Eines der Dinge, die viele Mediziner stören, ist, dass alternative Behandlungsmethoden wie die Homöopathie fortbestehen, obwohl es keine glaubwürdige wissenschaftliche Begründung für ihre Verwendung gibt, und dass es trotz ihrer 200-jährigen Geschichte keine guten Beweise für ihre Wirksamkeit gibt (Australian Government National Health and Medical Research Council, 2015; European Academies' Science Advisory Council, 2017).
Es gibt mehrere Gründe dafür, dass Menschen weiterhin homöopathische Mittel verwenden. Ein wichtiger Grund ist, dass Patienten, die homöopathische Präparate erhalten, im Durchschnitt eine Verbesserung ihres Gesundheitszustandes bemerken. Sie glauben dann natürlich, dass die Homöopathie für die positive Entwicklung verantwortlich ist.
Die überwiegende Mehrheit der homöopathischen Ärzte sind gute Menschen, die für ihre Patienten nur das Beste wollen. Sie beobachten einzelne Patienten, deren Zustand sich verbessert, und ganz natürlich kommen auch sie zu dem Schluss, dass die Homöopathie dafür verantwortlich ist. Sie behandeln ihre Patienten daher weiterhin mit einem Ansatz, der wissenschaftlich gesehen keinen Wert hat.
Das mag etwas verwirrend klingen. Es wurde gesagt, dass Homöopathie aus wissenschaftlicher Sicht unwirksam ist, dennoch erzielen viele Patienten, die homöopathisch behandelt werden, gesundheitliche Verbesserungen. Wie kann das sein? Die Gründe sind wichtig und müssen auch von Coaches berücksichtigt werden, wenn sie herausfinden wollen, ob der Coaching-Ansatz, den sie verwenden, für ihre Klienten von Nutzen ist. Im Gegensatz zur Homöopathie basiert das Coaching größtenteils auf guten wissenschaftlichen Grundlagen, einschließlich psychologischer Prinzipien. Es fehlt jedoch eine starke Evidenzgrundlage für einen Großteil des Coachings.
Es gibt drei wichtige Faktoren, die Homöopathen in die Irre führen: die Regression zum Mittelwert, die Auswirkungen gleichzeitiger Ereignisse und Placeboeffekte (Goldacre, 2009). Diese Faktoren werden auch hinsichtlich vieler Vorteile von Bedeutung sein, die dem Coaching von Klienten und Coaches zugeschrieben werden (George & Passmore, 2019).
Die Regression zum Mittelwert ist ein wichtiges und unterschätztes statistisches Prinzip (Kahneman, 2011; Farnam Street, 2019). Es ist am besten zu verstehen, wenn man Daten betrachtet, die im Laufe der Zeit variieren, z.B. die Menge an Strom, die man an einem Tag verbraucht. Hierfür gibt es einen Mittelwert, um den die Daten variieren. An manchen Tagen verbraucht man mehr Strom als sonst, an anderen Tagen weniger.
Wenn man einen Tag nimmt, an dem man viel mehr Strom verbraucht als normal, und dann ein paar Tage wartet, stehen die Chancen gut, dass die Menge an Strom, die verbraucht wurde, wieder fällt. Denn Extremwerte sind selten, und so sinkt statistisch gesehen die Stromaufnahme. Ähnlich verhält es sich mit einem Tag, an dem man viel weniger Strom verbraucht hat. Wahrscheinlich wird ein Anstieg des Verbrauchs in den nächsten Tagen zu beobachten sein.
Der Grund, warum dieses Prinzip bei der Betrachtung von Homöopathie und Coaching wichtig ist, besteht darin, dass Menschen eher homöopathische Mittel einnehmen, wenn sie krank sind, und dass sie eher ein Coaching in Anspruch nehmen, wenn es ein Problem gibt, an dem sie arbeiten wollen. Sie befinden sich nicht im Mittel (sie sind krank oder haben ein Problem) und mit der Zeit werden sie wahrscheinlich wieder in Richtung Mittelwert zurückkehren. Wenn sie ein homöopathisches Mittel einnehmen, wird sich ihre Erkrankung (im Durchschnitt) verbessern, obwohl die Wirksamkeit der Homöopathie angezweifelt wird. In Bezug auf Coaching bedeutet das: Ihr zugrunde liegendes Problem wird möglicherweise auch dann gelöst oder erleichtert, wenn sie kein Coaching hatten.
Der Mittelwert kann im Laufe der Zeit variieren. Isoliert man sein Haus, kann der mittlere Stromverbrauch sinken. Es kann saisonale Schwankungen in der durchschnittlich verbrauchten Strommenge geben. Will man herausfinden, ob Medizin oder Coaching funktioniert, sind Mittelwertänderungen von den statistischen Schwankungen um diesen Mittelwert zu trennen.
Das Leben eines Menschen geht auch dann weiter, wenn dieser mit Homöopathie behandelt wird. Wenn er das Mittel einnimmt, kann er sich ausruhen oder freinehmen. Das kann ihm bei der Genesung helfen. Sein Gesundheitszustand kann sich allein durch den natürlichen Verlauf der Krankheit verbessern. Der Nutzen, den diese gleichzeitig zur Behandlung stattfindenden Ereignisse mit sich bringen, wird von vielen Patienten der Homöopathie zugeschrieben werden.
Das Gleiche kann für das Coaching gelten. Alle Coaches wissen, dass ihren Klienten außerhalb der Coaching-Sitzungen viel passiert, was sich auf ihren Fortschritt auswirken kann. Diese Ereignisse können wichtiger sein als das Coaching selbst.
Der Placeboeffekt ist ein gut verstandenes Phänomen in der Medizin, bei dem die Erwartung des Patienten an die Therapie zu einem Nutzen führt (Benedetti, 2008; Price et al., 2008; Finniss, 2018). In der Medizin wird der Placeboeffekt durch mehrere Faktoren verstärkt, darunter der Stil der Beratung, das Verhalten des Therapeuten und die Art der Intervention (Glare et al., 2018; Meissner & Linde, 2018; Wampold, 2018). Es gibt zweifellos einen starken Placeboeffekt in der Homöopathie, teils aufgrund der Interaktion zwischen Patient und Homöopath, teils aufgrund der Art der Behandlung und der pseudowissenschaftlichen Begründung, die ihr zugrunde liegt.
Coaching hat auch einen Placeboeffekt. Das heißt nicht, dass Coaching nicht funktioniert; in Medizin und Chirurgie wird anerkannt, dass die Wirkung von Interventionen durch den Placeboeffekt verstärkt wird. Es gibt Aspekte des Coachings (z.B. das Ritual des Coachings, die wissenschaftliche Begründung, das Honorar für die Beratung und die Art der Interaktion zwischen Coach und Klient), die dazu beitragen, eine Erwartung beim Klienten zu entwickeln und so einen Placeboeffekt über die direkte Wirkung des Coachings hinaus hervorzurufen.
Einige mögen argumentieren, dass dies alles theoretisch und unwichtig sei. Wenn es Patienten, die homöopathisch behandelt werden, besser geht, dann sei es egal, ob es sich um die Wirkung des Mittels oder um eine Regression zum Mittelwert, einen Placeboeffekt oder die Folgen gleichzeitiger Ereignisse handelt.
Es gibt mehrere Argumente dagegen. Neben den finanziellen Kosten für die Behandlung entstehen auch Opportunitätskosten – die Patienten/Klienten könnten auf eine Intervention verzichten, die angebrachter wäre.
Der zweite Punkt ist die Reputation. Die Homöopathie ist in Wissenschaft und Medizin zunehmend diskreditiert. Im Vereinigten Königreich ist es nicht mehr möglich, homöopathische Arzneimittel zu erhalten, die vom Staat bezahlt werden (Iacobucci, 2017). Das liegt daran, dass es keine Beweisgrundlage gibt. Wenn Coaching ähnlich diskreditiert werden sollte, dann wird es sich auf die Praxistauglichkeit der Coaches auswirken.
Der dritte Punkt ist die kontinuierliche Verbesserung. Wenn Coaches das Beste für ihre Klienten bewirken sollen und wollen, dann müssen sie wissen, welche Strategien und Ansätze wann am effektivsten sind.
Ein letzter Aspekt ist, dass ein vollständigeres Verständnis der Placeboeffekte von Coaching es Coaches ermöglichen könnte, sie zum Vorteil ihrer Klienten besser zu nutzen. Wenn sie die Wirkung der Interventionen erhöhen können, indem sie den Placeboeffekt maximieren, warum sollten sie diese Möglichkeit dann nicht nutzen?
Coaching basiert auf einem starken wissenschaftlichen Fundament. Dies ermöglicht es uns, ein gewisses Maß an Vertrauen in die Strategien und Ansätze zu setzen, die im Coaching eingesetzt werden. Es ist wichtig, dass neue Coaches beispielsweise in Fortbildungen auf diese Grundlagen der Wissenschaft aufmerksam gemacht werden, damit sie neue Ansätze bewerten und ihr eigenes Vorgehen verstehen und reflektieren können.
Coaches müssen auch die Wissenschaft, die ihrem Handeln zugrunde liegt, mit Respekt behandeln. In einigen Publikationen besteht die Tendenz, auf pseudowissenschaftliche Aussagen zurückzukommen, die plausibel klingen, aber wissenschaftlich unbedeutend sind. Das ist gefährlich. Wenn Coaches die wissenschaftlichen Grundlagen ihres Berufsstandes untergraben, dann sind sie nicht besser dran als die Homöopathie, die mit pseudowissenschaftlicher Sprache die Menschen von ihrer Wirksamkeit überzeugen will.
Coaches müssen sich auch mit der wissenschaftlichen Literatur befassen, damit sie die Beweise für das, was sie tun, verstehen und kritisch bewerten können. Dazu gehört auch das Verständnis empirischer Erkenntnisse über die Wirksamkeit verschiedener Ansätze.
Schließlich gilt es, den Umfang der Forschung, die im Coaching-Feld durchgeführt wird, zu erhöhen. Im Jahr 2007 argumentierte einer der Autoren dieses Beitrages, dass die relative Unreife des Coaching-Berufs den Mangel an Beweisen für die Wirksamkeit des Coachings entschuldige (Passmore & Gibbes, 2007). Seitdem gibt es mehr kontrollierte Studien, die sich mit den Auswirkungen von Coaching befassen, allerdings ist die Anzahl der Studien gering und viele von ihnen weisen im Vergleich zu medizinischen Forschungsstudien relativ geringe Teilnehmerzahlen auf. Es existieren zudem fünf Meta-Analysen, die Coaching allesamt positive Effekte attestieren. Darunter findet sich eine Analyse, die den Nutzen von Coaching in einem organisatorischen Umfeld belegt (Theeboom et al., 2014). Eine andere zeigte auf, dass Coaching am Arbeitsplatz effektiv sein kann (Jones et al., 2016). Im Rahmen beider Metastudien wurde kritisch erwähnt, dass die Anzahl der veröffentlichten Arbeiten insgesamt gering ist. Darüber hinaus ist die Qualität der Evidenz dadurch eingeschränkt, dass viele der analysierten Studien keine randomisierten kontrollierten Untersuchungen sind, sondern quasi-experimentelle Feldstudien darstellen (Theeboom et al., 2014; Jones et al., 2016). Diese Mängel im Vergleich zu anderen Feldern (z.B. Beratung und andere Gesprächstherapien) sind nicht akzeptabel. Stattdessen ist von diesen und der medizinischen Wissenschaft zu lernen, wie man gut kontrollierte Studien auch im Coaching konzipiert und durchführt.
Diese Studien sind schwierig, sie erfordern eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Forschern und Praktikern. Universitäten, Berufsverbände, Coaches und Zeitschriften haben alle ihre Rolle bei der Förderung und Unterstützung dieser kollaborativen Studien zu spielen, wenn dies nicht geschieht, läuft die Branche Gefahr, ihren Klienten und sich selbst Schaden zuzufügen.
Die Homöopathie ist eine alternativmedizinische Behandlungsmethode, die auf dem von Samuel Hahnemann formulierten Ähnlichkeitsprinzip beruht. Keinesfalls sollte die Homöopathie mit Naturheilkunde gleichgesetzt oder verwechselt werden.