Im Rahmen der Professionalisierung des Coachings steht nun auch die Person des Coachs im Fokus der Aufmerksamkeit. Dies ist wenig verwunderlich, da dessen Abgrenzung gegenüber ähnlichen Professionen – wie dem des Beraters oder Therapeuten – im Hinblick auf die Schärfung des eigenen Berufsbilds notwendig ist. In den frühen Jahren der Coaching-Ära arbeiteten vor allem externe Berater als „Coachs“ für Unternehmen, von denen die meisten einen therapeutischen Hintergrund aufwiesen (Peltier, 2001). So erklärt sich auch die starke Verbreitung therapeutischer Modelle und Techniken innerhalb der Coaching-Zunft (Passmore, 2006).
Allerdings veränderte sich der Coaching-Markt in den letzten Jahren mit zunehmender Professionalisierung. Die meisten Coachs kommen heutzutage aus den Bereichen Human Resources und Management. Welcher Persönlichkeitstyp entscheidet sich für den Beruf als Coach? Wirken sich die Persönlichkeitspräferenzen auf die Wahl des eigenen Coaching-Stils aus? Mit solchen Fragen beschäftigte sich die Forschungsgruppe um Jonathan Passmore, dem Leiter des Coaching Psychology Unit an der University of East London in dieser Studie.
Anhand des populären Persönlichkeitsdiagnostikums „Myers Briggs Typindikator (MBTI)“ wurden Antworten von 261 Coachs (Frauen: 61,3 %) aus Großbritannien zu ihren Persönlichkeitspräferenzen per Online-Erhebung analysiert. Hierbei handelt es sich um Mitglieder der Association for Coaching (AC) und der Special Interest Group for Coaching Psychology der British Psychology Society (BPS) mit mehr als 50 Sitzungen Coaching-Erfahrung.
Der MBTI beschreibt vier bipolare Präferenztypen (Extraversion [E] vs. Introversion [I]); Sensing [S] vs. Intuition [N]; Thinking [T] vs. Feeling [F]; Judging [ J] vs. Perceiving [P]). Mittels der Kombination dieser Präferenzen lassen sich 16 Persönlichkeitstypen identifizieren (z. B.: ENTP), die nach Aussagen der Autoren Hinweise auf die Interessen, Wertevorstellungen, Bedürfnisse und Gewohnheiten der Befragten liefern. Eine Zusammenfassung der 16 Typen in vier Basistemperamente erfolgte nach dem Ansatz von Keirsey (1998): Als erstes führt er den Artisanen an, dem die Kombination aus den Präferenzpolen Sensing (S) und Perceiving (P) zugeschrieben wird. Ihm ordnet er eine hohe taktische Intelligenz zu.
Des Weiteren kennzeichnet Artisanen das Streben nach Handlungsfreiheit und Abwechslung. Die Stärke des „Beschützers“ (SJ) ist die logistische Intelligenz. Struktur und Planung, Zugehörigkeit und Verantwortungsgefühl zeichnen ihn ebenfalls aus. Die Idealisten gelten als die dritte Basispersönlichkeit (NF). Bei ihnen dominiert diplomatische Intelligenz. Kernthemen dieser Persönlichkeiten sind die Klärung, Integration und Inspiration. Für Personen mit rationaler Präferenz (NT) ist die strategische Intelligenz charakteristisch. Kompetenz, Verständnis und Wissen sind zentrale Bestandteile ihres Wertesystems.
In den Analysen zeigte sich, dass die befragten Coachs grundsätzlich eher eine intuitive Form (N) statt einer Fakten (und Detail) orientierten (S) Informationsverarbeitung präferieren. Die Annahme, dass sich der Großteil der Coachs in ihrer Entscheidungsfindung eher an den persönlichen Werten und Bedürfnissen (F) und weniger nach Logik und Vernunft (T) orientieren, konnte tendenziell gefunden werden, wurde aber nicht statistisch bestätigt.
Bezogen auf die Coaching-Stile zeigte sich in den deskriptiven Analysen bei den humanistisch ausgerichteten Coachs der MBTI-Typ ESFP (33,3 %) und ENFJ (33,3 %), während die kognitiv-verhaltenstheoretisch orientierten Coachs häufiger den MBTI-Typ INTJ (18,2 %) und INTP (18,2 %) gefolgt vom ENTJ (13,6 %) aufwiesen. Aber auch hier war aufgrund einer zu geringen Häufigkeit der humanistischen Coachs keine statistisch fundierte Aussage möglich.
Orientiert an der Typisierung nach Keirsey zeigte sich, dass die Coachs – wie auch die Berater – am häufigsten in die Richtung des „Idealisten“ (NF; C: 47%; B: 55%) tendieren. Zusätzliche Analysen verweisen in der Ausprägung des idealistischen Basistemperaments einen Unterschied in der Dimension Extraversion vs. Introversion zwischen Coachs und Berater. Die Idealisten unter den Coachs in dieser Untersuchung sind häufiger extravertiert, die Idealisten unter den Beratern eher introvertiert. In der Gruppierung der „Rationalisten“ (NT) fanden sich deutlich mehr Executive-Coachs als Berater (C: 38 %; B: 16%). Das umgekehrte Bild zeigte sich für Verteilung des „Beschützers“ (SJ; B: 33%; C: 12%).
Die vorliegende Studie startet mit den hehren Zielen, die Person des Coachs als Kernelement eines guten Coachings zu untersuchen. Vor dem Hintergrund des Professionalisierungswunschs der Branche sind dies notwendige Schritte. Allerdings zeigt diese Studie deutliche Schwächen, die ihren Erkenntnisgewinn schmälern. Hierunter fällt mitunter die stark eingeschränkte Repräsentativität der Coachs aufgrund der sehr geringen Rücklaufquote (17,3 % der ursprünglich befragten Coachs). Aufgrund starker Präferenz des kognitiv-verhaltenstherapeutischen Coaching-Stils unter den befragten Coachs war eine statistische Beantwortung der Frage nach Passung zwischen Coach-Persönlichkeit und Coaching-Stil nicht möglich.
Des Weiteren fehlt eine ausreichende Beschreibung der Erhebungsstrategie und Charakteristika der Vergleichsstichprobe der Berater. So ist unklar, ob es sich um Berater aus dem klinisch-psychologischen Kontext oder dem arbeitspsychologischen Kontext handelt. Zu guter Letzt bleibt anzumerken, dass der MBTI in seiner Aussagekraft und Interpretation umstritten ist. Dennoch ist der Ansatz der Autoren hervorzuheben, den Fokus der Forschung auf Merkmale des Coachs zu richten, um die Effizienz des Coachings zu fördern.