Im Rahmen der Coaching-Marktanalyse 2021 (Rauen, 2021) wurde festgestellt, dass das Online-Coaching mittels Videoübertragung im Zuge der Coronavirus-Pandemie erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Mit dem Einsatz von Konferenzsystemen sind die Möglichkeiten, welche die Digitalisierung auch mit Blick auf das Coaching (potenziell) bietet, jedoch längst nicht erschöpft. Ein in diesem Kontext mitunter diskutiertes Thema stellt der Einsatz von Coaching-Chatbots dar. So führt etwa Barczynski (2019) aus, dass ein (intelligenter) Bot vor dem Coaching zum Zweck der Anliegenklärung und -spezifizierung eingesetzt werden könne. Der Nutzen bestünde dann darin, den eigentlichen Coaching-Prozess schneller und gezielter beginnen zu können.
Wie funktionieren und kommunizieren Coaching-Chatbots? Was können sie leisten und wo stößt ihr Einsatz (derzeit) an Grenzen? Über diese und weitere Fragen sprach die Redaktion des Coaching-Magazins mit Dr. Katharina Ebner, Wissenschaftlerin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Am Lehrstuhl für „Psychologie, insbes. Wirtschafts- und Sozialpsychologie“ forscht Ebner zum Thema Chatbots im Karriere-Coaching. Für ihre Forschung, in deren Rahmen der Coaching-Chatbot „Niti“ entwickelt wurde, erhielt Ebner 2022 eine Fellow-Auszeichnung vom Dr. Theo und Friedl Schöller Forschungszentrum für Wirtschaft und Gesellschaft. Diese ist mit einer Summe von 20.000 Euro dotiert.
Ich entwickele seit mehr als 15 Jahren strukturierte Coaching-Programme. Hierbei habe ich Leitfäden zur Anliegenklärung für das Einzelsetting im Karriere-Coaching, die in der Ausbildung meiner Studierenden zur Anwendung kommen, ebenso wie komplette Manuale für Coaching-Curricula im Gruppenkontext für Anliegen rund um Stressbewältigung, Zeitmanagement und Prüfungsbewältigung konzipiert. Dabei griff ich immer wieder auf die Werkzeuge zurück, die uns im systemischen Coaching zur Verfügung stehen. Zwei Dinge haben die Idee reifen lassen, diese Art des strukturierten Coachings mit Chatbot-Technologien zu verschmelzen: zum einen die positiven Evaluationsergebnisse meiner bisherigen Arbeiten, die unsere Methoden als wirksam belegen, und zum anderen die zunehmende Verlagerung von Coaching-Angeboten ins Web – konkret also die Durchführung von Coachings mit Hilfe von Videokonferenzsystemen. Logisch weitergedacht wird Coaching zukünftig zunehmend medial vermittelt werden. Und diese Entwicklung möchte ich mitgestalten.
Meine Überzeugung ist, dass ein Chatbot einige systemische Werkzeuge nutzen kann. Ich denke dabei beispielsweise an Skalierungsfragen. Diese Werkzeuge können einen Unterschied machen und sind dabei nicht an die Person des Coachs gebunden. Tatsächlich bin ich nicht nur von der Nützlichkeit des systemisch inspirierten Vorgehens überzeugt, sondern davon, dass die Gestaltung von technologisch vermittelten psychologischen Interventionen von psychologisch ausgebildeten Experten begleitet werden muss. Wir sollten dieses Feld nicht Disziplinen wie der Informatik überlassen, sondern mit ihnen kooperieren. Ziel unseres Forschungsprojektes „Karrierecoaching via Chatbot“ war es, herauszufinden, ob ein vordefinierter Gesprächsverlauf mit einem Coaching-Chatbot Klientinnen und Klienten dabei helfen kann, Karriereressourcen zu stärken oder einem antizipierten Karriereziel näherzukommen.
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