Die KI, genauer gesagt der GPT kann Fragen „verstehen“ und darauf Antworten kreieren (und das in fast jeder gewünschten Sprache). Doch was heißt GPT eigentlich? ChatGPT4 sagt dazu: „Generative Pre-trained Transformer, ein fortschrittliches KI-Modell, das auf der Transformer-Architektur basiert, auf großen Datenmengen vortrainiert wurde und in der Lage ist, neue, zusammenhängende Texte zu generieren.“
Seit Monaten entwickelt die isb-GmbH eine KI-Assistenz und hat sie ihrem Netzwerk und der Öffentlichkeit im Oktober 2023 unter dem Namen isbGPT zur Verfügung gestellt. Die Daten stammen von der isb-Website und dem digitalen isb-Campus mit hunderten von Dokumenten, Audios, Videos und allerlei Zugriffs- und Nutzungsmöglichkeiten. Der GPT bietet nun den Mehrwert, dass mittels Zugriff auf dieses Knowhow direkt Dialog gehalten werden kann, ohne dass man die Funktionsweise des isb-Campus verstehen muss.
Welches Knowhow dabei zum Zuge kommen soll, mit welcher Mentalität, mit welchen Verständnissen der Welt, mit welchen Konzepten und mit welchem Duktus der GPT dabei aufwartet, wird dem Modell antrainiert. Wie in jeder produktiven Beziehung müssen die Partner voneinander lernen, so reifen beide Seiten. Die Anbieter lernen, wie der isbGPT trainiert und ausgerichtet werden muss, dass er optimal auf die Nutzer eingehen kann. Die Nutzer lernen, realistische Erwartungen hinsichtlich dessen zu haben, was abgefragt werden kann.
Leider kann der isbGPT nicht hellsehen oder nicht gestellte Fragen erraten oder notwendige Hinterfragungen ahnen. Die Nutzerinnen sollten also in der Verantwortung bleiben und verstehen, was ihnen die KI zwar erleichtern, aber nicht abnehmen kann. Wie im richtigen Leben muss gute Assistenz verstanden, gewürdigt und kompetent genutzt werden.
Der GPT ist uns Menschen im Management von Daten haushoch überlegen. Dafür können wir etwas, worüber Maschinen (noch) nicht verfügen: Intuitions- und Motiv-gesteuert handeln, Verantwortung übernehmen und dies wollen oder ablehnen sowie aufgrund biographischer und kultureller persönlicher Erfahrung in einzigartiger Weise Urteilsfähigkeit zur Verfügung stellen.
Sicher wird KI lernen, solche Fähigkeiten zu simulieren und manche Simulation wird besser sein als so manche Beiträge wenig qualifizierter menschlicher Originale. Aber auf höherem Niveau müssen die Möglichkeiten der KI als begrenzt angesehen werden.
Der Mensch wird unentbehrlich bleiben, aber unter der Voraussetzung erheblicher Bildungs- und Entwicklungsanstrengungen. Augenhöhe mit KI gibt es nicht per evolutionärer Freikarte, sondern wird immer wieder neu vermessen und durch Qualifikation erworben werden müssen.
KI fordert Menschen heraus, ihre Fähigkeit zur Eigenregie und -verantwortung durch Schulung emotionaler, intuitiver und moralischer Intelligenz zu steigern, wollen sie nicht zum Spielball der möglichen von KI beherrschten Wirklichkeitsdimensionen werden. Der isbGPT kann helfen, sich dieser Herausforderung zu stellen.
Zwei am isb verwendete Konzepte zu Wirklichkeitsräumen sollen diese Position kurz illustrieren: die Typologie von C.G. Jung und das Dialogmodell der Kommunikation des isb.
C.G. Jung postuliert zwei direkte Zugänge zur Realität (gemäß Schmid, 2024a): nämlich die Wahrnehmung der bestehenden Realität und das Erahnen möglicher Realitäten. Naheliegenderweise kann KI sich nur auf ersteres beziehen, sie kann Intuitionen nur erfassen, wenn sich diese aus Vorhandenem ableiten lassen.
Viele Orientierungen von Menschen beziehen sich aber auf ein „Gespür für das Mögliche“. Wenn es einen solchen Möglichkeitssinn gibt, der über Neukombinationen von Vorhandenem hinausreicht, befindet er sich außerhalb des Wirklichkeitsraumes von KI. Für das „in der Luft Liegende“ gibt es keine trainierbaren Daten.
Darüber hinaus postuliert Jung zwei Möglichkeiten, das durch die Sinne für Manifestes und Potentielles Identifizierte zu verarbeiten: Dies sind gedanklich ordnen und gefühlsmäßig werten. Gedanklich ordnen kann KI vermutlich besser, gefühlsmäßig werten wohl kaum.
Ein wesentlicher Teil von Denken umfasst, eine intellektuelle Ordnung für gewonnene Empirie und Ahnungen zu schaffen. Gefühlsmäßiges Bewerten ist die psychische Funktion, die den Erfahrungen und Ahnungen Gehalt zuweist, also z.B. Wertverlust oder -gewinn erkennt. Wirklichkeiten werden auf eine gefühlsmäßige Goldwaage gelegt, um zwischen mehr oder weniger sinnvoll zu unterscheiden.
Für die Gewichtung spielt so etwas wie eine innere Stimme oder ein Bauchgefühl eine wichtige Rolle. Inhaltlich Richtiges kann sich als nicht sinnvoll und Sinnvolles als nicht inhaltlich richtig erweisen. Erst die Kombination von beiden Ebenen erbringt eine solide persönliche Beurteilung.
Intuition und gefühlsmäßiges Werten haben mit der Biologie und der Biografie von Menschen zu tun. Allerdings gibt es Ansätze, durch das Sammeln von persönlichen Daten digitale menschliche Klone herzustellen. Und je schematischer und gewohnheitsmäßiger Menschen unterwegs sind, umso mehr können sie durch KI auch simuliert werden. Doch bleibt ein entscheidender Rest, der nicht wirklich durch KI ersetzt werden kann.
Begrenzungen von KI gibt es auch bei Begegnung und Dialog. Menschen können im persönlichen Kontakt einander „lesen“, verarbeiten dabei Einflüsse aus dem Hintergrund sowohl beim Gegenüber als auch bei sich selbst (gemäß Schmid, 2024b). Die Einflüsse auf die Begegnung sind oft unbewusst und erklärender Sprache nur begrenzt zugänglich. Sie spielen aber bei der Wirklichkeitsgestaltung in Beziehungen oft eine entscheidende Rolle im Guten wie im Schlechten.
Künstliche Intelligenz kann zwar lernen, unbewusste Signale zu erkennen und in die bewusste Kommunikation einzubeziehen. Ihnen Bedeutung zuzuordnen, ist aber eine andere Sache. Menschen können lernen, solche Bedeutungen zu begreifen und ihre wirklichkeitsbestimmende Wirkung zu spüren. Hintergründe aller Art erzeugen Resonanzen und machen so die Ober- und Untertöne der Beziehungsmusik. So kann Hintergründen ein angemessener Platz in der aktuellen Begegnung passend zu Rollen und Kontext der Beziehung zugewiesen werden.
Letztlich bleiben menschliche Begegnungen unergründet, was sie unberechenbar, aber auch einmalig macht. Diese Offenheit über das Berechenbare hinaus ist Ursprung wesentlicher menschlicher Erfahrung und Entwicklung.
Es soll nicht ausgeschlossen werden, dass es auch eine Evolution ohne Biologie und damit über den Menschen hinaus geben kann, doch noch bleibt Evolution in gewisser Weise auch ein Wunder. Und Wunder schaffen kann KI auch nicht.
Ob obige Überlegungen letztlich gute Nachrichten für Coaches sind, muss offen bleiben. Die Beziehung zwischen Coach und Klient ist bekanntermaßen ein wichtiger Wirkfaktor. Diese Beziehung hochwertig und menschlich zu gestalten, bleibt vorerst der persönlichen Begegnung vorbehalten. KI bzw. GPT-Modelle sind mächtige Werkzeuge, die dabei helfen, Unzulänglichkeiten zu überbrücken und umfassende Qualität zu entwickeln. Unvermeidbar sind sie eh. Also sollten Coaches die darin liegenden Chancen nutzen.