Nichts ist so beständig wie der Wandel. Diese alte Redensart ist aktueller denn je. Sich ändernde Rahmenbedingungen, Technologien und Arbeitsfelder zwingen Organisationen und jeden einzelnen Menschen, der in diesen arbeitet, zu Anpassungen.
Veränderungsprozesse in Organisationen sind vielfältig. Die Ausgangssituation für diesen Artikel bildet der Wandel in Teamstrukturen. Werden beispielsweise neue Arbeitsteams aus bestehenden Teams gebildet und werden hierfür nicht mehr alle Mitarbeiter und deren Kompetenzen benötigt, steht potentiell das Thema Mitarbeiterabbau im Raum. Ebenso verhält es sich, wenn eine Abteilung aus betrieblichen Gründen wegfällt oder die Anzahl der Mitarbeiter eines Bereichs reduziert werden muss. Externe Unternehmensberater trifft man in diesen Konstellationen an. Coaches, die den Veränderungsprozess in Teams in der Konsolidierungsphase aktiv begleiten, findet man in deutschen Unternehmen eher selten. Fehler, die in dieser Phase begangen werden, haben oft nachhaltige Folgen. Hierzu zählen die innere Kündigung der betroffenen Mitarbeiter und die Demoralisierung der Restbelegschaft. Die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen, die allein aus diesen beiden Punkten resultieren, sind hinlänglich bekannt: Es entstehen Kosten nicht ausgeschöpfter Produktivität, Fehltage und ein Imageschaden in der Außenwirkung. Hinzu kommt die Freisetzung von Mitarbeitern, die durch Inhouse-Weiterqualifizierung und Einsatz in einem anderen Bereich zu vermeiden wäre. Dies führt zu teuren Trennungen durch Aufhebungsverträge und zu Kosten für die Rekrutierung neuer Mitarbeiter.
Im Falle der Team-Konsolidierung sind die Mitarbeiter von der Verkündung der „bad news“ bis zur Auflösung, gegebenenfalls verbunden mit Mitarbeiterfreisetzung, in der Regel recht allein mit sich und ihren Sorgen. Das begleitende Coaching von Teams in dieser Phase kann ein sehr sinnvoller Ansatz sein, die geschilderten Nebenwirkungen des Veränderungsprozesses stark zu minimieren und idealerweise auszuschalten.
Wie schnell sich einzelne Mitarbeiter emotional und in ihren Handlungen auf die neue Situation einstellen, ist individuell. Auch wie tief der Einschnitt empfunden wird, variiert. Eins haben im Normalfall alle Mitarbeiter gemeinsam: Sie durchleben die klassischen sieben Phasen der Veränderung nach Richard K. Streich (2016): (1) Schock, (2) Ablehnung, (3) rationale Einsicht, (4) emotionale Akzeptanz, (5) Lernen, (6) Erkenntnis und (7) Integration. Zur Verdeutlichung der Wirkung des Coaching-Prozesses werden die Überlegungen Streichs nachfolgend einbezogen.
Kurz skizziert, laufen die Phasen im Zeitverlauf wie folgt ab. Die ersten beiden Phasen (1 & 2) sind geprägt von dem Schock über die Nachricht, von Angst vor der Veränderung, individuellen Sorgen und Ablehnung. In den darauffolgenden beiden Phasen (3 & 4) ist der Mitarbeiter an dem Punkt, das Kommende in irgendeiner Form zu begreifen. Rational versteht er unter Umständen die unternehmerische Entscheidung, warum das Team aufgelöst oder zusammengelegt wird. Emotional ist es ein innerlicher Kampf, der mit Höhen und Tiefen einhergeht. Nur schwer kommt der Mitarbeiter emotional zu dem Schluss, dass eine Neuorientierung unumgänglich ist. Langsam beginnt er, das Geschehen zu akzeptieren, und ist in den folgenden Phasen (5, 6 & 7) bereit, zu lernen und Neues auszuprobieren. Er begibt sich schließlich auf den Weg der beruflichen Neuorientierung, im Hinblick auf alternative Stellen im Unternehmen oder mit Blick nach außen.
Der Teamleiter kann die emotionalen ersten vier Phasen des Veränderungsprozesses nur bedingt abfangen. Mit transparenter Kommunikation, Klarheit und Empathie ist er in seiner Rolle sehr wichtig für die Mitarbeiter und einen gelingenden Transformationsprozess. Allerdings ist er als Teil des Systems von der Veränderung selber betroffen. Seine Zukunft ist im Zweifel ebenfalls ungewiss. Er befindet sich als Führungskraft in der klassischen Sandwichsituation zwischen seinem Vorgesetzten und seinen Mitarbeitern. Mit einer objektiven Sichtweise die Mitarbeiter in ihrer persönlichen Situation vertrauensvoll abzuholen und Lösungen mit ihnen zu entwickeln, sollte der Führungskraft vor diesem Hintergrund eher selten möglich bzw. von Erfolg gekrönt sein. Veränderungen als betroffener Mitarbeiter anzunehmen und den Mut aufzubringen, neue Schritte zu gehen, braucht Vertrauen in das Gegenüber und in die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen. Hier ist externe Unterstützung im Sinne einer persönlichen Begleitung wirkungsvoll. In der Realität kommen Coaches, wenn überhaupt, erst viel später im Rahmen der Outplacement-Beratung zum Einsatz, wenn Aufhebungsverträge beschlossen und die Mitarbeiter bereits freigestellt sind. Welchen Mehrwert die Begleitung durch Coaches im Veränderungsprozess für die betroffenen Mitarbeiter und die Unternehmen bietet, wird in der nachfolgenden Konzeption eines begleitenden Coaching-Prozesses von Teams in Veränderungsprozessen näher aufgezeigt. Dieser einfach umsetzbare und transparente Prozess leistet einen entscheidenden Beitrag, die über Jahre aufgebaute positive Unternehmenskultur auch in der Krise zu erhalten, die Motivation und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu bewahren und somit unternehmerische Ziele erfolgreich und menschlich zu erreichen.
Die Mitarbeiter von Teams in Veränderungsprozessen fühlen sich von der Situation sehr betroffen. Sie spüren, wie bereits skizziert, eine hohe Unsicherheit, haben Ängste und Sorgen. Sie stecken tief in den ersten beiden Phasen der Veränderung, im sogenannten „Tal der Tränen“, fest. Der Umsetzungszeitraum des Veränderungsprozesses ist seitens der Unternehmensleitung nicht klar terminiert oder der Termin liegt länger als ein bis zwei Monate in der Zukunft. Die Mitarbeiter können den Prozess inhaltlich nicht aktiv begleiten und ihnen ist nicht klar, ob zukünftig überhaupt eine Stelle im Unternehmen für sie zur Verfügung steht.
Der vom Teamleiter formulierte Coaching-Auftrag: Der Coach soll die Mitarbeiter in der für sie unsicheren Situation unterstützen. Die Mitarbeiter sollen Selbstsicherheit erlangen, sich nicht gefühlt in einer Sackgasse befinden und handlungsfähig bleiben. Das umfasst die Klärung von Fragen …
Die Voraussetzung für das Erreichen des Coaching-Ziels und somit des Coaching-Erfolgs sind eine absolute Vertraulichkeit zwischen Coach und Mitarbeiter sowie das Vertrauen der Führungskraft in den Coach und den Coaching-Prozess. Zudem ist Freiwilligkeit eine Grundvoraussetzung für einen gelingenden Prozess. Die Mitarbeiter entscheiden nach dem Auftakttermin, ob sie das Coaching-Angebot annehmen möchten oder nicht. Die Prozessdauer entspricht dem Zeitraum des Transformationsprozesses und liegt in der Regel zwischen drei bis sechs Monaten. Die Visualisierung verdeutlicht die einzelnen Prozessbausteine (siehe Abb.) in ihrer zeitlichen Abfolge. Das oberste Ziel des Coachings besteht darin, dass die Mitarbeiter eigene Handlungsoptionen erkennen und befähigt werden, diese aktiv selber anzugehen und mit Erfolg umzusetzen.
Die ca. 60- bis 90-minütige Informationsrunde mit dem Teamleiter, den Mitarbeitern und dem Coach dient der Vorstellung des begleitenden Coaching-Angebotes an die Mitarbeiter sowie dem Kennenlernen des Prozesses und des Coachs. Der Teamleiter erläutert den Status quo der aktuellen Situation und seine Zielstellung, die er mit dem Coaching-Angebot avisiert. Im Anschluss an die Teamrunde findet ein persönlicher Termin zwischen dem Coach und den Teammitgliedern statt. In diesem 15- bis 30-minütigen Termin werden Fragen der Mitarbeiter zur Person des Coachs und zum Coaching-Prozess geklärt. Es wird besprochen, was der Prozess leisten kann und was nicht. Der jeweilige Mitarbeiter wird nach seiner persönlichen Situation gefragt. Die Wahrung der Vertraulichkeit wird thematisiert. Es erfolgt, sofern der Mitarbeiter einverstanden ist, ein erster Impuls zum Perspektivwechsel und zur Erweiterung seines Blickfeldes. Die Sichtweise auf die Situation als mögliche persönliche Chance wird thematisiert und Raum für neues Denken geöffnet. Der Mitarbeiter entscheidet im Nachgang des Gesprächs, ob er das Coaching-Angebot annehmen möchte.
Jeder der drei bis vier 90-minütigen Einzel-Coaching-Termine wird begleitet durch eine kurze „Status-quo-Abfrage“, um den Mitarbeiter zu Beginn des Termins abzuholen. Zudem erhält dieser zur Vorbereitung auf den folgenden Termin Aufgaben und Impulse, um während des gesamten Coaching-Prozesses verbunden zu sein, das Coaching-Level zu halten und weiter an den Themen zu arbeiten.
Die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Termine erfolgt individuell je nach Coaching-Schwerpunkt des jeweiligen Mitarbeiters. Nachfolgend werden die Zielstellung und exemplarisch das prozessuale Vorgehen der einzelnen Termine skizziert. Den zu begleitenden Mitarbeitern steht der Coach bei Bedarf auch zwischen den Coaching-Terminen zur Verfügung, um Fragen telefonisch oder per E-Mail zu klären. Mit der Teamleitung ist der Coach stets im engen Abstimmungsprozess zu relevanten Prozessthemen.
Das Ziel der ersten Einheit besteht darin, die Situation des betroffenen Mitarbeiters anzuerkennen, seine Gedanken und Gefühle wertzuschätzen und ihn für neue Lösungsräume langsam zu öffnen. Der Mitarbeiter wird im „Tal der Tränen“ (Phasen 1 und 2) abgeholt. Dies umfasst eine IST-Analyse, die die Aufnahme von Ängsten, Sorgen und auch Wünschen beinhaltet. Das Coaching-Ziel für den Gesamtprozess wird konkretisiert und die aktuelle Einheit mit einer Zielstellung versehen. Mittels Methoden der Selbstreflexion und des Perspektivwechsels wird der Mitarbeiter aktiviert. Sodass er im Anschluss an den Termin den ersten Impuls spürt, nach vorne zu schauen, um später in Optionen und Handlungsmöglichkeiten zu denken. Die Möglichkeiten der Einflussnahme auf den Gesamtprozess werden gemeinsam betrachtet. Ressourcen- und Biographiearbeit schließen daran an. Es folgt die erste Bearbeitung von vielfältigen Fragestellungen: Wo sehe ich mich? Was kann ich? Was will ich? Was ist mir wichtig? Wann bin ich zufrieden? Was möchte ich nicht mehr? Welche Rahmenbedingungen sind notwendig, um diesen Weg zu gehen?
Mit dem Ziel, die Selbstreflexion des ersten Termins fortzusetzen, erfolgen die Klärung des heutigen prioritären Coaching-Ziels und die weitere Biographie- und Ressourcenarbeit. Das Kontaktnetzwerk wird analysiert, Kraftquellen und -personen werden identifiziert. Mit der Arbeit am weiteren beruflichen Weg werden gemeinsam erste Handlungsschritte erarbeitet. Selbstsicherer und motivierter, so das Ziel, geht der Mitarbeiter aus diesem Termin.
Bausteine der Selbstreflexion, Selbstsicherheit und Aktivierung sowie Klarheit des Mitarbeiters in Bezug auf das weitere individuelle Vorgehen kennzeichnen diese Coaching-Einheit. So wird zuvor eingeholtes Fremdfeedback ausgewertet und es erfolgt ein tieferer Blick auf die erarbeiteten Lebenslinien. Das große Ziel besteht darin, den Mitarbeiter über die rationale Einsicht und emotionale Akzeptanz (Phasen 3 und 4) ins Handeln zu bringen. Individuell, je nach weiteren Optionen, die der Mitarbeiter im Unternehmen hat, werden die Möglichkeiten des internen und externen Arbeitsmarktes geprüft. Es findet ein erster Abgleich zwischen den Wünschen und Kompetenzen des Mitarbeiters sowie dem Arbeitsmarkt statt. Je nach individuellem Bedarf des Mitarbeiters und unter Beachtung seines emotionalen Zustandes werden Bewerbungsunterlagen aktualisiert, unter Umständen bereits interne oder externe Vorstellungsgespräche vorbereitet und Themen der Selbstpräsentation vertieft.
Dieser Termin zielt ganz konkret auf die Entwicklung der individuellen internen oder externen Bewerbungsstrategie ab. Hierzu gehören u.a. die Fertigstellung der Bewerbungsunterlagen, die Selbstpräsentation inklusive der Erarbeitung des Elevator Pitchs, die Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch und die Pflege der beruflichen Social-Media-Netzwerke. Dieser Prozessschritt umfasst neben reflexiven auch beratende Elemente. Mit dem dritten und optionalen vierten Termin sollen die Mitarbeiter befähigt werden, die Phase 4 des Veränderungsprozesses (emotionale Akzeptanz) langsam zu verlassen und in die handlungsorientierten Phasen einzutreten. Die Mitarbeiter werden ins Ausprobieren gebracht, um festzustellen, dass es tatsächlich möglich ist, wieder in ein erfülltes Berufsleben einzusteigen.
Bei der Ausgestaltung der einzelnen Termine ist die Individualität des jeweiligen Mitarbeiters und seiner Situation zu beachten. Der exemplarisch skizzierte Prozessablauf über die drei bis vier Coaching-Termine ist vor jeder Session hinsichtlich der individuellen Passgenauigkeit auf die Bedürfnisse des einzelnen Mitarbeiters hin zu überprüfen. Anpassungen des Prozesses sollten im Ergebnis dessen eher die Regel als die Ausnahme sein.
Ein Coaching-Prozess kann im Einzelfall auch mehr Einheiten umfassen, sollte sich beispielsweise abzeichnen, dass ein weiterer Verbleib im Unternehmen in alternativer Position unter keinen Umständen möglich ist. Hier kann der Trennungsprozess durch den Coach professionell in weiteren Einheiten begleitet werden.
Teamleiter, Mitarbeiter und Coach finden sich in diesem 60- bis 90-minütigen Termin zusammen, um den Coaching-Prozess abzuschließen. Dieser Termin kennzeichnet zudem die Auflösung des bisherigen Teams. So sind Abschiedsrituale auf beiden Ebenen, der des Teams und der des Coaching-Prozesses, vorgesehen. Der Termin soll den Teammitgliedern ein Gefühl des positiven Anerkennens und idealerweise der Dankbarkeit für das, was gemeinsam über die Jahre im Team erreicht wurde, geben. Der Coaching-Prozess wird reflektiert. Am Ende entstehen im Erfolgsfall die Hoffnung auf einen individuellen Neuanfang und das Erkennen des individuellen Gestaltungsspielraumes. Alternativ, sollte ein gemeinsamer Team-Termin nicht mehr möglich sein, empfiehlt sich trotzdem ein Abschiedsritual. Dies kann beispielsweise ein individueller Brief der Führungskraft an den jeweiligen Mitarbeiter sein. Ein vertraulicher Feedback-Prozess zwischen Coach und Mitarbeiter schließt den Coaching-Prozess ab.
Das übergeordnete Zielbild der Begleitung kann folgendermaßen skizziert werden: Die vertrauensvolle individuelle Coaching-Begleitung der Mitarbeiter und die Prozessabstimmung mit dem jeweiligen Teamleiter wandeln eine bedrückte Team-Atmosphäre, die möglicherweise von geringem Selbstwertgefühl der einzelnen Mitarbeiter gekennzeichnet ist, in ein wertschätzendes und produktives Klima. Es entsteht ein Umfeld, in dem sich die Betroffenen trotz „der Misere“ wieder als Menschen fühlen, aktiv im Geschehen agieren und nicht zum bloßen Zuschauer abgestempelt sind.
Ängste, die in diesen Konstellationen häufig auftreten, wie beispielsweise Existenz- und Verlustängste oder Angst vor dem Unbekannten, können überwunden werden. Zumindest können sie durch den Coaching-Prozess soweit gemildert werden, dass für die betroffenen Mitarbeiter mögliche Handlungsoptionen überhaupt erst erkennbar sind. Aus Angst entstehen weder Aktivität noch positive Bewegung. Mit dem Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen, der beruflichen Ziele und Wünsche, der eigenen Werte und der Analyse des relevanten internen und ggf. externen Arbeitsmarktes sind Mitarbeiter in der Lage, sich auf neue Positionen im Unternehmen zu bewerben. In dem Fall spart sich der Arbeitgeber schmerzhafte Trennungsprozesse und das Geld für teure Aufhebungsverträge und folgende Neubesetzungen. Sollte intern keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit bestehen, ist der Grundstein für einen fairen Trennungsprozess gelegt. Ggf. bildet der begleitende Coaching-Prozess den Auftakt für einen Outplacement-Prozess.
Es gibt Konstellationen, in denen der beschriebene Prozess schwer umsetzbar ist, beispielsweise im Rahmen von Unternehmensinsolvenzen. Die Darstellung des begleitenden Coachings bezieht sich in erster Linie auf Organisationen, die einen weiteren nachhaltigen Geschäftsbetrieb als Grundlage haben.