskurs. Das zu sehen, ist wirklich schön, und es verbindet, den Sinngehalt in der Reflexion gemeinsam zu ergründen. Der Umstand, dass wir im Coaching auf die positiven Assoziationen und Emotionen schauen, anstatt mit Bildern zu arbeiten, die Angst auslösen, dürfte ein Grund dafür sein, dass der Ansatz eine gute Arbeitsatmosphäre fördert. Er ist sehr auf ein positives, ressourcenstärkendes Erleben ausgerichtet und fühlt sich zudem leicht und spielerisch an. Gerade zahlenorientierte Führungskräfte sind es weniger gewohnt, explizit über ihre Gefühle zu sprechen. Über das Bild zu sprechen, fällt ihnen aber vergleichsweise leicht und so kommen sie Schritt für Schritt dahin, auch die eigenen Emotionen zu thematisieren. Ich habe zu der Arbeit mit Bildern im Coaching geforscht und die befragten Coaches bestätigten, dass es eine wirksame Methode ist, die auch ihnen Freude bereitet.
Ja, absolut. Mit Sprachbildern zu arbeiten, empfinden viele Menschen sogar als gewohnter. Sowohl visuelles Bildmaterial als auch Geschichten, Metaphern oder innere Bilder können als Symbolträger eingesetzt werden, um Klienten einzuladen, unbewusste Facetten auf der emotionalen Ebene zu entdecken. Auf die Frage, welche Metapher ihr zu ihrer Situation einfällt, antwortete eine Klientin, in ihrer Führungsrolle komme sie sich vor wie eine Dompteuse im Zirkus. Das offenbart schon einiges und drückt aus, welche Gefühle unbewusst wirken. Diese Vorgehensweise ist nicht aufwendig, aber dennoch griffig und komplexitätsreduzierend.
Bei dem eben erwähnten Beispiel könnte man überlegen, wie man das Bild verändern müsste, damit die Klientin es schafft, aus der Haltung einer Dompteuse herauszutreten, sich also von dem Gefühl löst, massiven Druck auf ihr Team ausüben zu müssen. Sie könnte sich beispielsweise vorstellen, statt mit einer Peitsche zu schlagen, den Mitarbeitern Blumen zuzuwerfen oder Seifenblasen zu pusten, um eine gelassenere Haltung in der Führungsarbeit zu symbolisieren. Ich versuche hier auch immer wieder, Angebote zu unterbreiten, um zu schauen, worauf die Person anspringt, was die Situation für sie auf der emotionalen Ebene einfacher, leichter und spielerischer werden lässt.
Ich coachte eine Klientin, die selber Coach werden wollte. Sie hatte Angst vor „Alphamännchen“. In der Begegnung mit hochrangigen Führungskräften fühlte sie sich sehr klein, nahm ihr Gegenüber aber als riesig war. Wir arbeiteten dann an ihren inneren Bildern. Zunächst saß sie auf einem Pferd, dann trug sie ein imposantes Kleid und so gewann sie in ihrer Wahrnehmung Stück für Stück an Größe. An dem entstandenen inneren Bild konnte sie sich in entsprechenden Situationen gedanklich festhalten. Natürlich ist immer zu schauen, ob ein erarbeitetes inneres Bild in der Praxis wirksam oder noch zu justieren ist. Ist ein inneres Bild erarbeitet, kann es verankert werden und somit zur Nachhaltigkeit des Coaching-Erfolgs beitragen. Um es im Unbewussten zu verankern, muss der Klient die damit verbundenen Gefühle durchleben. Hierzu setze ich mitunter eine kurze Trance oder einen Body Scan ein.
Ich bin ein kreativer Mensch, male und fotografiere gerne. Als Jugendliche sammelte ich Postkarten. Ich hatte eine ganze Wand mit ihnen dekoriert und nahm eine symbolhafte Wirkung wahr, da ich vor allem Karten sammelte, die bei mir eine Resonanz auslösten oder eine Botschaft enthielten. Ich habe sie auch als Erinnerungshilfen aufgehängt, sodass die Botschaften für mich jederzeit abrufbar waren. Bilder haben also schon immer etwas mit mir gemacht. Als ich im Coaching begann, sie einzusetzen, merkte ich schnell, dass sie es auch vielen Klienten erleichtern, sich auf eine emotionale Ebene zu begeben. Wenn eine Person von einem Bild berührt ist, dann steckt etwas von ihr darin.
Bevor ich zum Coaching kam, war ich in einem Konzern und in der Unternehmensberatung tätig, führte viele Assessment-Center sowie Potenzialanalysen durch. Ich ermittelte Kompetenzen der teilnehmenden Führungskräfte und führte anschließend Entwicklungsgespräche mit ihnen. Dabei merkte ich, dass mir die individuelle, aufbauende und entwicklungsorientierte Arbeit, die sich an den Wünschen und Bedürfnissen des Gegenübers orientiert, mehr lag als die objektive Diagnostik. So entstand mein Wunsch, Coach zu werden. Ich möchte andere auf Augenhöhe unterstützen, ihre Potenziale zu nutzen. Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückschaue, stelle ich fest, dass ich früh – schon in meiner Kindheit – häufig die Rolle einnahm, andere zu stärken. Gunther Schmidt sagte sinngemäß, Coach werde man im Alter von sieben oder acht Jahren, der Rest sei Nachzertifizierung. Ich finde, das ist ein wunderbarer Spruch.
Ja, absolut. Die Assessment-Center und Potenzialanalysen waren spannend und ich habe dabei einiges gelernt. Sie sind aber nicht kongruent zu mir. Ich merkte nach und nach, wie sich meine Energie verringerte. Ich nahm dann selbst ein Coaching in Anspruch, um der Frage nachzugehen, ob ich in die Selbstständigkeit gehen sollte. Schon nach 30 Minuten sah ich sehr deutlich, dass dieser Schritt einem Großteil meiner Anteile entsprechen würde, z.B. habe ich ein recht hohes Autonomiebedürfnis. Hinter der Entscheidung, Coach zu werden, steckt eine intrinsische Motivation und so ging ich auch meine Promotion an, weil mich die Thematik interessiert. Die Arbeit als Coach beflügelt mich.