Portrait

Dr. Christopher Rauen im Interview

"Wenn die Zeit für eine Idee gekommen ist, darf man nicht zaudern."

Er gehört unbestritten zu den bekanntesten und einflussreichsten Coaches im deutschsprachigen Raum. Das liegt nicht zuletzt an seinem sehr breit gefächerten Tätigkeitsspektrum: Seine Bücher zählen zur Standardliteratur, an seinen zahlreichen Online-Plattformen und Online-Datenbanken kommen Coaches, Interessierte und Wissenshungrige nicht vorbei und schließlich ist er Mitbegründer des DBVC und dessen mittlerweile langjähriger 1. Vorsitzender. Pünktlich zum Jubiläum des Coaching-Magazins gibt er Einblick, wie alles anfing.

18 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 1 | 2013 am 20.02.2013

Ein Gespräch mit Dawid Barczynski

Sie haben sich während Ihres Studiums der Psychologie auf den Bereich Coaching spezialisiert. Was hat Sie dazu bewegt?

Als Arbeits- und Organisationspsychologe hatte man damals kaum die Möglichkeit, im Vier-Augen-Setting zu arbeiten. A&O-Psychologen haben eher als Teamtrainer oder Workshop-Leiter gearbeitet, also mit Gruppen, weniger mit einzelnen Personen. Das war meist den klinischen Psychologen vorbehalten. Für mich war das wenig nachvollziehbar. Wenn eine Sache hilfreich ist, warum sollte man sie dann nicht auch in anderen Bereichen anwenden? Coaching bot genau diese Möglichkeit: Im persönlichen Gespräch unter vier Augen an individuellen Themen arbeiten, ohne dabei jedoch ins Therapeutische abzugleiten. Das hat mich spontan angesprochen und ich war fest davon überzeugt, dass das Zukunft hat.

Gab es noch andere Aspekte, die Sie am Coaching ansprechend fanden?

Ja, das Thema Coaching hatte für mich als Student den Vorteil, dass dort noch jede Menge Grundlagenarbeit geleistet werden konnte. Im Gegensatz zu vielen anderen Themen war das Coaching noch nicht so abgelutscht. In akribischer Kleinarbeit habe ich dann sämtliche Literatur recherchiert und mir über die Fernleihe der Universitätsbibliothek besorgt. Es war mir wichtig, das Thema möglichst vollständig zu erfassen und ich habe dann auch einen Artikel darüber geschrieben, der meinen Professor sehr angesprochen hat. Das war sehr ermutigend für mich und so beschloss ich letztlich auch, meine Diplomarbeit über das Thema zu schreiben. Es hat mir Spaß gemacht, als einer der ersten meine Spuren im Schnee hinterlassen zu können – und das, obwohl ich noch sehr jung war.

Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekommen, Psychologie zu studieren. War das ein Jugendtraum?

Nein, überhaupt nicht. In der Schule wäre ich im Leben nicht auf die Idee gekommen, Psychologie zu studieren. Mich haben die Naturwissenschaften viel mehr angesprochen, weil man es hier – so dachte ich damals jedenfalls – mit harten Fakten zu tun hat. Mit 14 Jahren hatte ich meinen ersten Computer. Mich hat alles Technische angezogen. Mein Lieblingsfach in der Oberstufe war allerdings Philosophie, das ich der Wahlalternative Wirtschaftslehre vorgezogen habe. Philosophie beschäftigte sich mit Erkenntnis, mit Logik, mit Deduktion und Induktion, das hat mich fasziniert. Ich wollte die Dinge verstehen.

Und wie kamen Sie dann zur Psychologie?

Das war ein ziemlicher Umweg. Am liebsten hätte ich Philosophie studiert, aber ich hatte die Sorge, dass das eine brotlose Kunst sein würde. Da meine Leistungskurse Chemie und Physik waren, habe ich dann damit geliebäugelt, Chemie zu studieren. Im Abiturjahr habe ich mir dazu vier Universitäten und eine Fachhochschule näher angesehen, bin dann aber von Chemie abgekommen. Den ganzen Tag in einem Labor zu stehen und Lösungsmittel einzuatmen, schien mir nicht erstrebenswert. Daher beschloss ich, Physik zu studieren, was bereits zu diesem Zeitpunkt nur die dritte Wahl war. Und so kam es, wie es kommen musste: Nach einem Jahr stellte ich fest, dass es nicht das Richtige war. Es interessierte mich einfach nicht, wie viel Elektronen in einem bestimmten Zeitraum durch einen Kupferdraht mit einem Durchmesser von X Zentimetern bei einer bestimmten Spannung fließen. Das waren nicht die Fragen, die mich beschäftigt haben. Also schmiss ich das Studium und war total frustriert. Nun wusste ich nur noch, was ich nicht wollte.

Und dann …

… ging erst mal gar nichts mehr. Ich hatte keine Ahnung, womit ich einmal Geld verdienen soll. Schließlich beschloss ich, das Geld da zu verdienen, wo es gemacht wird: An der Börse. So kaufte ich mir ein paar Bücher von André Kostolany und begann mit Aktien zu spekulieren. Das nötige Wissen las ich mir an. Die Bücher von Kostolany habe ich regelrecht verschlungen, sein verschmitzter Humor und seine unterhaltsame Art haben mir sehr gut gefallen. In einem seiner Bücher beschrieb er, was man benötigt, um ein guter Spekulant zu sein: Neben der Fähigkeit, verborgene Zusammenhänge zu erkennen, braucht man Grundkenntnisse der Mathematik – die hatte ich durch mein Physikstudium reichlich genossen – und der Massenpsychologie. Und so kam ich zur Psychologie. Es ging mir weniger darum, mich selbst zu therapieren, sondern vielmehr um die Therapie meiner Geldbörse … (lacht).

Waren Sie mit der Einstellung nicht ein ziemlicher Außenseiter unter Ihren Kommilitonen?

Zwischen den selbst ernannten Gutmenschen und Selbsttherapeuten bin ich im Psychologiestudium ganz schön angeeckt. Aber mir hat das wenig ausgemacht, denn ich hatte ja ein klares Ziel: Reich werden mit Aktienspekulationen. Und ich investierte in das, wovon ich Ahnung hatte: Computertechnologie. Das war Ende der Achtziger Jahre nicht die schlechteste Strategie … Als ich beschloss, Psychologie zu studieren, wusste ich nicht einmal, dass es so etwas wie Arbeitspsychologie gibt. Als ich das dann entdeckte, sagte ich zu mir: „Das studierst Du dann im Hauptstudium.“ Und so kam es auch.

Sie haben also nur Psychologie studiert, um ein besserer Spekulant zu werden?

Genau. Ich war so naiv. Aber das Spekulieren nach Kostolany hat einen „Nachteil“: Man benötigt dafür nur zwei Stunden pro Woche! Ich musste also die Zeit rumkriegen und wollte ein besserer Spekulant werden. Die Idee, Wirtschaftswissenschaften oder dergleichen zu studieren ist mir nie gekommen. Kostolany hielt solche Fächer für Pseudowissenschaften, die vom Wesentlichen ablenken.

Was ist denn das Wesentliche?

Nach Kostolany gibt es keine schlechten Aktien, sondern nur schlechte Zeitpunkte. Und entscheidend ist, wer die Aktien besitzt. Sind die Aktien in starken Händen, also in den Händen von Profis, die wissen, wie man mit Geld umgeht oder sind sie in den schwachen Händen von Menschen, die von Aktien gar keine Ahnung haben und nur von einem Boom profitieren wollen? Am gefährlichsten sind die Zeiten, in den Kurse steigen und die Aktien von den starken in die schwachen Hände wandern. Dann ist ein Crash vorprogrammiert. Auch rückblickend muss ich sagen: So unrecht hat Kostolany damit nicht.

Warum sind Sie nach dem Studium nicht Spekulant geblieben?

Das Studium der Psychologie, das ich mehr oder weniger aus einer Laune heraus begonnen hatte, fing an mich zu interessieren. Natürlich fand ich nicht alle Theorien wirklich einleuchtend – ich habe das immer zu der Wirtschaft in Bezug gesetzt und dadurch schnell die Schwachstellen mancher Theorie erkannt – aber es gab viele Dinge, die mich ansprachen. Übrigens auch die Testtheorie, weil es hier auch wieder darum geht, wie man Erkenntnis gewinnen kann. Im Hauptstudium kam ich dann wie gesagt auf das Thema Coaching. Und dann kam mir ein anderer Gedanke: Warum soll ich als Aktionär mein Geld fremden Firmen geben, die mir versprechen eine bestimmte Umsatzrendite zu erwirtschaften, wenn ich das auch selbst kann? So beschloss ich, mein Geld in meine eigene Firma zu investieren. Schließlich fügte sich alles zusammen: Mein Interesse an Erkenntnisgewinn, Computer, Psychologie, Coaching … und dann wurde das Internet populär.

Entwickelten Sie daher die Coach-Datenbank, aus einer Kombination von Interesse und Internet?

Ja, genau. Aber die Coach-Datenbank kam erst später. Mein erster richtiger Online-Dienst im Bereich Coaching war der Coaching-Report, es folgten der Coaching-Index, der Coaching-Newsletter und dann erst die Coach-Datenbank. Mein Ziel war es, nicht nur als Coach zu arbeiten, sondern auch den damals schon unübersichtlichen Markt etwas transparenter zu machen. Vorher hatte ich aber mit ganz anderen Problemen zu kämpfen.

Und zwar?

Na ich musste den Sprung von der Uni zum Selbständigen und Unternehmer bewältigen. Das war nicht so einfach, denn Coaching war damals ja bei weitem nicht so bekannt wie heute und ich war ja recht jung, gerade Mitte 20. Aber hier kam mir das Glück etwas zu Hilfe. Da ich bereits meine Diplomarbeit über das Thema Coaching verfasste und es damals nicht so viel Literatur dazu gab, kontaktierte ich die Autoren der existierenden deutschensprachigen Coaching-Bücher und bat um deren Unterstützung. Das Internet nutzte damals kaum jemand. Recherchieren lief nicht über Google. Ich schrieb also Briefe an die Verlage, trug mein Anliegen vor und bat um die Weiterleitung meines Schreibens an die Autoren. Überwiegend hat das auch sehr gut funktioniert und so stand ich im Kontakt mit fast allen Coaching-Pionieren wie Dr. Wolfgang Looss, Dr. Astrid Schreyögg und Horst Rückle. Horst Rückle hat damals mit seinem hr Team in seiner Hauszeitschrift auch auf meine Diplomarbeit hingewiesen, in der ich mehrere Coaching-Ansätze miteinander verglichen habe. Dies wurde von vielen Personalentwicklern in ganz Deutschland gelesen, denen ich meine Arbeit verkaufen konnte. Das waren extrem wichtige Kontakte für mich. Dafür bin ich Horst Rückle noch heute dankbar.

Wie ging es dann weiter?

Aus meiner Diplomarbeit wurde dann mein erstes Buch, das sich zur Freude des Hogrefe-Verlags sehr gut verkaufte und mein Image als Coaching-Experte begründete. Mir sind zwar nicht die gebratenen Tauben in den Mund geflogen, aber der Anfang war gemacht. Außerdem lernte ich, neben der Arbeit zu schreiben, inzwischen ist es ein halbes Dutzend Bücher geworden.

Das klingt nach einem großen Arbeitsaufwand: Diplomarbeit schreiben, zu einem Buch ausschreiben, Kontakte knüpfen und dann noch Ihre Internetportale entwickeln?

Das war es auch, aber mir hat sehr geholfen, dass ich bereits am Ende meines Studiums sehr am Internet interessiert war, weil ich mich eben für Computer und alles Technische begeistern konnte. Mir macht so etwas bis heute Spaß. Aber damals war das Internet noch nicht besonders populär, man benötigte schon etwas Know-how, um überhaupt online gehen zu können. Kommerzielle Angebote waren die Ausnahme, es ging eher darum, die neuesten Grafikkartentreiber herunterladen zu können. Wie beim Coaching war ich aber fest davon überzeugt, dass das Internet Zukunft haben würde. Das war ja damals überhaupt nicht absehbar.

Selbst Microsoft erkannte die Bedeutung des Internets erst spät.

Ja, das war ein Fehler, den man dann mit aller Kraft wiedergutmachen wollte. Jedenfalls sah ich in dem Internet ein Potenzial. Mit Hilfe von Online-Datenbanken konnte man komplexe Informationen strukturieren und vereinfachen. Und das 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Was heute banal klingen mag, war damals revolutionär. Heute basieren faktisch alle Internetanwendungen auf komplexen Datenbanken. Denken Sie alleine an Google: Auch hier wird eine komplexe Information – wo finde ich die gewünschte Internetseite – mit Hilfe einer scheinbar einfache Abfrage verfügbar gemacht. Damit das funktioniert, benötigt man aber enormes Know-how.

Kamen Sie da nicht in Versuchung, eine Internetfirma zu gründen?

Durchaus. Aber so einfach ist das gar nicht. Wenn sie eine gute Idee haben, kommt jemand der richtig Geld hat und drängt sie mehr oder weniger aus dem Geschäft oder übernimmt es. Es gibt nur wenige Ausnahmen von dieser Regel und die sind so wahrscheinlich wie ein Lottogewinn. Auf dieses Risiko wollte ich mich nicht einlassen. Daher habe ich versucht, eine Nische zu finden, die einerseits interessant ist und andererseits nicht so groß ist, dass es sich für jemanden mit richtig Geld lohnen würde, da einzusteigen. Daher beschloss ich, eine Coach-Datenbank aufzubauen, also ein Spezialangebot für einen kleinen Markt. Auf diese Weise sollte das passende Angebot schnell und einfach auf die passende Nachfrage treffen. Und das hat ganz gut funktioniert, mittlerweile ist die Coach-Datenbank seit über 10 Jahren online.

Wie hat Ihr Umfeld denn auf diese Entwicklung reagiert?

Am Anfang bin ich belächelt worden. Immer wieder hörte ich den Satz „Mit Coaching kann man doch kein Geld verdienen.“ Mir wurde empfohlen, doch lieber als Trainer zu arbeiten und Workshops zu machen, damit ich nicht einzelne Stunden, sondern Tagesätze verkaufen kann. Aber das war mir zu langweilig und abgegrast. Ähnlich war es bei der Coach-Datenbank. Auch hier bekam ich viel Skepsis zu hören, bis hin zu offener Ablehnung. „Eine Datenbank mit Coaches – wen soll das denn interessieren?“ lautete so ein Satz. Ich ließ mich davon nicht beirren. Bei der Aktienspekulation hatte ich gelernt, dass man Nerven behalten muss, wenn einem der Wind ins Gesicht bläst – und dass das, was die meisten Leute machen, überwiegend falsch ist. 90 Prozent der Transaktionen an der Börse sind Verlustgeschäfte. D.h. die Masse verliert.

Ist es nicht ein schmaler Grat zwischen Überzeugtheit auf der einen Seite und Ignoranz oder gar Arroganz auf der anderen Seite?

Natürlich sollte man nicht blind überzeugt sein. Genauso wie man Aktien verkauft, wenn sie eine gewisse Untergrenze durchschreiten, braucht man ein Exit-Szenario, wenn ein Businessplan nicht funktioniert. Daher habe ich mir immer realistische Ziele gesetzt und auch für mich festgelegt, was ich mache, wenn diese Ziele nicht erreicht werden. Nur: Meistens habe ich meine Ziele übererfüllt. Daher hatte ich keinen Grund, mich von externen Nörgeleien beeindrucken zu lassen. Nach außen hin kann das arrogant wirken. Aber wie ein Freund von mir einmal gesagt hat: „Niveau wirkt nur von untern wie Arroganz.“ (lacht). Letztlich muss eine Sache nach spätestens fünf Jahren erkennen lassen, dass sie funktioniert. Sonst muss man es aufgeben. Und auf der anderen Seite gilt: Funktioniert eine Sache gut, dann mache mehr davon. Mit diesen simplen Strategien bin ich gut gefahren.

Die Online-Portale gehen also auf Ihre – vor allem auch technischen – Interessen zurück. Sie sind aber auch Gründungsmitglied des DBVC: Wie kam es dazu?

Da muss ich etwas ausholen: Bevor es den DBVC gab, gründete ich im Jahr 2002 die Interessengemeinschaft Coaching, deren Mitglieder sich Qualitätsstandards verpflichtet fühlten. Entstanden ist die Idee für die Interessengemeinschaft Coaching bei einem meiner Buchprojekte, dem „Handbuch Coaching“. Nachdem ich bereits durch meine Diplomarbeit viele Kontakte zu diversen Coaching-Experten gewinnen konnte, wollte ich ein Handbuch mit diesen zusammen machen. Und als das Buch dann fertig war, wäre es schade gewesen, die Kontakte brach liegen zu lassen. So kam es zur Interessengemeinschaft Coaching, im Grunde war sie ein Vorläufer für den DBVC und viele Mitglieder der Interessengemeinschaft sind heute auch im DBVC.

Heißt das, die gründeten die Interessengemeinschaft Coaching nur, weil Sie es konnten?

Nein, so war das nicht gemeint. Das Ganze verfolgte schon einen Zweck und war nicht nur Selbstzweck. Über meine Internetportale wurden mir teilweise erschreckende Missbrauchsvorfälle zugetragen, es gab immer mehr Scharlatane im Markt, die vom positiven Image des Coachings profitieren wollten. Daher schien es mir wichtig einen Gegenpol zu initiieren, um deutlich zu machen: Es gibt auch seriöse Coaches, die sich zu Qualitätsstandards verpflichten. Es ging mir nicht darum einen weiteren Marketingzirkel zu gründen.

Sondern?

Es ging und geht mir darum, das Coaching zu professionalisieren. Das können die Coaches aber nicht alleine. Dafür benötigt man auch die Wissenschaft, die Unternehmen, die Ausbilder. So entstand das Vier-Säulen-Modell des DBVC: Dort sind Coaches, Ausbilder, Wissenschaftler und Unternehmensvertreter Mitglieder. Und es ist der Deutsche Bundesverband Coaching. Nicht der Bundesverband von Coaches! Das ist ein großer Unterschied. Es geht um die Professionalisierung und Entwicklung von Coaching, nicht um die Selbstdarstellung von Coaches.

Wird genau das nicht häufig missverstanden?

Ja, sicherlich, da mache ich mir wenig Illusionen. Es gibt immer wieder Personen, die sich beim DBVC um Mitgliedschaft bewerben, weil sie sich Wettbewerbsvorteile davon verhoffen. Wie man aber so schön in Österreich sagt: „Das geht sich nicht aus.“ So funktioniert es nicht. Wir achten im DBVC auf ein Interesse, das über den Eigennutz hinaus geht. Wenn mich ein Interessent fragt, was er denn von der Mitgliedschaft im DBVC hat, frage ich zurück, warum der DBVC ihn den als Mitglied haben wollen sollte.

Das klingt sehr elitär.

Auch die Durchführung von Herztransplantationen ist einer elitären Schicht von Menschen vorbehalten. Aus gutem Grund! Nicht jeder kann ein guter Coach sein, genauso wenig, wie jeder ein guter Chirurg sein kann. Aber ein guter Coach kann aus jeder Gesellschaftsschicht kommen. Gleiches gilt für Chirurgen. Und in beiden Bereichen gilt: Ohne die Bereitschaft an sich zu arbeiten und ein gewisses Grundtalent geht es nicht. Wer nur seinen eigenen Vorteil sucht, hat aus meiner Sicht elementare Zusammenhänge des gesellschaftlichen Miteinanders nicht begriffen. Ich sage das in dieser Klarheit, weil ich selber so einmal gedacht, aber die Begrenztheit dieser Perspektive erkannt habe. Wer nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, hat eine sehr gute Chance unzufrieden zu sterben, obwohl er sich genau das Gegenteil wünscht.

Sie sind nun seit über 9 Jahren im Vorstand und seit über 6 Jahren 1. Vorsitzender des DBVC. Was ist Ihr Ansporn und welche Ziele möchten Sie mit dem DBVC erreichen?

Mein Ansporn hat sich in den Jahren seit der Gründung immer weiterentwickelt. Inzwischen bin ich ja das dienstälteste Vorstandsmitglied, da braucht es eine gewisse Entwicklung, sonst bleibt man auch als Mensch stehen. Am Anfang war der DBVC ein sehr kleiner Verein und es ging vornehmlich darum, trotz aller Unterschiede der Gründungsmitglieder die Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Das ist nicht immer einfach gewesen, sowohl inhaltlich, als auch unter dem Aspekt der Mikropolitik. Einen Durchbruch brachte hier die Entwicklung des Coaching-Kompendiums durch den Fachausschuss Profession unter Leitung von Dr. Ulrike Wolff. Dass sich die ja recht unterschiedlichen Coaching-Pioniere im DBVC auf einen Standard einigen konnten, betrachte ich auch heute noch als Schlüsselerlebnis.

In der weiteren Entwicklung des DBVC ging es dann für mich um die managerielle Herausforderung: Neben der Arbeit in der eigenen Firma wollte ich es schaffen, den DBVC auch strukturell zu professionalisieren, also eine Geschäftsstelle gründen, Personal finden, die Finanzierung sicherstellen. Das war teilweise sehr kleinteilige Hintergrundarbeit, aber sie musste getan werden. Und mit dem Größenwachstum des DBVC kam dann für mich die dritte Herausforderung: Das Gelernte weiterzugeben und eine Geschäftsführung aufzubauen, die mit dem Vorstand zusammenarbeitet. Ansporn und Ziele waren für mich also immer unmittelbar miteinander verbunden.

Neben Ihrer Funktion beim DBVC, dem Coaching und dem Betrieb Ihrer Internetportale bilden Sie auch Coaches aus. Was raten Sie einem jungen Coach, wenn er sich selbständig machen will?

Mein erster Tipp lautet immer, sich möglichst gut sichtbar zu spezialisieren. Viele junge Coaches haben Angst vor einer Spezialisierung, weil sie befürchten, ihre Zielgruppe sei dann zu klein und sie würden daher zu wenige Aufträge generieren. Genau das Gegenteil ist der Fall! Wer seine Zielgruppe zu groß definiert, geht in dem Markt unter, weil er gar nicht sichtbar wird. Erst ein klares Profil sorgt für Sichtbarkeit und erleichtert die Akquise. Als Spezialist für das Thema ABC oder die Branche XY können sie einem Interessenten viel leichter vermitteln, warum er ausgerechnet sie engagieren sollte.

Ein weiterer Tipp ist, sich nicht an erfolgreichen Coaches zu orientieren. Das mag paradox klingen, aber ich meine damit folgendes: Wer schon erfolgreich ist, kann sich ganz anders am Markt verhalten, als jemand, der sich erst sein Geschäft aufbauen muss. Viel interessanter ist es daher Biographien zu lesen und zu lernen, was Menschen erfolgreich gemacht hat. Man sollte sich also an dem Entstehungsprozess orientieren, nicht an einem momentanen Zustand. Aber auch solche Prozesse kann man nicht 1:1 kopieren. Vielmehr muss man die dahinterliegende Idee begreifen und auf die eigene Lebenssituation übersetzen. So ein Prozess benötigt Zeit und verläuft meistens nicht gerade.

„Aus Biographien lernen“ ist ein gutes Stichwort. Wie kamen Sie dazu, Coaching-Ausbildungen anzubieten und wie verlief Ihre erste Coaching-Ausbildung?

Eigentlich wollte ich ja nie als Trainer oder gar als Ausbilder arbeiten. Dass es dennoch dazu kam, war ein Zufall. Damals trat eine größere Unternehmensberatung mit der Frage an mich heran, ob ich ihre Berater zu Coaches ausbilden könnte. Spontan hätte ich fast nein gesagt, aber ich bat mir etwas Bedenkzeit aus. Je intensiver ich mich mit der Idee beschäftigte, desto interessanter fand ich dann die Herausforderung. Zusammen mit meinem Kollegen Andreas Steinhübel konzipierte ich daher ein Modell für eine Ausbildung, die wir der Unternehmensberatung präsentierten. Grundsätzlich gefiel denen das, aber dummerweise war zu dem Zeitpunkt gerade der Deutschlandchef gegangen worden und der Nachfolger wollte dessen Projekte nicht fortsetzen. Nun hatten wir also viel Herzblut in ein Konzept investiert, von dem wir sehr überzeugt waren, aber keinen Auftrag. Daher boten wir die Ausbildung auf dem freien Markt an, ohne abschätzen zu können, ob das überhaupt angenommen wird. Wurde es aber und die erste Ausbildung war ein voller Erfolg mit tollen Teilnehmern, zu denen ich bis heute Kontakt habe. Das hat uns dann so beflügelt, dass wir weitergemacht haben. Inzwischen sind wir schon bei der Ausbildungsgruppe 32 angekommen. Die Zeit ist wie im Flug vergangen.

Das Coaching-Magazin feiert in diesem Jahr 5-jähriges Jubiläum. Haben Sie, als Sie die erste Ausgabe veröffentlichten, daran geglaubt, dass ein so spezifisch ausgelegtes Magazin überlebt?

Ja, sonst hätte ich das nicht gemacht. An dem Erfolg meines Coaching-Newsletters – er hatte damals schon über 25.000 Abonnenten – konnte ich sehen, dass es genügend Menschen gibt, die Interesse an dem Thema haben. Der Markt war also inzwischen groß genug für eine eigene Zeitschrift. Wir waren damals auch in Verhandlung mit einem Verlag, aber die trauten sich nicht. Da haben wir es alleine umgesetzt. Wenn die Zeit für eine Idee gekommen ist, darf man nicht zaudern. Letztlich passte das Coaching-Magazin auch gut zu der Idee meiner Firma, alles rund um das Coaching anzubieten, also ein wirklicher Full-Service-Anbieter zu sein. Da muss man auch bereit sein, unternehmerische Risiken einzugehen. Nicht nur Coach zu sein, sondern Coaching-Unternehmer hat mich schon immer angesprochen. Und es hat den angenehmen Nebeneffekt, mit meinen Klienten, die oft auch Unternehmer sind, auf Augenhöhe arbeiten zu können.

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