Coaching zeichnet sich bekanntermaßen durch eine hohe Anschlussfähigkeit in beruflichen bzw. arbeitsweltlichen Kontexten aus. Auch aus diesem Grund konnte es sich über die Jahre insbesondere im Business-Bereich etablieren – als reflexives Beratungsformat für hochrangige Manager sowie Führungs- und gelegentlich auch Fachkräfte. Ein weiterer Grund: Coaching ist kostenintensiv. Laut der jährlich durchgeführten Coaching-Umfrage Deutschland (Jörg Middendorf, Büro für Coaching und Organisationsberatung) lag das durchschnittliche unternehmensbezahlte Stundenhonorar eines Coachs im Jahr 2015 bei rund 183 Euro. Ergo: Nur dort, wo viel Geld zur Verfügung steht, nur dort, wo ein finanzieller Return on Investment zu erwarten ist, kann Coaching als feste Maßnahme in die Personalentwicklung integriert werden.
Dass sich Coaching einer konstant starken Nachfrage von Unternehmensseite erfreut, dürfte auch an gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen liegen, die der Roundtable der Coachingverbände (RTC), eine Interessengemeinschaft im deutschsprachigen Raum aktiver Coaching-Verbände, in einem 2015 veröffentlichten Positionspapier schildert. Steigende Komplexität, Flexibilität und Beschleunigung, so der RTC, haben die arbeitsbezogenen Anforderungen stark verändert. Dies gehe mit weitreichenden Konsequenzen für die handelnden Personen einher: „Das Arbeitsleben ist heute zunehmend charakterisiert durch eine gestiegene Erwartung an die Eigenständigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Eigenverantwortung des Einzelnen. Zugleich sind die Bereitschaft und Fähigkeit zur kooperativen Interaktion und effizienten Kommunikation (…) notwendige Kompetenzen im Arbeitsprozess.“ Coaching könne bei der Bewältigung dieser Herausforderungen hilfreich sein, indem es etwa zur Förderung von (Selbst-)Reflexions-, Handlungs- und Orientierungsfähigkeit beitrage oder die Resilienz-Fähigkeit der Betroffenen stärke.
Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass sich diese Problemstellungen nicht auf die Business-Welt beschränken. Öffentliche Einrichtungen und Non-Profit-Organisationen dürften gleichermaßen und zum Teil noch stärker mit den beschriebenen Herausforderungen und den daraus folgenden Unsicherheiten und Belastungen konfrontiert sein. Welche Fragen und Anliegen bewegen sie konkret? Was motiviert Anbieter von Non-Profit-Coaching zu ihrer Arbeit und wie organisieren sie ihr Engagement? Zwei Beispiele.
Susanne Ebert, Leiterin der von Coaching-Pionier Dr. Bernd Schmid 2011 ins Leben gerufenen Schmid-Stiftung, gibt zu bedenken: „Das engagierte Handeln von Non-Profit-Organisationen ist ein Pfeiler unserer Gesellschaft.“ Eine Einschätzung, die auf breite Zustimmung stoßen sollte. Als entsprechend hoch ist das gesellschaftsdienliche Potenzial des Coachings einzustufen, sagt man diesem doch nach, gerade beim Überspringen neuer oder intensivierter Hürden wertvolle Hilfestellungen leisten zu können. Die Stiftungsleiterin bestätigt: „Die Strategie, die Kultur und die Struktur zu beleuchten und Wege zu deren Entwicklung zu finden, macht Organisationen zukunftssicher. Gerade bei Wachstum und Veränderungen lohnt es sich, frühzeitig in Professionalisierung und Organisationsentwicklung zu investieren.“ Ganz konkret stellen sich Non-Profit-Organisationen, so Ebert, in ihrem Alltag vor allem folgende Fragen:
Die Schmid-Stiftung will genau hier Abhilfe schaffen und stellt bundesweit Coaching- bzw. Organisationsentwicklungs-Know-how zu gemeinnützigen Zwecken bereit. Hierfür bietet die Partnerorganisation des ebenfalls von Schmid gegründeten und in Wiesloch bei Heidelberg ansässigen Instituts für systemische Beratung (isb) Begleitungsformate an, von denen gemeinwohlorientierte Organisationen profitieren sollen – darunter etwa Formate, die auf Reflexion, Spiegelung und Klärung von Entwicklungsanliegen oder auf Umsetzungsbegleitung zielen.
„In Ihrem Coaching- und Beratungsalltag kommen Sie mit Vertretern gemeinwohlorientierter Organisationen oder Initiativen in Kontakt und erfahren von deren organisationalen Fragestellungen. Ihnen wird klar, dass diese Organisationen für eine bezahlte Dienstleistung nicht die nötigen Finanzmittel aufbringen können“, verdeutlicht Schmid, Ehrenvorsitzender des Präsidiums des Deutschen Bundesverbandes Coaching e.V. (DBVC), den Stiftungszweck und unterstreicht: „Es braucht das Engagement von Menschen, die sich mit ihrem Beratungs- und Organisationsentwicklungs-Know-how unentgeltlich engagieren.“
Der Wandel, in dem die Welt begriffen ist, macht auch vor dem Schulbetrieb nicht Halt, weiß man bei der in Bad Heilbrunn beheimateten Coaching-Initiative. „Die neue Zeit braucht neues Lernen“, erläutert Petra Gregory, geschäftsführende Gesellschafterin der gemeinnützigen Initiative. Lineare Kompetenzen der Vergangenheit reichten nicht mehr aus, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen, was sich aktuell in einem steigenden Zulauf für private Schulen mit neuen Lernkonzepten abbilde. Gefragt seien zunehmend etwa die Fähigkeiten des Querdenkens und des Verstehens komplexer Zusammenhänge sowie der Mut, Bewährtes infrage zu stellen. „Dazu muss Schule den Raum bieten, die nötigen Kompetenzen zu entwickeln“, fügt Andrea Scherkamp an, ebenfalls geschäftsführende Gesellschafterin. Für die Schulen und das Schulsystem bedeute dies, mit einem umfassenden Change-Prozess konfrontiert zu sein. Vor diesem Hintergrund hat es sich die Coaching-Initiative zur Aufgabe gemacht, ehrenamtliche Coaches zur Unterstützung von Lehrern, Schulleitern und Schulgemeinschaften zu vermitteln.
Transformationsprozesse können bekanntermaßen mit wesentlichen Belastungen für die agierenden Akteure verbunden sein. Beispielsweise zählten anhaltende Konflikte, das Bröckeln eigener Ideale unter dem ständigen Druck, funktionieren zu müssen, und eine steigende Gesundheitsbelastung von Lehrern und Schulleitern zu den häufigen Coaching-Anlässen, erklärt Scherkamp. Gerade Schulleiter stünden oftmals „zwischen allen Fronten“, was zulasten notwendiger Klarheiten gehen könne. Fragestellungen und Themenfelder im Coaching seien dann etwa: die Definition der eigenen Rolle und eigener Grenzen, die Förderung des Teamgeistes im Kollegium, die Positionierung als neuer Schulleiter oder die Leitbildentwicklung für die Schule, die beim Schulleiter selbst beginnen müsse.
In den letzten vier Jahren hat die Schmid-Stiftung nach eigener Auskunft ca. 100 Organisationen begleiten können. Die Stiftung, folgert Ebert, werde zunehmend „als konstanter Partner für Organisationsentwicklung im Dialog“ wahrgenommen. Wie ist dies zu bewerkstelligen? Eine unverzichtbare Ressource stellt das Alumni-Netzwerk des isb dar, wie Ebert verrät: „Aus dem Netzwerk gewinnen wir die Dialogpartner, die die Organisationen in ihrer Entwicklung begleiten.“ Die Dialogpartner bringen ihr Beratungs-Know-how in die Pro-bono-Arbeit der Stiftung ein – eine Konstellation, die für alle Beteiligten einen Gewinn darstelle. „Die Non-Profit-Organisationen profitieren von dieser Expertise und den Absolventinnen und Absolventen bieten wir Anlässe und Rollen, sich in ihrer Profession für gesellschaftliche Zwecke zu engagieren.“ Für die ehrenamtlich tätigen Alumni bestehe der Nutzen vor allem im Erfahrungsgewinn. Immer wieder, so die Stiftungsleiterin, meldeten die ehrenamtlichen Coaches zurück, dass sie tiefe Einblicke in das Arbeiten von Non-Profit-Organisationen erhielten und diese Erfahrungen auch wieder in ihre Arbeit im Profit-Sektor einfließen ließen – und umgekehrt. Ebenso sei das Zusammenwirken über die Grenzen des eigenen Stiftungsumfelds hinaus wichtig, erklärt Ebert: „Die Vernetzung mit anderen Non-Profit-Organisationen, Stiftungen, Vereinen und Verbänden ist wichtig für die Multiplikation unseres Angebotes sowie für den Austausch zu Themen, die den Non-Profit-Sektor bewegen.“
Auch bei der Coaching-Initiative ist man nicht auf sich allein gestellt und erhält Unterstützung aus der Coaching-Branche. Die International Coach Federation Deutschland e.V. (ICF-D) und der Deutsche Coaching Verband e.V. (DCV) haben bereits vor Jahren die Schirmherrschaft für die Initiative übernommen. Im Rahmen eines Projekts, das speziell auf die Unterstützung von Lehrern von Schulklassen mit hohem Flüchtlingskinder-Anteil abzielt, wird zudem mit dem DBVC zusammengearbeitet. Wesentlicher Gegenstand der Kooperationen ist die Vermittlung verbandsanerkannter Coaches. „Durch diese Zusammenarbeit gibt es einen Coach für jede Schule der Republik“, verweist Scherkamp auf ein Versprechen der Initiative, das erst durch die Netzwerkarbeit eingelöst werden könne.
Und tatsächlich kann sich das geleistete Pensum der Coaching-Initiative sehen lassen: Seit 2009 habe man in gut 130 Projekten fast 8.000 Coaching- und Workshop-Stunden erbracht, schildern Scherkamp und Gregory. An insgesamt 95 Schulen seien 323 Personen im Einzel-, Team- oder Gruppen-Coaching begleitet worden. Weitere 1.265 Personen habe man über Workshops erreicht. Fernab der Zahlen sieht Scherkamp auch den Nutzen der erbrachten Coachings bestätigt: „Mittlerweile sind die ersten Konrektoren, die im Coaching waren, selbst Schulleiter und holen uns wieder dazu – für Team-Coachings und Kulturprozesse.“ Neben der obligatorischen Evaluation der Begleitungen zeige nicht zuletzt auch dies, dass das Coaching nachhaltige Wirkung habe.
Mit Blick auf die Consultingbranche bezog der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V. (BDU) im Juni 2017 kritisch Stellung hinsichtlich des Angebots kostenloser Beratung. Es müsse „sauber zwischen wirklichen Pro-bono-Projekten und anderen nicht vergüteten Beratungsleistungen“, die vertrieblich motiviert sind und auf spätere Gegenleistungen in Form regulärer Aufträge abzielen, differenziert werden, erklärt BDU-Präsident Ralf Strehlau. Letztere Projekte dürften nicht unter dem Pro-bono-Label laufen. Und zwar auch dann nicht, wenn sie zugunsten von Non-Profit-Organisationen oder öffentlicher Einrichtungen erfolgen. Auch hinsichtlich des hiermit vom BDU hervorgehobenen Aspekts der Transparenz mag es förderlich sein, die gegebene Bereitschaft zu ehrenamtlichem Coaching-Engagement in eigens zu gemeinnützigen Zwecken gegründeten Organisationen zu bündeln und zu vernetzen, anstatt sie – trotz sicherlich durchweg guter Absichten – von privatwirtschaftlichen Anbietern parallel zum Profit-Geschäft „auf eigene Faust“ umsetzen zu lassen.
Für viele Unternehmen gehört das Wahrnehmen gesellschaftlicher Verantwortung längst zum guten Ton und ist – über den gemeinnützigen Kerngedanken hinaus – zum festen Bestandteil imagefördernder Öffentlichkeitsarbeit geworden. Wenngleich die von Einzelanbietern geprägte deutsche Coaching-Branche jenseits der fachlichen Kompetenz selbstverständlich nicht mit den Ressourcen und Strukturen aufwarten kann, die der Welt der großen Unternehmen und Konzerne zur Verfügung stehen, so verdeutlichen die hier vorgestellten Projekte: Durch Vernetzung in gemeinwohlorientierten Organisationen, die auch dem Transparenzgedanken zuträglich sein kann, und fachlichem Know-how kann manches bewegt werden, was letztlich nicht nur dem guten Zweck, sondern zugleich dem bisweilen noch immer diffusen öffentlichen Bild der Branche zugutekommt. Und zwar nicht aufgrund der bloßen Bereitschaft, sich im Sinne des Gemeinwohls zu engagieren. Sondern weil der Nutzen, den Coaching angesichts der eingangs beschriebenen arbeitsbezogenen Herausforderungen entfalten kann, über die Grenzen des profitorientierten Business-Bereichs hinweg noch sichtbarer wird.