Führung

Frau sein und kraftvoll führen

Neue Wege für authentisches weibliches Führungsverhalten

Eine Frau als Verteidigungsministerin, Karrieremessen für Frauen und Frauen-Business-Tage von Industrie- und Handelskammern, die die weibliche Seite der Profession hervorheben: Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen im beruflichen Alltag, besonders beim Thema „Führen“, werden allerorten wahrgenommen. Mittlerweile boomt auch der Markt für entsprechende Seminar- und Coaching-Angebote. Doch häufig hat man als Beobachter der Szene den Eindruck: Hier werden Frauen zur unreflektierten Anpassung an vorhandene hierarchische und unternehmenskulturelle Spielregeln aufgefordert. Dass es auch anders geht, schildert dieser Beitrag.

15 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 2 | 2014 am 14.05.2014

In der gängigen Beratungspraxis wird oft nach der Maxime verfahren, dass Frauen als Führungskräfte möglichst die unterschiedlichsten Gegensätze vereinbaren sollen: Optimalerweise sollen sie analytisch und emotional, visionär und pragmatisch, emphatisch und durchsetzungsstark sowie teamorientiert und karrierebewusst sein – also all das in sich vereinen, was allgemein als typisch männlich und typisch weiblich betrachtet wird.

Authentizität als zentraler Faktor

Die Selbstverständlichkeit mit der Frauen auf diese Weise aufgefordert werden, ein überwiegend männlich geprägtes Führungsmuster unreflektiert zu adaptieren, macht nachdenklich. Könnte es für Frauen nicht hilfreicher sein, auf die eigenen Ressourcen zurückzugreifen, anstatt nach einem Vorbild zu streben, das auch nicht durchweg zum Erfolg führt? Dabei steht im Coaching die persönliche Authentizität im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Authentizität ist in der heutigen Führungssituation, die vielerorts von großer Unsicherheit geprägt ist, ein wichtiger Baustein der (männlichen und weiblichen) Führungsrolle. Sie ist einer der wenigen Faktoren, die „Sicherheit in der Unsicherheit“ ermöglichen können. Zu verstehen ist darunter ein Führungsverhalten, welches nicht primär durch äußere Einflüsse (externe oder durch Hierarchie vorgegebene Erwartungshaltungen von oben und unten), sondern in der inneren Haltung und den Werten der Führungsperson selbst begründet ist. Eine als authentisch bezeichnete Person wird als „echt“ und glaubwürdig erlebt. Diese Wirkung schafft Vertrauen, interessanterweise sogar dann, wenn Fehler ohne Umschweife und weitreichende Erklärungen zugestanden werden

Das Seminarkonzept

Aus diesen Überlegungen und Überzeugungen heraus entwickelte sich ein Coaching-Konzept für ein Seminar nur für Frauen. Es zielt darauf ab, Frauen dort abzuholen, wo sie sich aufgrund ihrer individuellen Kompetenz, ihrer Führungserfahrung und ihres Rollenverständnisses befinden. Darauf aufbauend werden Ressourcen aktiviert, um in einem ersten Schritt das eigene Verhaltensrepertoire zu reflektieren, und es in einem weiteren Schritt authentisch und somit individuell zu erweitern. Dies geschieht – wie auch im Einzel-Coaching – nicht durch Vorträge und Erklärungen oder Diskussionen und Beispiele, sondern durch Betroffenheit aufgrund der direkten Konfrontation mit eigenen Denk- und Handlungsmustern.

Warum ein Seminar exklusiv für Frauen?

In unserer Beratungspraxis beobachten wir immer wieder: Frauen führen anders. Durch ihre ureigene Biografie und ihre gesellschaftliche und berufliche Sozialisation bevorzugen Frauen einen Führungsstil, der mit den gängigen Unternehmenskulturen nicht immer leicht vereinbar ist – ein wesentlicher Unterschied zu männlichen Führungskräften. Weibliche Führungskräfte weisen andere Verhaltensmuster als die Mehrzahl ihrer männlichen Kollegen auf, wenn es um stringente Kommunikation, Konkurrenzdenken, Risikobereitschaft, Durchsetzungsvermögen, Selbstsicherheit und den Umgang mit Macht geht.

Ein Gruppen-Coaching für Frauen in Führungspositionen in einem Seminar sollte darauf angelegt sein, die eigenen Verhaltensmuster zu erkennen und zu verstehen, damit auf dieser Basis das individuelle Führungsverhalten modifiziert werden kann. Gemeinsam mit anderen Frauen herausfinden, wie man selbst führt und wie man professionell führen könnte, ist die Zielsetzung. Dieses Ziel wird im Rahmen mehrerer aufeinander aufbauender Arbeitsschritte erarbeitet. Ein solches Vorgehen entspricht dem Prozess, der auch in individuellen Coachings für (männliche und weibliche) Führungspersonen in der Regel anzutreffen ist. Die Herausforderung besteht darin, den individuellen Coaching-Prozess in ein Seminarprogramm zu transferieren, das sowohl der Gruppe, als auch den einzelnen Erwartungen der Teilnehmer entspricht. Dazu müssen folgende Rahmenbedingungen gegeben sein:

Gruppengröße

Die Arbeit in einer Gruppe von acht bis maximal zwölf Teilnehmern erlaubt es, jede einzelne Teilnehmerin aktiv in die verschiedenen Übungen einzubinden. Auf diese Art kann sie das Feedback der Gruppe auf ihre Verhaltensweisen als Korrektiv nutzen und neue Verhaltensweisen direkt austesten.

Vertrauensbasis schaffen

Die Phase des Sichkennenlernens und des Sich-mit-seinen-Themen-Zeigens ist von hoher Bedeutung für die Qualität der Zusammenarbeit. Hierfür ist entsprechend mehr Zeit und Energie einzuplanen.

Reflexion der Befindlichkeiten

Das Annehmen und Geben kritischen Feedbacks durch die Teilnehmerinnen und die Moderatoren erzeugt – auch wenn es noch so wertschätzend gestaltet wird – unterschiedliche Emotionen. Gerade deren Wahrnehmung und Reflexion führt zu dem Grad an Betroffenheit, der Veränderungen ermöglicht. Darum ist es essenziell für den Coaching-Erfolg, die Teilnehmerinnen immer wieder einzuladen, diese Emotionen wahrzunehmen und damit aktiv in den Kontakt zur Gruppe zu gehen – und sie gleichzeitig, vor Abwertungen, Ängsten und Scham soweit möglich zu schützen.

1. Schritt: Klarheit über das eigene Verhaltensmuster im Führungskontext

Trotz des Lern- und Trainingscharakters liegt der Schwerpunkt im Seminar nicht auf Vorträgen oder Ratschlägen, sondern auf der Reflexion eigener Erfahrungen und neuer Erlebnisse. Damit erfolgt eine konsequente Ausrichtung an gängigen Coaching-Erkenntnissen.

Nicht im Darüberreden, sondern im spielerischen Handeln und der Beobachtung dieses Handelns und des Verhaltens der anderen Teilnehmerinnen gewinnen die Frauen den größten Mehrwert. Die Tiefenschärfe dieser Erfahrungen hat häufig einen sofortigen Effekt auf die eigene Wahrnehmung. Diese kann durch die gemeinsame Diskussion in der Runde relativiert oder verstärkt werden, je nachdem ob eine Teilnehmerin in die eigene Abwertung geht oder sich in ihrer Begrenzung auf die Spur kommt.

Nach einer sehr intensiven Kennenlernübung, die den Grad an Offenheit und Vertrauen herstellt, der für das Seminar so notwendig ist, startet ein Dialog über das vorherrschende Führungsverständnis. Als „Führung“ wird jede zielbezogene interpersonelle Verhaltensbeeinflussung mit Hilfe von Kommunikationsprozessen definiert. Interessanterweise finden sich bei der Mehrheit der Teilnehmerinnen Vorstellungen von „Perfektionismus“; „alles richtig machen“ und „alles können“. Bereits in dieser Diskussion werden der Druck und die Realitätsferne dieser Vorstellungen überdeutlich. Das Teilen dieser Empfindung in der Gruppe schafft das Bewusstsein, dass es sich nicht um individuelle Schicksale handelt. Das löst eine gewisse Leichtigkeit aus, stellt aber auch die Frage in den Raum, wie es denn anders gehen könne

Führungsverhalten anschaulich machen

Um das bisherige Führungsverhalten der Teilnehmerinnen anschaulich zu machen, kann beispielsweise die Stabübung genutzt werden. Die Aufgabe besteht darin, einen Stab gemeinsam am Boden abzulegen, ohne dass sich dabei die Finger einer Teilnehmerin vom Stab lösen. Dabei läuft diese Übung in der Regel stets nach dem gleichen Muster wie im folgenden Fall ab:

In einer Gruppe gab es verschiedene Vorschläge, wie der Stab zu Boden gelangen könnte. Sofort versuchte jede Teilnehmerin auf ihre Art, diese umzusetzen. Schließlich begann eine Teilnehmerin mit lauter Stimme, aber wenig in Kontakt mit den anderen Gruppenmitgliedern, klare Anweisungen zu geben. Der mangelnde Kontakt zur Gruppe fiel dadurch auf, dass sie keinen Blickkontakt zu den restlichen Teilnehmern aufnahm, kein Lob und damit keine Rückmeldung für ein gelungenes Teilergebnis kommunizierte, sondern machtvoll die Gruppe zu führen versuchte. Es bildete sich Widerstand bei den Teilnehmerinnen und Koalitionen entstanden.

Ein erfolgreiches Ende dieser Übung war erst abzusehen, als eine der Frauen mitteilte, dass sie nun mit dem Einverständnis der Gruppe die Leitung übernehmen würde. Sie begann mit klarer kontaktvoller Stimme, die Gruppe zu führen. Da sie die gesamte Gruppe im Blick behielt, konnte sie gezielt Anweisungen an die rechte oder linke Seite geben. Nachdem sie immer wieder deutlich machte, welche Teilfortschritte erzielt wurden und auf was es nun zu achten galt, zeigte die Übung rasch Erfolg, ohne Widerstände zu erzeugen.

Bei den Teilnehmerinnen löst diese Übung „Aha“-Effekte und teilweise auch Betroffenheit aus, weil spürbar wird, dass diese Art der Nicht-Führung das Führungsverhalten der Teilnehmerinnen im Alltag spiegelt. Häufig entfacht sie eine angeregte Diskussion über aktuelle reale Führungssituationen, die die Teilnehmerinnen aus ihrer Praxis kennen. Sie können bereits aufgrund dieser Erfahrung gemeinsam reflektiert werden. So berichtete eine Führungskraft, die in einem technischen Umfeld vorrangig mit männlichen Kollegen arbeitet, dass sie bei der Vergabe von Aufgaben, die ihr selbst unangenehm erscheinen, ebenso agiere, wie die Teilnehmerin, die zuerst die Führung übernommen habe. Sie gehe auch nicht in Kontakt mit dem betreffenden Mitarbeiter, sondern übergebe die Aufgabe eher en passant und mit kräftiger Stimme. Ihr wurde deutlich, dass sie Rückfragen oder Widerstände seitens des Mitarbeiters durch dieses Verhalten vermeiden wollte, tatsächlich aber genau das eher beschleunigte.

2. Schritt: Formulierung eines (visuellen) Leitbildes für das eigene Führungsverhalten

Das Züricher Ressourcen-Modell von Maja Storch und Frank Kraus (2007) ist ein Verfahren zur Erarbeitung eines individuellen visuellen Leitmotivs für das Führungsverhalten auf Basis ausgewählter ressourcenaktivierender Bilder. Das so erarbeitete Leitmotiv wirkt situationsübergreifend, es definiert, spiegelt und/oder unterstützt die innere Haltung der Teilnehmerinnen in ihrer Führungsfunktion.

Das Modell arbeitet mit somatischen Markern, die nach Maja Storch objektiv messbare körperliche Empfindungen sind, also Signale, die bei der Betrachtung und Wahl eines Motivs entstehen. Dieser Prozess entspricht dem Konzept des Neurowissenschaftlers Damasio (1994) das besagt, dass jeder Mensch über ein emotionales Bewertungssystem verfügt, welches unterhalb der Bewusstseinsschwelle arbeitet und daher den Zugang zum Selbsterleben erleichtert.

Durch den Stimulus von Bildern entsteht die Möglichkeit, unbewusste Themen bzw. Wünsche mit dem Bewusstsein zu verknüpfen. So bietet sich die seltene Chance, auch im Rahmen eines Workshops, durch Assoziationen zu den Bildern bis dahin unbewusste Themen sprachlich zu erfassen.

Fallbeispiel 1

Eine Teilnehmerin hat vor ihrer Beförderung zur Abteilungsleiterin selbst in der Abteilung gearbeitet. Sie beklagte zu Beginn des Seminars, dass sie immer wieder dazu neige, Aufgaben selbst zu bearbeiten, häufig Rückdelegationen erfahre, sobald die Mitarbeiter auf Schwierigkeiten stießen und sich selbst eigentlich nach wie vor als Teil des Teams und nicht als deren Leitung empfinde. Im Laufe des Seminars wurde ihr Hang zu Perfektionismus und Kontrolle häufig thematisiert. Sie wählte bei der Bildarbeit ein Motiv aus, auf dem ein männlicher Löwe entspannt auf einem Fels lag und in die Weite schaute. Ihr gefiel an diesem Motiv die Kraft und Präsenz, die das Tier auch in der Ruhe ausstrahlte, wohl wissend, wie stark und mächtig es in der Aktivität sein konnte. Im Rahmen der Adaption dieses Motivs auf ihren Führungsalltag entwickelte sie folgende Ideen:

  • Ich kann es aushalten, dass meine Mitarbeiter eigene Lösungen für anstehende Aufgaben suchen und finden.
  • Meine Mitarbeiter haben das Recht, Fehler zu machen, wenn Aufgaben für sie neu sind. Dann kann ich immer noch korrigierend einwirken.
  • Ich kann führen, indem ich bei Rückfragen Lösungsoptionen einfordere und nicht Probleme diskutiere.
  • Dass ich mich selbst mehr spüre, wenn ich alte Aufgaben erledige, als mich neuen unbekannten Themen zu widmen, ist Teil eines natürlichen Veränderungsprozesses von der Mitarbeiterin zur Abteilungsleiterin. Ich werde das wahrnehmen und mich verstärkt meinen Führungsaufgaben widmen.

Fallbeispiel 2

Eine junge Führungskraft, Assistenz des Inhabers eines mittelständischen Unternehmens und Leiterin verschiedener Projekte, wählte als Motiv eine üppig ausladende, exotische, rotfarbene Blüte, deren geöffneter Kelch sie an eine farbige Explosion erinnerte. Die junge Frau war sehr erfolgreich, wirkte aber belastet und durchgehend angestrengt. Sie agierte stark in der Anpassung an ihr Umfeld und andere Personen. Dadurch war ihre Wahrnehmung für ihre eigenen Emotionen und Standpunkte deutlich eingeschränkt. Die Gruppe spiegelte ihr ihre Ambivalenz in Entscheidungssituationen. Sie wurde als distanziert, unsicher und zögerlich empfunden.

Diese enorme Differenz zwischen Fremd- und Selbstbild wurde deutlich, als sie sich mit dem kraftvollen, dynamischen und lebensfrohen Motiv präsentierte. Sie selbst erkannte daraufhin die Polarität ihrer Persönlichkeitsmerkmale: einerseits stark und kraftvoll sein; sich andererseits verletzlich und unsicher fühlen. Ihr wurde ebenfalls bewusst, dass ihre Anspannung ein Ergebnis des ständigen Spagats war, diese Persönlichkeitsanteile unter einen Hut zu bringen. Um diese Polarisierung aufzulösen entschied sie sich gemeinsam mit der Gruppe:

  • Ihre Eigenwahrnehmung privat und beruflich dauerhaft zu stärken und dies durch ein Coaching im Anschluss an das Seminar sicherzustellen.
  • Im Sinne eines „sowohl-als-auch“ anstelle eines „entweder-oder“ ihre kraftvolle und verletzliche Seite deutlicher zu zeigen – und damit an Authentizität zu gewinnen. Um sich an dieser Stelle nicht selber zu überfordern, entschied sie sich dafür, dies zunächst in einem wertschätzenden und geschützten Umfeld (z.B. Familie) umzusetzen.
  • Ihr wurde deutlich, dass sie ihre Kraft und Energie auch dazu verwenden kann, sich z.B. bei Projekten die Unterstützung von Kollegen zu sichern, anstatt als Einzelkämpferin zu agieren.

Eine Haltung entwickeln

Mit der Vorstellung des Motivs und den damit verbundenen Assoziationen, die in der Kleingruppe gemeinsam erarbeitet werden, wird ein sehr emotionaler, persönlicher Prozess in Gang gesetzt. Nicht selten zeigen die Motive, wohin sich die Person bewegen/entwickeln und damit gleichzeitig auch, wovon sie sich wegbewegen möchte. Häufig handelt es sich bei den Teilnehmerinnen um eine Bewegung weg von der Anstrengung und dem Perfektionismus hin zu einem Leben, dass freudvoller, lebendiger und souveräner gestaltet werden soll. Diese erstrebte Veränderung erscheint den Teilnehmerinnen nach dem Prozess realisierbar, weil sie in der Gruppe die Erfahrung machen können, dass sie sich nicht nur mit all ihren Persönlichkeitsanteilen zeigen dürfen und angenommen werden, sondern dass sie sogar als authentischer und selbstbestimmter erlebt werden.

Das Verbergen ihrer sensiblen Eigenschaften ist nicht selten ein Resultat früherer Verletzungen. Da Verletzungen im Kontakt geschehen, ist es für die Frauen ein heilsamer Prozess, sich mit ihren Themen wiederum in Kontakt mit anderen Frauen auseinanderzusetzen.

Ziel ist es nun, die bis zu diesem Zeitpunkt gesammelten Informationen weiter zu verdichten und das gewählte Motiv und die gesammelten Assoziationen in ein Haltungsziel umzusetzen. Die zentrale Frage, die die Teilnehmerinnen bearbeiten, lautet: Wie kann ich mich – mit diesem neuen Wissen – in eine Haltung begeben, in der ich meine Führungsqualitäten besser integrieren kann? Das entwickelte Ziel hat gegenüber sonstigen Vorsätzen den Vorteil, dass es auf drei verschiedenen aber relevanten Ebenen kodiert werden kann: kognitiv, emotional und körperlich. Analog zu dem heutigen Wissen aus der Hirnforschung hat es das Potenzial, ein neu generiertes neuronales Netz zu bilden. Wenn es also gelingt, Ressourcen mit dem Unbewussten zu aktivieren, um etwa zu einem neuen Führungsverständnis zu gelangen, wird eine Veränderung der Einstellung und des Verhaltens möglich.

3. Schritt: Professionelles Kommunizieren und lösungsorientiertes Verhalten auf Basis des selbst gesetzten Haltungsziels

Um das gerade erarbeitete Haltungsziel in der Praxis zu erfahren und der Wirkung nachzuspüren, besteht der letzte arbeitsintensive Programmteil des Seminars überwiegend aus Rollenspielen. Die Inhalte dieser Rollenspiele bilden Situationen, in denen Führungsverhalten simuliert wird: schwierige Mitarbeitergespräche, das Übertragen unangenehmer Aufgaben, die Weitergabe von Kritik, der Umgang mit ungewollten Rückdelegationen oder Widerständen. Häufig werden innerhalb des Rollenspiels alte Verhaltensmuster deutlich erkannt und können in einem zweiten Durchgang mit Unterstützung der Gruppe reflektiert und korrigiert werden. Schon zu diesem Zeitpunkt ist häufig erkennbar, dass ein Umdenken, ein erstes Probieren neuer Verhaltensweisen, ein lustvolles Ausprobieren neuer Kommunikationsstile einsetzt.

Fallbeispiel

Eine Führungskraft beschrieb der Gruppe ihre persönliche Haltung in einem schwierigen Mitarbeitergespräch. Sie musste der Mitarbeiterin mitteilen, dass deren langfristig geplanter und bereits bezahlter Urlaub verschoben werden muss, da das Unternehmen in einem Fusionsprozess steckt und diese Mitarbeiterin wichtige Auswertungen hierfür vornehmen sollte. Die Führungskraft erläuterte ihre innere Haltung folgendermaßen: „solidarisch, verständnisvoll und mitfühlend mit den Bedürfnissen meiner Mitarbeiterin.“ Dies ist erfahrungsgemäß der klassische Spagat zwischen Mitarbeiter- und Ergebnisorientierung, den weibliche Führungskräfte häufig als schwer lösbar empfinden.

Im Laufe der Bearbeitung dieser Situation in der Gruppe modifizierte die Führungskraft ihre Sichtweise. Sie wurde sich ihrer Verantwortung für die Belange des Unternehmens deutlicher bewusst und entwickelte eine professionelle – nach wie vor fürsorgliche – Distanz zur Mitarbeiterin. Diese Distanz erlaubte eine klarere, sachlichere Kommunikation und damit Diskussion möglicher Optionen (z.B. finanzieller Ausgleich der entstandenen Kosten). Die Führungskraft empfand ihre innere Haltung gegen Ende des Workshops als gestärkt, im Sinne einer deutlicheren, professionelleren Distanz anstelle emotionaler Verstrickung.

Fazit und Ausblick

„Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut“. Das Zitat von Karl Valentin beschreibt treffend, mit welchem Grundgefühl Teilnehmerinnen ein solches Seminar besuchen. Im Rahmen eines so angelegten Seminars können sie sich trauen, ohne dass eine Vielzahl innerer Stimmen „Stopp“ sagt und die Frauen wieder in alte Rollenverhalten zurückruft. Sie können sich ausprobieren entlang eines selbst definierten Haltungsziels, das kognitiv, emotional und körperlich spürbar und tragfähig ist.

Die Möglichkeit, sich im Seminarumfeld auch konfrontativ, nicht Harmonie suchend, durchsetzungsbetont, humorvoll, spielerisch, ergebnis- nicht nur mitarbeiterorientiert zu zeigen, führt zu Erfahrungen, die die Teilnehmerinnen durchweg als bereichernd schildern. So kann ein solches Coaching-Erlebnis in einer Gruppe ein guter Weg sein, zur Unterstützung der ohnehin vorhanden fachlichen Kompetenzen und zur Erweiterung der ebenso vorhandenen vielfältigen Ressourcen weiblicher Führungskräfte. Das funktioniert im Übrigen auch mit Männern.

Literatur

  • Damasio, Antonio (1994). Descartes' Irrtum. München: List.
  • Storch, Maja & Krause, Frank (2007). Selbstmanagement - ressourcenorientiert. Göttingen: Huber.

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