Von Dr. Bernd Schmid
Wer kennt das nicht. Da war eine hektische Zeit. Klar auch tolle Aufträge und Projekte, aber mal wieder viel zuviel. (Oder viel zu wenig, was ja auch Stress machen kann.) Man hätte sich schon dafür eigentlich klonen lassen müssen. Und dann noch die last minute-Sachen! Einigen, an denen man nicht vorbei kann, fällt es natürlich auch wieder auf den letzten Drücker ein!
Dieses und jenes Treffen. Es soll ja nach dem Urlaub zügig weitergehen. Und vom Schreibtisch kann man so lange eigentlich auch nicht weg, ohne in der einen oder anderen ohnehin verschleppten Sache wenigstens einen Zwischenbescheid zu geben, für gleich nach den Ferien was zu versprechen. Ach ja, während man weg ist, muss ja auch noch mit dem Handwerker und mit der Bank was geregelt werden, dass da nichts aus dem Ruder läuft. Und großmütig nennt man jedem den ersten Arbeitstag nach den Ferien. Da ist man ja gleich wieder voll im Schwung und hat Zeit.
So, der Start in die Freizeit hat sich zwar mal wieder verzögert! Aber geschafft! Die Heckwelle an Vor-Freizeit-Stress hat einen dann doch wieder ganz schön fertig gemacht. (Die Nach-Freizeit-Bugwelle kommt dann später und schwemmt wieder die ganze Erholung weg.)
Jetzt entspannen und gleich heute Abend was zum genießen. Aber man ist halt doch ganz schön fertig, wie soll man da genießen?
Eigentlich ist einem die geplante Feier, die Verabredung mit den Freunden auch schon zuviel. Lieber Absagen! Lieber was Ruhiges! Vielleicht ein Theaterabend? Bloß, damit man im 2. Akt wieder einschläft? Und dann bis man da hinkommt, wieder unterwegs. Lieber zuhause bleiben. Eigentlich ist außer Krimi nicht viel drin. Manche würden sich am liebsten die Decke über den Kopf ziehen und wenn sie nicht so ausgelaugt wären, könnten sie glatt heulen. Schöne Ferien!
Dabei wollte man doch soviel Schönes tun und erleben, doch die Erlebnisfähigkeit ist abhanden gekommen. Innere Leere! Man tut vielleicht, was einem sonst Freude gemacht hat, aber alles geschieht wie hinter einer Glaswand. Man gibt das ja nicht gerne zu, will sich und andere nicht enttäuschen. Vielleicht lauert sowieso der beschämende Vorwurf "Du bist erfolgs-, macht- oder arbeitssüchtig!" Aber tatsächlich! Das einzige, was man bei diesem inneren Ausgehöhlt sein manchmal noch am besten kann, ist weitermachen oder sich in irgendeine neue Geschäftigkeit stürzen. Dazu muss man nicht schwingungsfähig sein. Was ist bloß los? Jetzt könnte man voll ganz ins Loch fallen, an allem und allen verzweifeln. Meine Diagnose: Entlastungsdepression! Auch hochinteressante Arbeit erschöpft, wenn man zu viel mit zu wenig Erholung davon genossen hat. Das merkt man allerdings lange nicht, weil es sich zuerst in der Verminderung der Erlebnis- und Beziehungsfähigkeit in weniger interessanten und energetischen Bereichen niederschlägt. Erst nach und nach höhlt man auch in Bereichen aus, in denen man besonders motiviert und mit hoher Energie unterwegs ist.
Doch auch dort geht das nicht gleich auf die Funktionsfähigkeit, sondern auf die Schwingungsfähigkeit im Bereich der feinen und hintergründigen Schwingungen.
Dieser Bereich ist aber entscheidend für die Orientierung in sensiblen Fragen und für die Erhaltung des Sinns dessen, was man tut und erlebt. Wenn die Tuchfühlung damit verloren geht, breitet sich die Erschöpfung leichter aus. Besinnliche Phasen helfen daher mit Kraft und sensibler Beweglichkeit auf sinnstiftenden und als sinnvoll empfundenen Wegen unterwegs zu sein. Schleichend gleiten wir manchmal in Besinnungslosigkeit, die wir mit Steigerung von Intensität zu kompensieren versuchen. Klappt auch lange und ist auch nicht schlimm, wenn wir verantwortlich mit dieser vorübergehenden Überlastung umgehen und wissen, dass wir einen Ausgleich schaffen müssen. Extra Besinnungszeit ist also angesagt, doch haben wir zunächst das Problem, dass sich Besinnungsfähigkeit genauso langsam erholt, wie sie vorher schleichend verloren gegangen ist. Je mehr wir in Besinnungslosigkeit geraten sind, desto mehr erwartet uns zuerst besagte Entlastungsdepression. Wer schon versucht hat vertrocknete Topfpflanzen zu gießen, weiß, dass sie zunächst fast unfähig sind, Wasser aufzunehmen. Erst nach und nach nehmen sie genug Feuchtigkeit auf, um das Gießwasser auch wieder besser halten zu können.
Manchmal steigert und verselbständigen sich solche Dynamiken ins Tragische. Statt sich den Signalen der Depression und dem manchmal schmerzlichen aber gesunden Prozess der Erholung zu stellen, kann man aus Angst vor dem Absturz, in der Hoffnung, Einbrüche im Befinden und in der Selbstwertgefühlen zu vermeiden, sich in immer mehr Kicks, immer großartigeres Verhalten und Erleben flüchten. Es geht einem dann zunehmend schlechter, aber zugegeben, man fühlt sich dann wirklich besser, aber eine solche Manie kann den Sturz in ernsthafte Depressionen mit Krankheitswert und entsprechende Entgleisungen in Sucht und Krankheit führen. Manche versuchen zur Vermeidung eines ungeliebten Flughafens und dann später aus Angst vor einer drohenden Bruchlandung, solange in der Luft zu bleiben bis der Sprit alle ist. Erfreulicherweise ist dies der Extremfall.
Der Begriff Entlastungsdepression kann missverstanden werden. Es ist ja nicht so, dass man durch die Entlastung depressiv wird, dort zeigt sich das Ausgebranntsein bei Entlastung oft überraschend. Je heftiger die Entlastungsdepression, desto mehr war man davor längst in einem Zustand, der agierte Depression genannt wird. Wie oben beschrieben ist es die allmähliche Aushöhlung, die Depression genannt wird. Depressive Gefühle bekommt man erst, wenn man sich der Depression freiwillig oder zwangsweise stellt. Kennt man die Zusammenhänge und weiß, dass diese Gefühle zur Erholung gehören, kann man diese Phase einigermaßen gelassen durchleiden. Man konsolidiert gewissermaßen den seelischen Haushalt, indem man für das vorige Funktionieren auf Kredit bezahlt. Dann taucht man allmählich wieder auf und findet Sensibilität, Schwingungsfähigkeit und Kreativität wieder. Man findet wieder zu sich selbst. Nächstes mal kann man dann auch was anders machen: "Geh’ ich bei Zeiten in die Leere, komm’ ich aus der Leere voll. Wenn ich mit dem Nichts verkehre, weiß ich wieder, was ich soll!" (Brecht)
Wenn man über die Zusammenhänge Bescheid weiß, kann man für den eigenen Haushalt besser Verantwortung übernehmen, man kann auch mit den betroffenen Mitmenschen besser darüber sprechen und sich in der Steuerung solcher Prozesse abstimmen. Gerade mit nahen Mitmenschen, die womöglich in ihrer Weise ähnliche Steuerungsprobleme haben, bekommt man sich in der Entlastungsdepressionsphase gerne "in die Wolle". Aufgestaute Bedürfnisse brechen auf und man neigt dazu, sich gegenseitig zu verdächtigen, nicht das zur Befriedigung notwendige beizutragen. Streiten kann man sich auch in depressivem Zustand und manchmal scheinen die damit verbundenen Gefühle besser als das Erleben der Depression. Das ist dann einfacher als sensible Klärung der Situation. Denkbar wäre als Alternative, sich ohne wechselseitige Vorwürfe gemeinsam an die Sanierung des seelischen Haushalts zu machen.
Wäre das nicht eine gute Art Weihnachten (also die Zeit der geweihten Nächte) zu gestalten?
Dr. phil. Bernd Schmid (Senior Coach DBVC) leitet das Institut für systemische Beratung (seit 1984) in Wiesloch, Deutschland.
Adresse:
Institut für systemische Beratung
Schlosshof 3
D-69168 Wiesloch
Tel: 062 22 - 81 880
Fax: 062 22 - 51 452
Drei neue Werke beschäftigen sich mit Coaching-Fällen und -Fallen:
Das Buch "Selbstcoaching für Manager" von Felicitas von Elverfeldt könnte daher auch "13 typische Probleme von Führungskräften" heißen und der Untertitel könnte lauten: "Ratschläge für den Manager und seinen Coach". Nun sollte ein Coaching idealerweise eben nicht nur aus Ratschlägen bestehen, dennoch ist das vorliegende Buch lesenswert, da es kurz und prägnant typische Situationen im Coaching beschreibt (z.B. Umgang mit Individualität, Gewinnen einer realistischen Selbsteinschätzung, Umgang mit Perfektionismus, Erlernen von Geduld, Ausüben von Macht uvm) und konkrete Anregungen gibt, wie damit umgegangen werden kann. Das Buch ist gut lesbar und verständlich geschrieben und mit insgesamt 127 knapp, aber nicht zu knapp gehalten.
Elverfeldt, Felicitas von (2005). Selbstcoaching für Manager: Zürich: Orell Füssli.
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3280051436/cr
"Der Beginn von Coachingprozessen" heißt das Gemeinschaftswerk von gleich sechs Autorinnen und Autoren. Insgesamt 11 Coaching-Fälle aus der Zusammenarbeit der VW-Coaching-Abteilung mit externen Beratern werden in dem Buch vorgestellt. Das Interessante daran: Zu jedem Fall werden neben der Fallschilderung Kommentare von den Autoren abgegeben, es wird der jeweilige theoretische Hintergrund erläutert und schließlich wird (bis auf zwei Ausnahmen) berichtet, wie der Fall weiter real abgelaufen ist. Die Fälle sind alle sehr lesenswert und es wird deutlich, dass hier echte Fälle aus der Praxis dargestellt wurden. Als Randbemerkung sei zum Schluss erlaubt: Neben dem Vorwort von Coaching-Pionier Dr. Wolfgang Looss (http://www.coach-datenbank.de/coach_details.asp?userid=20) ist in dem Buch ein kurzes Geleitwort von dem inzwischen bei VW in Ungnade gefallenen Peter Hartz enthalten.
Billmeier, Reinhard; Kaul, Christine; Kramer, Michael; Krapoth, Sebastian; Lauterbach, Matthias; Rappe-Giesecke, Kornelia (2005). Der Beginn von Coachingprozessen. Vom Fall zum Konzept. Bergisch-Gladbach: Edition Humanistische Psychologie.
www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3897970341/cr
"Brief Coaching: Taken More Seriously" heißt die englischsprachige DVD von Dr. Peter Szabó und Insoo Kim Berg. In fünf Teilen mit einer gesamtlänge von ca. 55 Minuten wird der Fall "Jonathan" dargestellt. Jonathan ist Gründer und Geschäftsführer eines Unternehmens, das bereits seit 10 Jahren existiert. Stark eingenommen vom Tagesgeschäft ist es sein Ziel, durch das Coaching endlich seinen lang gehegten Lebenszielen näher zu kommen. In der ersten Coaching-Sitzung wird Jonathan von seinem Coach dabei begleitet, seine Ziele, Ressourcen und ersten Schritte zu erkennen. Im Interview nach der Coaching-Session wird erläutert, welche Aspekte für den Klienten besonders hilfreich waren. Eine Follow-up-Session demonstriert die weiteren Fortschritte, die nach dem Coaching eingetreten sind.
Frau Dominique Michel-Peres von der Harvest Consultancy, München, führt eine Befragung zum effektiven Coaching aus Sicht der Klienten durch. Ziel der Befragung ist es, Qualitätskriterien in Coaching-Prozessen zu identifizieren, ohne nur auf Sicht von Auftraggebern oder Coachs angewiesen zu sein. Wer also gecoacht wurde oder wird, kann bei der Erforschung des Coachings helfen und online einen Fragebogen ausfüllen:
Weitere Informationen und Kontakt:
Dominique Michel-Peres, Dipl.-Psych.
Harvest Consultancy
Kaiserstr. 13
80801 München
Tel. 089-33066859
Bereits im letzten Coaching-Newsletter wurde über die Möglichkeit berichtet, dass Prof. Dr. Harald Geißler drei Team- und Projekt-Coachs die kostenlose Erstellung eines Coach-Gutachtens anbietet.
Das Angebot der kostenlosen Gutachtenerstellung wurde bisher erst von einer Person angenommen, d.h. es sind noch zwei kostenlose Begutachtungen möglich. Interessenten können über die folgende Adresse Kontakt zu Prof. Geißler aufnehmen.
Weitere Informationen & Kontaktadresse:
Univ.-Prof. Dr. Harald Geißler
Helmut-Schmidt-Universität
Universität der Bundeswehr
Holstenhofweg 85
22043 Hamburg
Tel.: 040 - 6541-2840 oder -2355
E-Mail: Harald.Geissler@hsu-hh.de
Am Sonntag, den 20.11.2005, 13:06 Uhr, konnte der Coaching-Newsletter den 20.000sten Abonnenten verzeichnen. Bisher sind 52 Ausgaben des Coaching-Newsletters erschienen. Der erste Coaching-Newsletter von Christopher Rauen wurde im Juni 2001 an 310 Abonnenten versendet. Nach 4,5 Jahren konnte diese Zahl mehr als versechzigfacht werden. Statistisch gesehen gewinnt der Newsletter alle zwei Stunden einen neuen Abonnenten hinzu. Genau genommen sind es sogar noch mehr, jedoch veralten gleichzeitig manche E-Mail-Adressen und müssen aus dem Verteiler entfernt werden. Insgesamt ist die Fluktuation jedoch sehr gering, denn nur sehr selten wird der Newsletter wieder abbestellt: 95% aller Abonnenten bleiben dem Newsletter treu, nur 5% bestellen ihn letztlich ab. Ohne dieses große Maß an Verbundenheit und der Bereitschaft, den Newsletter weiterzuempfehlen, wäre dieses Ergebnis nicht erreichbar gewesen. Dies soll auch weiterhin Verpflichtung dafür sein, mit dem Newsletter interessante und fundierte Informationen anzubieten, was vielleicht nicht immer und für alle, jedoch hoffentlich oft genug und für die meisten Leserinnen und Leser der Fall war.
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