Schleppender Gesprächsverlauf, Methoden, die nicht funktionieren, das Gefühl, aneinander vorbei zu reden und am Ende ein erkenntnisfreies Fazit. Wenn so ein Coaching verläuft, kann dies durch die mangelnde Passung zwischen Klient und Coach bedingt sein. Es kann aber auch an Fehlern des Coachs liegen, die für sich genommen nicht schlimm sein müssen, sich aber aufsummieren. Was führt nun zu so unerquicklichen Prozessen? Die häufigsten Fehler von Coaches zeigen mögliche Schwachstellen.
So trivial es klingen mag: Viele Coaching-Prozesse beginnen mit einem stotternden Kaltstart, weil der Coach nicht oder nur unzureichend auf die Sitzung vorbereitet ist. Wenn nicht nur der Klient "warm" werden muss, sondern auch der Coach, wird Zeit vergeudet ohne dass der Coaching-Prozess in Gang kommt. Häufig ist dies durch eine mangelnde Prozesssteuerung von Seiten des Coachs bedingt. Die Lösung des Fehlers ist einfach: Vor jeder Sitzung mindestens 5–10 Minuten Vorbereitungszeit einplanen und sich dabei mögliche Fragen notieren oder Gesprächsfäden aus der vorigen Sitzung vergegenwärtigen und auf den Klienten einstimmen. So entsteht ein einfacher Plan, wie das Coaching-Gespräch verlaufen und strukturiert werden kann. Und auch wenn Pläne oftmals nur dazu dienen, von ihnen abzuweichen: Schon eine kurze Vorbereitungszeit ist enorm hilfreich, um als Coach angewärmt in den Prozess zu gehen und den Klienten dort abholen zu können, wo er steht.
Klienten neigen dazu, Ihre Probleme so zu beschreiben, dass sie unlösbar sind – und erwarten dann häufig vom Coach eine Antwort. Hilflosigkeitsgefühle beim Coach sind daher oft ein Indiz dafür, dass man sich als Coach zu sehr auf die Denkweise des Klienten eingelassen bzw. sich diese sogar zu Eigen gemacht hat. Dies ist zwar insofern positiv, als dass auf diese Weise Beziehung aufgebaut werden kann. Der Preis dafür kann aber hoch sein: Der Coach geht zusammen mit dem Klienten im Problemsumpf unter. Bei so bedingten Hilflosigkeitsphänomenen hilft das Vergegenwärtigen des Kontingenzprinzips: "Es könnte auch anders sein." Schon Albert Einstein wusste: "Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind." Der Coach sollte hier einen Denkrahmen öffnen, der deutlich macht, dass nicht das Problem das Problem ist, sondern die Problembeschreibung.
Stellt ein Coach fest, dass Klienten häufig spontan Sitzungen absagen, verschieben oder dem Coach Geringschätzung entgegen bringen, kann eine Ursache dafür in mangelnder Verbindlichkeit liegen. Dies bedeutet, dass häufig kein schriftlicher Vertrag geschlossen wurde, eine Zielklärung nur oberflächlich stattgefunden hat und keine verbindlichen "Hausaufgaben" mit dem Klienten vereinbart wurden. Grundsätzlich führt mangelnde Verbindlichkeit oft dazu, die Kompetenz des Coachs anzuzweifeln. Im Ergebnis wird das Coaching nicht allzu ernst genommen, der Prozess wird zäh oder dreht sich im Kreis. Die Lösung ist relativ einfach, verlangt von dem Coach aber Disziplin und das Arbeiten an seinem Standing: Er sollte mit verständlichen Verträgen arbeiten, mit selektiver Direktivität Hausaufgaben vereinbaren und überprüfen und den Fokus auf keine klare Zielorientierung legen. Ziel dabei ist nicht, sich als Coach zu erhöhen, sondern eine ausgeglichene Beziehungsebene zu erreichen.
Wenn Coaching bedeutet, ein fundiertes und unabhängiges Feedback zu geben, sollte ein Coach auch vor kritischen Themen nicht zurückschrecken. Gerade die Vier-Augen-Situation des Einzel-Coachings macht es möglich, schwierige Aspekte anzusprechen, ohne dass es zu einem Gesichtsverlust kommen muss. Verzichtet der Coach darauf, kritisch zu hinterfragen, Advocatus Diaboli zu spielen und als auch zurückschlagender Sparringspartner zu fungieren, hilft er dem Klienten damit nicht wirklich weiter. Coaching sollte ein Raum sein, in dem frei gedacht werden darf. Dies gilt natürlich für Coach und Klient. Wenn der Coach eine Selbstzensur übt, um kritischen Punkten auszuweichen, steuert ihn mehr seine Konfliktscheue als sein professioneller Anspruch unbequem sein zu dürfen. Dieser Mut will oftmals erarbeitet sein und braucht das feine Gespür für die Tragfestigkeit der Beziehung, das richtige Timing und einen sicheren Rahmen. Ist das gegeben, kann z.B. eine Provokation einen Erkenntnis- und Veränderungsprozess enorm beschleunigen bzw. vertiefen.
Coaches mit einer Vorliebe für bestimmte Techniken oder eine methodische Schule vergessen in der Überzeugung an die gute Sache zuweilen, dass nicht der Klient zur Technik passen sollte, sondern je nach Anliegen und Klient die jeweils sinnvolle Vorgehensweise auszuwählen ist. Und auch das ist für sich genommen unzureichend, da Coaching auf der Basis einer Beziehung aufbaut und nicht auf einem Methodenarsenal. Ohne eine Beziehung ist gar kein Coaching möglich, da sonst nur Trivialziele und Oberflächenthemen verfolgt werden, weil sich der Klient mangels Vertrauen nicht öffnen kann. Wer vor lauter Technik also vergisst, dass es um den Menschen im Coaching geht, verliert das Wesentliche aus dem Blickfeld und scheinkompensiert diesen Mangel mit Sozialtechniken und Tricks. Das führt schnell zum "Erfolg", lässt aber Nachhaltigkeit und Tiefgang unwahrscheinlich werden. Ein Coach benötigt daher die Bereitschaft, sich auf einen anderen Menschen einzulassen und nicht nur sein Methodenrepertoire aufzubauen. Oftmals ist diese Entwicklung erst mit etwas Erfahrung möglich, wenn Methoden als das verstanden werden, was sie sind: Nützliche Hilfsmittel, aber nicht der Kern des Coachings.
Trotz aller Planung eines Gesprächsverlaufes folgt die menschliche Kommunikation keinem mathematischen Modell. Kommt der Klient gegen Ende der Sitzung an einen Punkt, an dem er gerne weiterarbeiten möchte, verlangt dies vom Coach idealerweise zeitliche Flexibilität. Schon aus organisatorischen Gründen ist es ein Zugeständnis an die Realität, dass dies nicht immer möglich sein wird, zumal ein Coach auch auf eine gewisse zeitliche Stringenz angewiesen ist, um bezahlbare Honorare anbieten zu können. Dennoch können Zeitpuffer sehr hilfreich sein, da sie das Problem zumindest abmildern. Gute Prozesssteuerung macht es zwar möglich, den Verlauf einer Coaching-Sitzung zu strukturieren, dennoch kann das Fehlen eines ausreichenden Puffers auch hier zu einem erzwungenen Ende führen. Und auf der anderen Seite gilt: Da nicht jeder Puffer immer voll ausgereizt werden kann, sollte ein Coach rechtzeitig planen, wie er mögliche Leerlaufzeiten sinnvoll nutzen kann. Hier gibt es eine ganze Fülle an Möglichkeiten, die vom Bücherlesen bis hin zum Nutzen moderner Social Media-Dienste reichen.
Wer als Coach zur Partei wird, läuft Gefahr, instrumentalisiert zu werden. Das Ergreifen einer Partei – insbesondere, wenn es sich um die des Klienten handelt – kann verführerisch sein. Es ermöglicht, schnell einen guten Kontakt zum Klienten aufzubauen und sich mit ihm in krisenhaften Situationen zu solidarisieren. Viele Klienten sind für diese Form emotionaler Unterstützung dankbar. Dies macht es für Coaches verführerisch, sich einnehmen zu lassen und letztlich ihre Unabhängigkeit zu verlieren. Dennoch gilt: die Aufgabe eines Coaches ist es nicht, inhaltlich Partei zu ergreifen, sondern aus einer übergeordneten Perspektive Prozesse zu beleuchten. Erst so wird dem Klienten auch ein Modell dafür gegeben, z.B. Konflikte auf einer anderen Ebene zu verstehen und ggf. auflösen zu können. Allerdings sollte man auch deutlich machen, dass sich viele Konflikte nicht klären lassen. Dies aushalten zu können – oder auch das Scheitern – ist Teil des (Berufs)Lebens und somit nicht ungewöhnlich. Auch das ist ein Prozess der im Coaching fruchtbar beleuchtet werden kann und für den Klienten ein Lernen auf einer anderen Ebene ermöglicht.
Um eine Analogie zu gebrauchen: Häufig möchten Klienten gar keine Nägel in die Wand schlagen, sondern ein Bild aufhängen, um den Raum zu verschönern. Vielleicht gefällt dem Klienten auch einfach ein bestimmtes Bild, das er gerne öfter sehen möchte. Das sind dann aber ganz andere Ziele, für die es noch viele andere Lösungswege gibt. Als Coach sollte man sich daher nicht zu früh mit einem scheinbar klaren Ziel des Klienten zufrieden geben und dessen Erreichung forcieren ("Wie gut sind die Nägel auf einer Skala von 1 bis 10?"; "Wie neu ist der Hammer?"; "Haben Sie ein Nagelbrett zum Üben?"). Besser ist es, Ziele und Motive genau zu hinterfragen und damit auch dem Klienten helfen, einen vielleicht vorhandenen Gedankenkäfig zu verlassen. Erst wenn das Ziel hinter dem Ziel gefunden ist, wird die Motivation spür- und nutzbar, auf die zuvor kein Zugriff möglich war.
Auch wenn es nach Verdächtigungspsychologie klingen mag: Jedes Verhalten und jedes Ziel dient auch der Vermeidung von Unerwünschtem. Zumindest als Denkkonstrukt und zum Generieren von Hypothesen sollte der Coach – zumindest sich selbst – die Frage stellen, was ein Klient mit seinem Verhalten nicht nur erreichen möchte, sondern auch, was er vielleicht damit vermeidet. Vermeidungsverhalten maskiert sich oft: Manche Klienten kommen im Coaching vom Hundertsten ins Tausendste und lassen den Coach kaum zu Wort kommen. Dies kann nicht nur Ausdruck von vernetztem Denken sein, sondern ist häufig auch eine unbewusste Strategie, Veränderungen zu vermeiden. Die Komplexität und damit die Unsicherheit werden soweit gesteigert, dass ein zielführendes Handeln leicht in Vergessenheit geraten kann. Der Coach muss hier priorisieren, strukturieren und gezielt die Möglichkeit des Vermeidens thematisieren, um solche Fluchttendenzen aufzudecken. Ansonsten bleibt er selbst verirrt im Klientendschungel zurück und wundert sich, wie schwer es ihm fällt, mit dem Klienten Lösungen zu finden.
Wer als Coach in Schuldkategorien denkt, erhofft insgeheim, ein Problem von der Wurzel an lösen zu können. In der Praxis führen Schuldzuweisungen jedoch häufig nur dazu, dass Zeit verloren geht, die nutzbringender für Lösungswege hätte verwendet werden können. Wer Schuld- statt Lösungskategorien bevorzugt, kann sich zwar in (schein)moralischer Überlegenheit und postulierter Professionalität als Ursachenforscher sonnen, übersieht aber häufig multifaktorielle Wirkzusammenhänge und sucht strukturelle Lösungen, wo Veränderungen am Prozessdesign sinnvoller wären. Wer sich als Coach bei der Frage "Wer ist daran schuld?" ertappt, sollte berücksichtigen, dass eine solche Aufarbeitung zwar wichtig sein kann, für sich genommen aber nicht ausreichend ist, um Lösungen zu finden. Im Übrigen ist die hübschere Schwester der Schuld die Vergebung.
Die häufigsten Fehler von Coaches sind weder spektakulär noch – mit etwas Abstand – schwierig zu erkennen. Durch das Berücksichtigen einfacher Grundregeln und Heurismen lassen sich viele Fehler proaktiv vermeiden und die Coaching-Qualität verbessern. Stellen Sie sich selbstkritisch die Frage: Welche der oben genannten Phänomene kommen Ihnen aus eigener Erfahrung bekannt vor?