Das Jahr 2022 steht im Zeichen der Krise. Die COVID-Pandemie scheint zwar eingehegt, doch ihre Folgen sind in unserem Alltag weiterhin spürbar, auch wirtschaftlich. Zudem zeichnet sich abermals die nächste „Welle“ ab. Hinzu kommt die galoppierende Inflation, die das Leben im Alltag merklich verteuert. Wesentlich bedrohlicher wirkt allerdings der Krieg in der Ukraine, mit direkten katastrophalen Folgen für das Land und seine Bevölkerung. Hierzulande sind die Folgen eine rapide Verteuerung der Energiepreise (insbesondere Gas und Treibstoffe) und eine latente Angst vor dem, was noch passieren könnte.
Entsprechend zurückhaltend reagieren Wirtschaft und Konsumenten: Soll man jetzt noch größere Anschaffungen tätigen, in ein neues Verwaltungssystem bzw. eine neue Maschine investieren – oder jetzt wirklich ein Coaching beginnen? Gerade Letzteres ist für Coaches ein Problem, obwohl gerade Coaching in Krisenzeiten eine sehr wirksame und sinnvolle Unterstützung von Führungskräften ist, die mehr denn je Führung und Zukunftsperspektiven zeigen müssen.
In so einem Umfeld ist es für Coaches schwer, auf sich und ihr Angebot effektiv aufmerksam zu machen. Marketing-Maßnahmen müssen daher gezielt eingesetzt werden und wie das funktioniert, zeigen zahlreiche Texte im Coaching-Magazin, die dieses Thema aus diversen Perspektiven beleuchten. Ferner liefern die Coaching-Marktanalysen der vergangenen Jahre sowie auch die aktuelle Analyse 2022 (kostenlos) statistische Daten u.a. zum Marketing und dessen Wirksamkeit. Im folgenden erste Teil dieser zweiteiligen Beitragsreihe geht es allerdings um die Frage, wie Coaches in der aktuellen krisenbelasteten Lage effektiv ihre Zielgruppen ansprechen und auf ihre Angebote aufmerksam machen können – und das insbesondere mit Fokus auf eine günstige Kosten-Nutzen-Rechnung. Die statistische Grundlage mitsamt allen folgend genutzten Angaben für diese Einordnung stammt aus der zuvor erwähnten Coaching-Marktanalyse 2022 (Rauen et al., 2022). Teil 2, der in der August-Ausgabe des Coaching-Newsletters erscheinen wird, richtet sein Augenmerk auf die Social Media als wirkungsvolles und vermeintlich kostenloses Marketing-Instrument.
Dieser Artikel basiert in Teilen auf zentralen, in komprimierter Weise beschriebenen Ergebnissen der RAUEN Coaching-Marktanalyse 2022. Die vollständigen Ergebnisberichte aller Coaching-Marktanalyse sind kostenlos und ohne jede Zugangsbeschränkung abrufbar.
Ein Blick darauf, welche Werbemaßnahme „funktioniert“, ist unzureichend, da viel zu allgemein. Daher wird im Folgenden (analog zur Coaching-Marktanalyse 2022) die Wirksamkeit differenziert auf insgesamt vier Gruppen betrachtet: Männer und Frauen sowie Coaches mit über 15 Jahren Berufserfahrung und Coaches mit weniger als fünf Jahren Erfahrung. Das hat sich insofern bewährt, als dass in allen bisher erhobenen Marktanalysen es hier zu teils deutlichen Unterschieden kommt. Was auch verständlich ist: Was für Person A funktioniert, muss nicht für Person B funktionieren. Diese kleine Gruppendifferenzierung schafft etwas Abhilfe, insbesondere jene hinsichtlich des Erfahrungsgrads, denn Coaches, die länger am Markt sind und einen großen Klientenstamm haben, können Marketing-Maßnahmen wie beispielsweise die Warmakquise ganz anders einsetzen.
Und gerade die Warmakquise ist eine Maßnahme, die stets ein gutes Ergebnis bei der Klientengewinnung liefert (dieses Ergebnis bestätigen auch die Marktanalysen der Vorjahre; Rauen, 2021). Betrachtet wird hier das Verhältnis zwischen Aufwand (Wie oft wird diese Maßnahme insgesamt von einer der Gruppen eingesetzt?) und Nutzen (Wie wirksam ist die Maßnahme tatsächlich bei der Gewinnung neuer Klienten?). Die Warmakquise ist demnach insbesondere für Frauen (Nutzen: 8,91 %; Einsatz: 6,62 %), Coaches mit unter fünf Jahren Berufserfahrung (Nutzen: 8,23 %; Einsatz: 5,48 %) und Coaches mit über 15 Jahren Erfahrung (Nutzen: 8,52 %; Einsatz: 6,42 %) hinsichtlich des Aufwand-Nutzen-Verhältnisses gut, bei Männern (Nutzen: 4,87 %; Einsatz: 5,90 %) fällt der Nutzen geringer aus als der tatsächliche Einsatz der Maßnahme, weshalb das Aufwand-Nutzen-Verhältnis negativ ist: Es wird viel eingesetzt, aber es generiert im Vergleich dazu wenige Ergebnisse (Aufträge). Allerdings sind die Nutzen-Werte der Warmakquise durchweg hoch (siehe Abb.), weshalb es grundsätzlich eine sehr wirksame Marketing-Maßnahme ist.
Der Aufwand bemisst sich bei dieser Maßnahme darin, dass der Coach selbst aktiv werden, sprich, seine eigene Arbeitszeit investieren muss. Externe Dienstleister oder ähnliche Kosten fallen demnach nicht an. Zugleich sollte der Aufwand nicht unterschätzt werden: Eine gezielte, direkte und persönliche Ansprache bedarf der Vorbereitung, eine Rund-Mail an den Klientenstamm ist hier sicherlich nicht sinnvoll. Zudem ist es relevant, wie groß der Klientenstamm ist, den man ansprechen kann, weshalb erfahrene Coaches hier einen Vorteil haben – zugleich sieht man aber, dass sich dieses Marketing auch für unerfahrene Coaches sehr lohnt.
Man muss sich also bewusst machen, dass es so etwas wie „kostenloses“ Marketing nicht gibt. Entweder muss für eine Dienstleistung, eine Anzeige o.ä., bezahlt werden oder der Coach muss seine Arbeitszeit aufwenden, sozusagen damit bezahlen. Allerdings gibt es eine Ausnahme:
Die Mund-zu-Mund-Propaganda ist das mit großem Abstand wirkungsvollste Marketing-Instrument (siehe Abb.). Den größten Nutzen ziehen Frauen (26,71 %) und erfahrene Coaches (25,09 %), den geringsten Coaches mit weniger als fünf Jahren Erfahrung (19,07 %). Letztere haben noch einen kleinen Pool an bereits gecoachten Klienten und Auftraggebern, weshalb sich ihr Angebot (noch) nicht effektiv und rapide verbreiten kann. Da Coaches bei diesem Marketing erst dann eingreifen müssen, sobald sie eine Coaching-Anfrage erreicht, ist die Mund-zu-Mund-Propaganda hinsichtlich des Aufwand-Nutzen-Verhältnisses durchaus als „Selbstläufer“ zu verstehen. Inwiefern man diesen Prozess aktiv unterstützen oder anstoßen kann, ist eine Frage der richtigen Situation bzw. des Zeitpunkts: Mitten im Coaching-Prozess dürfte ein solcher Hinweis als deplatziert wahrgenommen werden.
Dies vor Augen, empfiehlt sich das aktive Empfehlungsmanagement. Unter den betrachteten Marketing-Maßnahmen bietet es den zweithöchsten Nutzen, am meisten profitieren Frauen mit 10,05 %, am wenigsten erfahrene Coaches mit 6,62 %. Hinsichtlich des Aufwand-Nutzen-Verhältnisses sieht es weniger gut aus, es ist durchweg negativ: Es wird mehr Arbeit investiert, als es Erfolg bringt, was sich insbesondere bei Männern zeigt (Nutzen: 8,54 %; Einsatz: 11,44 %). Betrachtet man jedoch die Mund-zu-Mund-Propaganda und die Warmakquise als ein komplexes System aus Weiterempfehlung und der damit verbunden Notwendigkeit, bei den Zielpersonen im Gedächtnis zu bleiben, sozusagen „im Gespräch zu bleiben“, so ist ein aktives Empfehlungsmanagement unerlässlich. Allerdings ist der Aufwand der regelmäßigen Pflege überschaubar, indem man beispielsweise nach dem erfolgreichen Coaching-Prozess um ein kurzes Statement bittet, das man auf der Homepage veröffentlichen könnte, oder die Möglichkeit, das auftraggebende Unternehmen als Referenzkunden aufführen zu dürfen.
Zu diesem Komplex kann man noch die Maßnahmen des regelmäßigen Newsletterversands und den Gewinn von Referenzkunden zählen. Für sich genommen sind beides Instrumente mit höchstens durchschnittlicher Wirkung, bei Erstgenanntem profitieren Frauen (2,62 %) und erfahrene Coaches (3,34 %) am stärksten, wogegen z.B. weniger Erfahrene nur eine Wirkung von 0,88 % erzielen – diese Maßnahme aber auch mit 0,83 % so gut wie gar nicht einsetzen (dagegen Frauen: 1,83 %; Erfahrene: 1,44 %). Der Newsletter ist dabei eine Möglichkeit, um wie zuvor gesagt, „im Gespräch zu bleiben“, Referenzkunden können als Erweiterung des Empfehlungsmanagements und letztlich der Mund-zu-Mund-Propaganda verstanden werden. Der Arbeitsaufwand des Referenzkundengewinns hält sich stark in Grenzen, Kosten entstehen hier keine. Der Newsletterversand hingegen ist grundsätzlich mit einem erhöhten Arbeitsaufwand verbunden, da man hier Inhalte präsentieren sollte, die möglichst das Interesse der Leserschaft wecken, sonst geht der eigene Newsletter in der E-Mail-Flut unter oder wird abbestellt. Zudem sind Newsletter-Tools, mit denen man die Pflege der Versandliste mitsamt Abonnieren und Abbestellen steuern und automatisieren kann, i.d.R. kostenpflichtig.
Wie zentral das Thema der „Empfehlung“ im Marketing letztlich ist, zeigt die Marktanalyse anhand der Untersuchung der Gründe, weshalb Coaches von Auftraggebern bzw. Klientinnen und Klienten angefragt werden (unterteilt in Coaches ab 15 Jahren und bis fünf Jahren Erfahrung):
Allerdings ist es sinnvoll, auch Personen direkt/indirekt anzusprechen, mit denen man nicht bereits in Kontakt stand. Eine erste Anlaufstelle für Interessierte ist i.d.R. die Homepage des Coachs, weshalb die regelmäßige Homepage-Aktualisierung definitiv auch als Marketing-Instrument zu verstehen ist: Hierbei handelt es sich schließlich um die Selbst-Präsentation bzw. die Vermittlung der eignen Dienstleistung(en). Die Marketing-Wirkung ist gut (siehe Abb.), am stärksten profitieren Männer (Nutzen: 5,97 %; Aufwand: 4,81 %), sie haben auch das beste Aufwand-Nutzen-Verhältnis. Coaches mit über 15 Jahren Erfahrung haben mit 3,25 % den geringsten Erfolg mit dieser Maßnahme, doch ist das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen bei Frauen (Nutzen: 4,10 %; Aufwand: 6,15 %) und weniger erfahrenen Coaches (Nutzen: 3,63 %; Aufwand: 5,48 %) etwas schlechter.
Im Grunde kann man dieses Instrument mit der Marketing-Maßnahme der Veröffentlichung von Fallberichten auf der Homepage kombinieren. Das Aufwand-Nutzen-Verhältnis ist hier durchweg positiv, allerdings wird es nur von wenigen Coaches zwecks Marketing eingesetzt (siehe Abb.). Die beste Wirkung erzielen Männer (3,92 %), erfahrene (3,31 %) und weniger erfahrene Coaches (3,28 %). Aktualisierungen sowie Fallbericht-Veröffentlichungen sind grundsätzlich mit Zeitaufwand seitens des Coachs verbunden, wobei der zeitliche Umfang letztlich individuell unterschiedlich ausfällt, da es manchen leicht fällt, Texte zu formulieren und passende Bilder auszuwählen, andere hierfür aber viel Aufwand und Zeit benötigen. Zwar ist das technische Betreiben einer Homepage sowie deren Erstellung i.d.R. mit Kosten verbunden, jedoch ist ein Auftritt im Internet mittlerweile unerlässlich.
Die Kaltakquise, die direkte Ansprache unbekannter aber potentieller Interessenten, steht im oberen Mittelfeld der Wirksamkeit der Marketing-Instrumente (siehe Abb.). Die beste Wirkung und das beste Aufwand-Nutzen-Verhältnis erzielen Frauen (Nutzen: 3,00 %; Nutzen: 1,13 %), gefolgt von erfahrenen (Nutzen: 2,56 %; Aufwand: 1,84 %) und weniger erfahrenen Coaches (Nutzen: 2,53 %; Aufwand: 1,88 %). Männer erzielen zwar mit 2,91 % eine durchaus gute Wirkung, doch setzen sie die Kaltakquise auch mit 3,01 % am häufigsten ein, weshalb die Effektivität etwas schlechter im Vergleich zu den anderen Gruppen ist. Der Arbeitsaufwand ist im Grunde vergleichbar mit der Warmakquise, bedarf also durchaus Vorbereitungszeit und v.a. eines genauen Plans, was man wie vermitteln und ansprechen möchte. Ist dies aber einmal geschafft, ist es möglich, dies als Vorlage für das abermalige Vorgehen zu nutzen.
Zwar blickt dieser Beitrag auf die Möglichkeiten des kostenlosen Marketings, doch gibt es mit Kosten verbundene Maßnahmen, die gute Wirkungen erzielen – und ein effektiver Einsatz finanzieller Mittel ist letztlich auch eine sinnvolle Investition. Daher eine kurze Darstellung.
Online-Werbung ist tatsächlich ein verhältnismäßig gut funktionierendes Marketing-Instrument. Frauen setzen es mit 4,74 % am effektivsten ein, das beste Aufwand-Nutzen-Verhältnis haben Coaches mit über 15 Jahren Erfahrung (Nutzen: 3,62 %; Aufwand: 1,70 %), weniger Erfahrene ziehen ebenfalls guten Nutzen mit 3,62 %, haben aber mit einem Aufwand von 3,67 % ein schlechteres Aufwand-Nutzen-Verhältnis. Sinnvoll erscheint eine Verknüpfung der Online-Werbung mit digitalen Instrumenten wie der Homepage-Aktualisierung (und ggf. Fallstudien) und dem regelmäßigen Newsletter-Versand, sodass Interessierte nicht nur gut auf die eigenen Dienstleistungen aufmerksam gemacht werden, sondern auch mittels des Newsletter-Abos den Coach im Gedächtnis behalten.
Auch der Besuch von Netzwerkveranstaltungen hat ein überzeugendes Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen, wobei weniger erfahrene Coaches (Nutzen: 4,27 %; Aufwand: 3,58 %) den größten Nutzen hieraus ziehen, dicht gefolgt von Frauen (Nutzen: 3,71 %; Aufwand: 2,90 %) und Männern (Nutzen: 3,82 %; Aufwand: 2,41 %). Erfahrene Coaches hingegen gehen seltener zu derartigen Veranstaltungen, profitieren davon aber auch kaum (Nutzen: 0,75 %; Aufwand: 1,18 %). Die Kosten für eine derartige Veranstaltungen sind nicht zu unterschätzen, da neben Eintrittskosten auch die Anfahrt und ggf. Übernachtung bezahlt werden müssen. Ähnlich verhält es sich mit dem Instrument der Kundenveranstaltungen, die ggf. auch noch Kostenpunkte wie Verpflegung der Gäste, Miete eines entsprechenden Raums usw. mit sich bringen. Entsprechend selten wird diese Maßnahme eingesetzt, am häufigsten von Coaches mit weniger Erfahrung (Aufwand: 1,28 %), die aber deutlich weniger Nutzen (0,79 %) hiervon haben. Am meisten profitieren Frauen (Nutzen: 1,55 %; Aufwand: 1,03 %).
Ein Marketing-Instrument, das keinen Geldfluss voraussetzt, bedeutet nicht, dass es kostenlos ist. Die „Bezahlung“ erfolgt dann i.d.R. durch die eigenen Arbeitszeit. Zwar gibt es im Bereich des Empfehlungsmanagements durchaus Möglichkeiten, ganz ohne das eigene Zutun an Klientinnen und Klienten zu kommen, doch können hiervon sicherlich nur die wenigsten Coaches leben – insbesondere nicht jene, die noch am Anfang ihrer Coaching-Karriere stehen. Doch gerade in Krisenzeiten, in denen die finanziellen Mittel sehr gezielt eingesetzt werden sollten, lohnt es sich ggf., stärker auf die eigene Arbeitszeit als Bezahlung zu setzen.
In diesem Zuge ist aber durchdachtes und kombiniertes Vorgehen sinnvoll: Man kann diverse Marketing-Instrumente miteinander verbinden, beispielsweise die Homepage-Aktualisierung gleich mit der Veröffentlichung von Fallberichten koppeln, Klienten sowie Auftraggeber gezielt in Richtung des Empfehlungsmanagement ansprechen, sodass Referenzen und Mund-zu-Mund-Propaganda ihren Lauf nehmen. Man spart Zeit, nutzt aber die Wirkungsweisen gleich mehrerer Instrumente.
Im zweiten Teil liegt das Augenmerk auf dem Einsatz der Social Media zwecks Marketing. So zeigen zwar die Ergebnisse der Coaching-Marktanalyse sehr deutlich die Wirksamkeit einiger Social Media-Kanäle, doch trifft das keineswegs auf alle zu. Welche Social Media-Kanäle tatsächlich bei der Ansprache von Klienten Nutzen bringen und wie das Verhältnis von Aufwand und Nutzen aussieht sowie mit welchen Kosten man ggf. bei auf den ersten Blick kostenlosen Plattformen rechnen muss, wird zu klären sein.