Kontrovers

Marketing im Coaching

Versprich nicht, was du nicht halten kannst

Werbung ist notwendig. Schließlich muss auch ein Coach auf sich aufmerksam machen, um aus der breiten Masse hervorzustechen. Wie, dafür gibt es zahlreiche und unterschiedliche Wege. Schlecht ist jedoch, wenn dies über Methoden passiert, die man durchaus als unlauter bezeichnen kann. Eine solche Methode ist das Erfolgs- oder gar Heilsversprechen, das gegeben wird, ohne vorher das Anliegen oder den Klienten zu kennen.

9 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 4 | 2016 am 23.11.2016

Man kannte sie im alten Ägypten, wo Marktschreier ihre Waren anpriesen, in Babylon, wo Hersteller auf steinernen Tafeln ihr Produkt darstellten und in Pompeji, wo großflächige, an Hauswände gemalte Anzeigen über Topfwaren und Badehäuser informierten: Werbung gibt es nicht erst seit Einführung des Fernsehens. So glauben wir zwar, wir lebten in einem Zeitalter der nichtversiegenden Werbeflut. Nur könnten das Menschen anderer Epochen ebenso für sich beanspruchen: Jemand aus dem späten 16. Jahrhundert hätte wohl ganze Dörfer mit Werbeflugblättern bekleben können, eine Person des beginnenden 20. Jahrhunderts könnte sich über mehr Reklame als Inhaltstext in manch einer Zeitung beschweren und die durch Lichtwerbung taghell erleuchtete Nacht einer Metropole wie Berlin oder New York beklagen. 

Werbung hat also seit jeher den Sinn und Zweck, potentielle Interessenten auf das eigene Produkt bzw. die eigene Dienstleistung aufmerksam zu machen und sie optimaler Weise zum Kauf zu bewegen. Schließlich soll der mögliche Kunde seine Brötchen bei mir kaufen, sein Kinoticket bei mir lösen, sein neues Auto bei mir bestellen und nicht beim Konkurrenten zwei Straßen weiter. Gleiches gilt für Anbieter von Coachings und Coach-Ausbildungen, wenn es auch hier eine deutlich schwierigere Ausgangslage gibt, als beim Bäcker oder Autohersteller.

Schönheit statt Inhalt?

Während der Bäcker mit Geschmack, Gesundheit und Preis locken und der Autohersteller sein Produkt mit brillanten Bildern von Exterieur und Interieur, versehen mit ein paar für den Kunden gefälligen Zahlen zu Verbrauch usw., präsentieren kann, sollte der Coach in aller Regel auch noch erklären, und zwar: Welchen Coaching-Ansatz er vertritt, wie in etwa ein Coaching bei ihm abläuft, welche Kompetenzen, Qualifikationen und Referenzen er hat, ggf. welche Methoden er anwendet. Beispiele, wie Homepages von Coaches ohne die genannten Informationen aussehen, gibt es einige – und sie sind auffallend ähnlich und zwar wie folgt.

In aller Regel handelt es sich um eine optisch sehr ansprechend gestaltete Seite – mit Fotos des Coachs in verschiedenen Positionen und mit einigen Schmuckbildern, die Anzugträger in unterschiedlichen Gruppierungen darstellen und die allgemein einen Eindruck der Business-Welt vermitteln. Die Seitenführung ist gut, man gelangt schnell und ohne Umwege zu den Punkten, die man sucht. Doch steht dann unter „Schwerpunkt“ bzw. „Spezialisierung“, „Leistung“ oder schlicht „Coaching“ folgender Tätigkeitsschwerpunkt: Coaching, eventuell versehen mit den Präfixen „Einzel“, „Gruppen“, „Individual“ oder „Business“. Weitere Angaben sucht man vergebens. Gilt hier Schönheit vor Inhalt, Schein vor Sein? Das wäre ein äußerst fataler Schluss eines potentiellen Klienten für den Coach!

Zwar kann es sein, dass Interessenten ein derartiger Auftritt zusagt und er sie emotional anspricht – und die emotionale Ebene ist bei der Auswahl eines Coachs keineswegs zu unterschätzen, denn nur wenn einem das Gegenüber sympathisch ist, kann eine vertrauensvolle Beziehung entstehen (Schulz, 2010). Nur sollte man zweierlei bedenken. (1) Für über 50 Prozent der Klienten ist die Homepage des Coachs die erste Anlauf- und Informationsstelle (Grabow, 2013). (2) Die Ergebnisse einer Studie von Lorenz & Webers (2015) verdeutlichen, dass Coaching-Einkäufer sowie -Klienten großen Wert auf Angaben zu Spezialisierungsgebieten, Referenzen, Kompetenz und Erfahrung legen – finden sie diese nicht, so klicken sie weg.

Inhalt statt Struktur?

Die genannte Studie hat allerdings noch ein anderes Ergebnis. Zu viel Information, zu viel „Fachchinesisch“ und ein allzu umfassendes Darstellen von Methoden und Konzepten schrecken mögliche Klienten ab, da es eine „einfache, intuitive Entscheidung erschwere“ (ebd.). Interessant ist, dass es im Kontrast zu den genannten Homepages mit mehr Bild als Wort eine nahezu identische Anzahl an Internetauftritten zu geben scheint, die vor Information schlicht überquellen. Auch diese Homepages haben sehr auffallende Ähnlichkeiten.

In aller Regel wirken sie eher altbacken, haben öfters eine eher gewöhnungsbedürftige Farbgebung, aufgrund dessen die Texte erschwert lesbar sind. Die Informationsfülle dabei ist überwältigend: Coaching wird definiert, Methoden und Konzepte akribisch dargestellt. Dabei gibt es unzählige Querverbindung zu vielen weiteren Themen, die mit Coaching zusammenhängen (wobei manchmal nicht ganz klar wird, wie), sodass ein Unterpunkt des Unterunterpunkts zum anderen führt – und der Besucher nicht mehr weiß, wo er ist: Ist es nun eine reine Info-Seite zum Thema Coaching oder die Präsentation eines Coachs, der damit Klienten ansprechen will? Das Problem ist nicht die Informationsfülle, sondern die fehlende Strukturierung des Materials, das augenscheinlich über Jahre angewachsen ist.

Es gilt – und das ist wahrlich keine neue Erkenntnis – den Mittelweg zu finden. Gefälliges Design, angenehme Bilder zwecks emotionaler Ansprache, klare Struktur, die wichtigsten Informationen kurz und bündig serviert und tiefergehendes Material so gegliedert, dass es den Besucher nicht umwirft.

Viel versprochen, nichts gehalten

Allein schon aufgrund der zunehmenden Konkurrenz durch immer mehr Coaches auf dem Markt ist es zwingend, sich gut zu präsentieren, seine Dienstleistungen ins rechte Licht zu rücken. Denn die Branche wuchert, alles wird zu „Coaching“, jeder zum „Coach“. Treffend beschreibt Kuntz (2015; 50) das Auftreten von selbsternannten Beratern, die im Laufe der Zeit zu „Trainern und Beratern“ wurden, um sich dann in „Trainer, Berater und Coaches“ selbst zu wandeln, als „heimtückische Seuche“, die eine notwendige Spezialisierung zugunsten der vermeintlich gefragten aber inhaltsleeren Bezeichnungen aufgibt.

Um hier hervorzustechen bedienen sich manche statt klarer Positionierung, Spezialisierung und Kompetenzdarstellung gelinde gesagt fragwürdiger Marketingmethoden. Es geht dabei stets um ein vorab erteiltes (Heils-)Versprechen, das in Zusammenhang mit dem Coaching gegeben wird – ohne mit dem Klienten ein Erstgespräch geführt zu haben, ohne das Anliegen geklärt zu haben. Diese Versprechen unterscheiden sich graduell voneinander und werden auf ähnliche Weise angepriesen, wobei man deutlich einräumen muss, dass solcherlei „Angebote“ lediglich einen sehr kleinen Teil des breiten, in aller Regel als seriös zu bewertenden Angebots ausmachen. Im Folgenden sollen drei Grade an Coaching-Versprechen näher betrachtet werden.

Grad 1: Ihr Anliegen wird gelöst

Die vorab gegebene Zusage, ein Anliegen oder „Problem“ definitiv zu lösen, bringt den Umstand mit, dass man suggeriert, die angewandte Methode funktioniere zweifelsfrei und immer oder die Fähigkeiten als Coach seien so außerordentlich, dass ein Scheitern ausgeschlossen sei. Das hört ein potentieller Klient natürlich sehr gern: Hier wird mein Anliegen gelöst, hier bekomme ich was für mein Geld. Nur unterstellt man, die Methode sei narrensicher, der Coach ein Meister seines Fachs, so bleibt allerdings immer noch der nicht gerade unerhebliche Anteil des Klienten am Gelingen des Prozesses. Kann er dem im Coaching-Prozess Erarbeiteten überhaupt folgen, kann er es mittragen und für sich umsetzen? Das wird hier offenbar ausgeblendet.

Auf diese Weise wird ein eventuelles Scheitern des Prozesses einseitig dem Klienten auferlegt, und das im Grunde sogar noch vor dem eigentlich Coaching. Schließlich liefern eigenes Können und die Methode nur Erfolge, der Klient hat sich hier quergestellt. Nach May (2015) werden solche Lösungsversprechen nicht selten auch mit einer Geld-zurück-Garantie bei Nichtgefallen gekoppelt, was dem Klienten zusätzliche Sicherheit geben und zum Coaching animieren soll. Nur, wenn „Sie [als Klient] die Schuld tragen, dass die Wunderwaffe ihre Wirkung nicht entfaltet, dann […] wäre es nicht fair, Ihren neuen Freund [den Coach] dafür bluten zu lassen, indem Sie Ihr Geld zurückfordern“ (ebd.).

Ein solches Versprechen ist daher mit großer Vorsicht zu betrachten und erst recht zu geben. Denn die Nähe zum Unseriösen ist hier sehr groß, zumal im Kontext dieses Versprechens vereinzelt auch Methoden angepriesen werden, die wissenschaftlich nicht oder nur bedingt, weil kontrovers diskutiert, haltbar sind.

Grad 2: Ihr Anliegen wird binnen eines Tages gelöst

Es handelt sich hier um eine Abwandlung des ersten Grades, nur liegt hier der Fokus auf der zeitlichen Befristung. Eine zeitliche Befristung an sich ist sinnvoll, wenn sie nach Absprache zwischen Klient und Coach sowie nach Klärung des Anliegens getroffen wird und so den – auch finanziellen – Rahmen des Coachings darstellt. In unserer schnelllebigen Welt ist natürlich die Aussicht auf Lösung des Problems in kürzester Zeit äußerst verlockend – und genau darauf zielt ein solches Versprechen. Nur kann eine zeitliche Beschränkung nicht pauschal und keineswegs vorab für alle Anliegen gegeben werden und schon gar nicht mit einer Erfolgsgarantie.

Grad 3: Ich weiß was Ihnen fehlt und ich werde Sie heilen

Begibt man sich in die ganz dunklen Abgründe von Coaching-Angeboten, so stößt man irgendwann auf Coaches, die nicht nur Krankheiten wie Krebs binnen weniger Wochen heilen(!), sondern sogar ermitteln können, ob man selbst diese oder eine andere Krankheit in sich trägt – natürlich ohne jedes medizinische Instrument, am Telefon, per Ferndiagnose. Für verzweifelte, leidende Menschen ist die Aussicht, endlich zu erfahren, woran man leidet und die Hoffnung, hiervon geheilt zu werden äußerst verlockend. Nur wie kann man so etwas zusagen, ohne den Klienten zu kennen, ohne ihn gehört zu haben?

Ein solches Versprechen – auch ohne kritischen Blick auf die Methode –, das mit „Heilung“ oder „Krankheit“ in Kombination mit Coaching gegeben wird, muss immer aufhorchen lassen. Für die Feststellung und Heilung von Krankheiten sind Ärzte oder Psychotherapeuten zuständig, nicht Coaches. Und man sollte sich unbedingt fragen, ob man einen Coach aufsuchen möchte, in dessen Weltbild sich der Klient von vornherein in einem „kranken“ Zustand befindet.

Im Übrigen erfolgt die „Heilung“ hier in aller Regel natürlich mittels Quantenphysik oder durch das Anrufen von Lebensgeistern oder Erzengeln, die dann „Schutzkreise“ ziehen. Schutzkreise sind definitiv sinnvoll – vor derartigen Versprechen.

Ein Fazit

Das große Problem des Marketings in der Coaching-Branche liegt in erster Linie nicht in der Form der Präsentation der Coaches. Hier spielen die Zielgruppe und insbesondere das eigene ästhetische Empfinden sowie das Selbstbild eines Coachs, das vermittelt werden soll, eine zentrale Rolle. Dinge wie ein Mangel oder die Überfrachtung mit Information können rasch behoben werden. Es sind die (Heils-)Versprechen, die in Zusammenhang mit Coaching immer noch gegeben werden und die Kunden locken sollen, die letztlich auch die gesamte Branche in ein düsteres Licht rücken.

Literatur

  • Grabow, Christine (2013). Neue Wege im Coaching-Marketing. In Coaching-Magazin, 4/2013, 35–39.
  • Kuntz, Bernhard (2015). Leiden Sie an TBC? In Trainingaktuell, 04/2015, 50.
  • Lorenz, Sebastian & Webers, Thomas (2015). Das Coach-Profil in der Online-Datenbank. In Coaching-Magazin, 3/2015, 48–53.
  • May, Bernhard (2015). Der manipulierte Klient. In The Huffington Post. Abgerufen am 18.10.2016: www.huffingtonpost.de.
  • Schulz, Benjamin (2010). Professionelles Marketing. In Coaching-Magazin, 3/2010, 42.

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