Da es nicht möglich ist, den gesamten Coaching-Markt in Kürze umfassend darzustellen, wird eine Besonderheit der Hongkonger Küche zu Hilfe genommen: Dim Sum, kleine Bambuskörbchen mit gedämpften Kleinigkeiten. Entsprechend werden Informationen zum Coaching in Hongkong in kleinen Häppchen „angerichtet“.
Die zugrundeliegenden Informationen stützen sich u.a. auf Interviews mit Coaches in Hongkong, die die Autorin geführt hat, um herauszufinden, inwieweit sich kulturelle Unterschiede auf das Coaching auswirken, sowie Gespräche mit Vertretern von Coaching-Verbänden und Unternehmen, denen für ihre Unterstützung an dieser Stelle gedankt sei.
Hongkong ist „das Tor nach China“ und nennt sich selbst „Asia’s World City“ – zwei Aspekte, die sich im Coaching wiederfinden.
Zum einen sind viele Coaching-Unternehmen und Coaches von Hongkong aus in China tätig, zum anderen ist Coaching westlich geprägt, zeigt jedoch in Hongkong die kulturelle Mischung, die das gesamte Stadtbild prägt. Noch in den frühen 2000er Jahren wurden Coaches im wahrsten Sinn des Wortes eingeflogen, da es keine lokalen Angebote gab. Erst mit Beginn des neuen Jahrtausends etablierten sich lokal Coaches. Dies waren zunächst westliche Coaches, nach und nach kamen Chinesisch sprechende Hongkonger Coaches dazu.
Wie anderswo ist es auch in Hongkong unmöglich, eine genaue Zahl an Coaches zu nennen. Der Begriff „Coach“ ist nicht geschützt, es existieren weder eine übergreifende Berufsorganisation noch Studien, die über aktuelle und differenzierte Daten informieren. So sind freiwillige Coaching-Organisationen (ähnlich den deutschen Coaching-Verbänden) ein guter Anhaltspunkt:
Da viele Coaches in mehreren Verbänden Mitglieder sind, liegen keine spezifischen Daten vor, man kann von ungefähr 200 Coaches in Hongkong ausgehen – bei einer Bevölkerung von etwa 7,3 Millionen.
Ca. 60 Prozent der Coaches haben keinen „chinesischen“ Hintergrund; auch das ist nicht eindeutig zu sagen, da Hongkong ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen ist, und die Frage der kulturellen Identität von Individuen, Familien und Unternehmen oft sehr differenziert beantwortet wird.
Für fast jeden Coach ist Coaching die zweite Karriere, daher rührt auch ein Durchschnittsalter von 35+ Jahren. Dies ist jedoch nicht unbedingt ein Nachteil der Coaches, da entgegen dem eigentlichen Konzept der Zusammenarbeit im Coaching einige Klienten erwarten, dass ein Coach eine erfahrene Persönlichkeit ist, auf deren Rat gebaut wird.
Die Stundensätze für Coaching liegen zwischen 500 HKD (Hong Kong Dollar) und 7.000 HKD (ca. 50-800 EUR). Das deckt die gesamte Bandbreite ab – von Pro-Bono Coaching über neu etablierte Coaches bis hin zu Top-Stundensätzen im Executive-Coaching. Durchschnittlich liegen Stundensätze im (Business-) Coaching bei 1.500 bis 2.500 HKD (170-280 EUR).
Anders als in Deutschland, wo es einen großen nationalen Markt mit kleinen internationalen Nischen gibt, existieren in Hongkong drei Arten von Märkten und Kunden:
Investitionen in Aus- und Weiterbildung als kontinuierlichen Prozess sind bei Hongkonger Unternehmen generell weniger verbreitet als in Deutschland. In der Weiterbildung ist die vorherrschende Form das Training. Das relative Volumen von Weiterbildungsmaßnahmen und Qualifizierungen (pro Mitarbeiter) ist geringer als in Deutschland.
Traditionell und bis heute herrscht in Hongkong – und China – im Allgemeinen Skepsis gegenüber der Psychologie und verwandten Dienstleistungen. Es wird davon ausgegangen, dass vorrangig die Familie gefolgt vom Freundeskreis dazu da ist, in wichtigen Fragen zu beraten. Nicht aber Fremde, die dazu noch Geld für ihre Tätigkeit verlangen.
Zusätzlich ist auch die Einschätzung anzutreffen, dass Coaching eher remedialen als developmentären Zwecken dient. So kann es zum einen länger als mit westlichen Klienten dauern und mehr Anstrengung erfordern, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Zum anderen können Coaches mit der Furcht von Klienten konfrontiert werden, dass ihr Arbeitgeber indirekt und durch das Hilfsmittel Coaching bestimmte Verhaltensänderungen durchsetzen will. Dies kann auch mit der Furcht vor einem Gesichtsverlust des Klienten einher gehen.
Auch hier ist das Spektrum der Ansichten möglicher Klienten sehr weit. Und wie in anderen Bereichen der sich rasant wandelnden Hongkonger Gesellschaft trifft man im Coaching auf ein Phänomen genau wie auf sein direktes Gegenteil: Das bedeutet konkret, dass es auch Klienten geben kann, die den Coach zu ihren hierarchischen „Statussymbolen“ zählen, oder solche, die gezielt mit ausländischen Coaches zusammen arbeiten, um deren Weltsicht, Arbeitsweise und Kommunikationsformen im Detail kennen zu lernen und sich gezielt auf die Zusammenarbeit mit ihren westlichen Kunden vorzubereiten.
Klientenziele sind grundsätzlich denen westlicher Klienten ähnlich und liegen darin, bestimmte, meist berufliche Entwicklungsschritte mit professioneller Unterstützung erfolgreich zu meistern. Konkret sind dies z.B. Karriereschritte, die zusätzliche Kompetenzen erfordern, wie größere „Executive Presence“, die Entwicklung der eigenen Emotionalen Intelligenz oder von Kommunikations- und Präsentationstechniken.
Bedingt durch eine kulturell geprägte Gruppenorientierung und starke Familienbindung sind hier Themen, die im weitesten Sinne mit Familie zu tun haben, öfter anzutreffen als bei westlichen Klienten. Die Familie wird von Hongkonger Klienten einerseits als stabilisierender Faktor wahrgenommen, kann aber gleichermaßen auch als Einengung empfunden werden. Die Verantwortung des Einzelnen gegenüber seiner Familie kann ein wichtiges Thema im Coaching sein.
Hoffnungen und Träume des Einzelnen werden im Coaching eher thematisiert, als es in der extrem erfolgsorientierten Hongkonger Gesellschaft sonst üblich und möglich ist.
Auch gibt es Klienten, die Coaches aufgrund ihrer kulturellen Sozialisation auf der jeweils anderen Seite anstellen, um z.B. die Anfangsphase eines Senior Executive zu begleiten. Hier ist das Entwicklungsziel, Sachverhalte aus verschiedenen Positionen zu betrachten und sich der Möglichkeiten anderer Einschätzungen bewusst zu werden.
Es spricht sich immer leichter in der Muttersprache, so auch im Coaching. Manche Chinesisch-sprechende Coaches (Kantonesisch wie Mandarin) tun sich leicht und erfahren Coaching in ihrer Sprache als natürlich. Andere, die Coaching z.B. auf Englisch erlernt haben, tun sich schwerer und benennen die Schwierigkeit, sowohl einzelne Worte, wie den Begriff „Coaching“, als auch die Art, Fragen zu stellen, ins Chinesische zu übertragen, ohne die Coaching-Methodik zu verlassen. Ein Grund liegt darin, dass das Chinesische eher zu geschlossenen als offenen Fragen neigt. Insgesamt sagen sowohl chinesische als auch westliche Coaches, dass sprachliche Faktoren dazu führen, dass Coaching im chinesischsprachigen Umfeld zeitaufwändiger ist, als in einem westlichen Umfeld, in dem Coaches und Klienten durch ihren alltäglichen Sprachgebrauch an direkte Kommunikation gewohnt sind.
Eine Herausforderung für nicht-chinesisch sprechende Coaches ist, eine gemeinsame Sprache mit den Klienten zu finden. Auch für den erfahrensten Coach kann es eine besondere Schwierigkeit sein und Zeit kosten, den richtigen Ton, die richtige Nuance zu treffen, um den Klienten herauszufordern, aber nicht zu verwirren oder zu provozieren. Hier kommt es auf die Erfahrung der Coaches an, wie weit sie Klienten mit begrenzten Englischkenntnissen unterstützen können. Eine Möglichkeit ist, auf Englisch zu fragen, den Klienten jedoch zunächst in seiner ersten Sprache antworten lassen, um für sich selbst Klarheit zu erlangen. Erst im zweiten Schritt wird übersetzt, so dass der Coach das Gesagte versteht und der gemeinsame Prozess sich entwickelt. Das kann zum Reflexionsprozess des Klienten betragen und das Vertrauen in den Coach stärken.
Kurz angemerkt: In Hongkong gibt es mit Transcend International ein Unternehmen, dass die Coaching-Ausbildung in Kantonesisch und Mandarin anbietet.
In Hongkong haben viele Familien Verwandte im Ausland und besonders unter den besser Ausgebildeten gibt es viele, die selbst im Ausland gelebt haben. Insofern ist es noch schwieriger als z.B. in Deutschland, von einer kulturellen Identität zusprechen, auf die Coaches sich einstellen können. Deshalb ist noch größere Zurückhaltung gegenüber Kategorisierungen geboten als allgemein an anderen Orten.
Coaches bestätigen, dass sie in der Lage sein müssen, sich auf ihre unterschiedlichen Klienten einzustellen. Viele sehen Coaching als einen hervorragenden Weg, um kulturelle Differenzen zu überbrücken. Dies besonders im Einzel-Coaching, da der Schwerpunkt in der gemeinsamen Gestaltung des Prozesses liegt und die Aufmerksamkeit des Coachs sich unter höchster Zurücknahme eigener Ideen und Vorstellungen auf den Klienten konzentriert.
Viele Coaches bestätigen jedoch auch, dass in Hongkong eine Mentalität vorherrscht, nach der der Coach, der als erfahrener gilt und womöglich auch älter als sein Klient ist, in die Rolle des „Lehrers“ gedrängt wird, der die Richtung vorgibt. Die Bereitschaft, den Ratschlägen des Coachs zu folgen, kann sehr ausgeprägt und eine regelrechte Erwartung sein, die natürlich nicht dem eigentlichen Coaching entspricht. Hier gilt es, während des Coachings einen Lernprozess anzustoßen, den Klienten über die Methodik von Coaching zu informieren, ihn darin zu trainieren, seine eigene Verantwortung im Prozess zu übernehmen, und dies in die Praxis umzusetzen.
Das Bewusstsein für Qualität wächst, dies mit Blick darauf,
Allgemein werden unter lokalen Unternehmen Geschäfte aufgrund von bestehenden Beziehungen weitergeführt, davon ist der Coaching-Markt nicht ausgenommen. Dies gilt auch, obwohl Coaching noch relativ neu ist. Qualitätsunterschiede und Standards zwischen verschiedenen Anbietern sind von Seiten der Klienten nicht immer leicht auszumachen. Trotzdem ist der Markt mittlerweile reif genug, nicht nur Maßnahmen einzusetzen, um „etwas zu tun“, sondern bei der Auswahl der Coaches Qualitätskriterien abzufragen. Diese sind z.B. Zertifikate innerhalb der bekannten Verbände, Mitgliedschaften, Referenzkunden oder sicht- und messbare Resultate.
Es gibt eine Erweiterung der Bandbreite vom Einzel- hin zum Team-Coaching. Das bedeutet mehr und detaillierte Vorbereitung auf Seiten der Coaches und soll die Teilnehmer befähigen, durch ihren Coaching-Prozess eigene Aktionspläne zu entwickeln. Es werden Follow-up Sitzungen angeboten, in denen ausschließlich die Erfahrungen bei der Umsetzung des Aktionsplans ausgetauscht und bearbeitet werden. Experte auf diesem Gebiet ist Charlie Lang bei ProgressU.
In einigen Unternehmen entwickelt sich das Talent-Coaching, bei dem erfahrene Führungskräfte nach Absolvieren einer Coaching-Ausbildung ihre Toptalente coachen. Dies ist in der Praxis oft eine Mischung aus Mentoring und Coaching und steht für einen wichtigen Wandel im Selbstverständnis von Führungskräften und ihrer zukünftigen Management-Orientierung.
Ein weiterer Trend, der in dieselbe Richtung geht, ist es, Coaching allgemein in den Führungsstil von Unternehmen einzubauen und auf gesamte Teams anzuwenden.
Zusammengefasst kann man in Bezug auf Coaching in Hongkong von einem Wachstumsmarkt sprechen, der eine sehr große Bandbreite an Erwartungen und Kulturen bedient und sich schnell entwickelt.
Anders als für Hongkong gibt es für China die umfassende und detaillierte Studie „Comprehensive Coaching Study 2014-15 in China“, die 2014/15 zum dritten Mal erhoben wurde. Befragt wurden Coaches und Unternehmen, die Coaching einsetzen. Die wichtigsten Ergebnisse der dritten Studie sind,
Die Qualität von Coaching allgemein hat sich verbessert, das Qualitätskriterium Ausbildung/Zertifizierung wird von über 90 Prozent der externen Coaches erfüllt, ca. 50 Prozent sind auch akkreditiert.
Über 90 Prozent der befragten Unternehmen setzen Coaching als Entwicklungsinstrument ein. Zur Akzeptanz von Coaching in China hat in den letzten Jahren beigetragen, dass mittlerweile 65 Prozent der befragten Unternehmen angeben, über den Inhalt von Coaching Verschwiegenheit zu wahren und damit das Vertrauen zwischen Coach und Klient wachsen ließen.