Wissenschaft

Entfaltende und hemmende Präsenz im Coaching

Bewegungsenergie als spezifische Form nonverbaler Kommunikation in der Coach-Klient-Beziehung

Coaching kann vielfältige positive Wirkungen entfalten. Dies ist mittlerweile belegt, sodass Forschende sich verstärkt den Coaching-Prozessen und damit der Frage, wodurch Coaching wirkt, widmen können. Die im Folgenden vorgestellte Studie ist genau hier zu verorten. Sowohl Coaches als auch Klienten gaben im Anschluss an durchgeführte Coaching-Sitzungen ihre Erfahrungen wieder. Sinn und Zweck dieses Unterfangens war es, herauszufinden, wann Präsenz – verstanden als dynamisches Phänomen in der Coach-Klient-Beziehung – eine entfaltende bzw. hemmende Wirkung auf die Zielerreichung hat.

13 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 4 | 2021 am 17.11.2021

Von der International Coaching Federation (ICF) als die wichtigste Kernkompetenz von „Meister-Coaches“ gepriesen, ist Präsenz eine willkommene, jedoch nicht immer rundum verstandene Fertigkeit. Einerseits finden sich ausreichend Beschreibungen über die Elemente, die Präsenz abstecken, andererseits fehlt ein ausreichendes Verständnis rund um die Elemente, die Präsenzlosigkeit ausmachen. Ebenso wenig ist die Wirkung der zwei Seiten dieser Medaille auf den Fortschritt des Klienten im Coaching-Prozess bekannt.

Begriffsklärung

In diesem Artikel werden die Begriffe der Bewegungs- und Grundenergie verwendet. Unter Bewegungsenergie versteht man die Menge der Bewegungen, welche in der Interaktion zwischen Kommunikationspartnern spontan entsteht und objektiv als Energie messbar ist (MEA, Motion Energy Analysis; siehe Ramseyer, 2016). Im Gegensatz dazu bildet die Grundenergie jene Menge an Bewegungen ab, welche ein Kommunikationspartner individuell und als Persönlichkeit in die Interaktion einbringt. In diesem Sinne unterscheidet sich die für die Präsenzforschung gemessene nonverbale Bewegungsenergie von „konventioneller“ nonverbaler Kommunikation (z.B. Bandler & Grinder, 1990), die u.a. impliziert, dass Kommunikationspartner bewusst Bewegungen nachahmen oder Bewegungen initiieren, um beim Gegenüber eine Wirkung zu erzielen.

Ein neuer Forschungsansatz

Eine umfangreiche international durchgeführte und mit einem Harvard-Stipendium dotierte Coaching-Prozess-Forschung (Erdös & Ramseyer, 2021) untersuchte rein auf Video basierte Aufnahmen von 184 Coach-Klient-Paaren im Umfang von jeweils zehn Coaching-Stunden, um ein spezielles interpersonelles Phänomen im Coaching zu erkunden: Bewegungsenergie durch nonverbale Synchronie. Im Speziellen wurde untersucht, welche Wirkung die durch Bewegungsenergie erfasste spontane nonverbale Reaktionsfähigkeit zwischen Coach und Klient auf die zu erzielende Entwicklung des Klienten hat.

Wir erfahren durch diesen neuen Ansatz, wie reine Bewegungssynchronie über das in der Psychotherapie als Motion Energy Analysis (MEA; Ramseyer, 2020) etablierte Analyse-Werkzeug Präsenz abbilden kann. Erfasst wurde, wann Präsenz entfaltende und hemmende Wirkung auf die Fähigkeit von Klienten hat, sich emotional und kognitiv so zu regulieren, dass sie den von ihnen angepeilten Fortschritt erreichen. Auf der Grundlage der Resultate wird argumentiert, dass unser Körper kein Skelett ist, das unseren Körper spazieren trägt, sondern vielmehr das verlässlichste „Messinstrument“ darstellt, das unsere Präsenz manifestiert (Erdös & Ramseyer, 2021). Daher ist Präsenz primär ein komplexes und dynamisches Coach-Klient-Phänomen. Dabei spricht unser Körper über unsere spontane Reaktionsfähigkeit Bände.

In diesem Sinne geht dieser Artikel der Frage nach, inwiefern Bewegungsenergie für die Wirkung von Präsenz im Coaching relevant ist, und weist so die Richtung für den Zusammenhang zwischen Bewegungsenergie und Präsenz bzw. Präsenzlosigkeit im Coaching. Er tut dies durch einen Brückenschlag zwischen Bewegungsenergie und der Komplexität der Natur. Über diesen Brückenschlag liefert er die Antwort, wie Coaches Bewegungsenergie als Kompass für die entfaltenden sowie hemmenden Kräfte von Präsenz anwenden können, um Klienten in ihrem Entwicklungsprozess erfolgreich zu unterstützen. Wo fing das Fragenstellen eigentlich an?

Der Appetit auf ein klareres Verständnis von Präsenz

Eines Tages stellte mir ein Klient in einer Coaching-Sitzung unvermittelt die Frage: „Warum geht Ihr Körper nach hinten, wenn Sie eigentlich ‚Ja‘ sagen?“ Ich wurde neugierig und lud den Klienten umgehend ein, diese scheinbar mangelnde Kongruenz zwischen meiner spontanen körperlichen Reaktion und meinem verbalen Output zu erkunden, weil er kundtat, dass er nicht mehr sicher wäre, welchem Signal er in unserer Interaktion mehr vertrauen sollte. Zudem äußerte er, dass er sich überfordert fühlte, es ihm schwerfiele, seine Aufmerksamkeit auf das Coaching-Ziel zu lenken, und er daher erwägen würde, das Coaching zu beenden.

Beeindruckt von der Präzision der Wahrnehmungsfähigkeit des Klienten einerseits und sichtlich erstaunt über meine spontane nonverbale Reaktion auf diesen andererseits, begab ich mich mit einem Gefühl der Verletzlichkeit auf die Erkundungsreise möglicher Dynamiken in unserer Coaching-Beziehung. Kurzerhand ergaben unsere Reflexionen, dass die Rückwärtsbewegung meines Körpers …

  • ein Ausdruck eines unterdrückten Druckmoments in mir war,
  • meine vermeintlich bewussten Gedankenprozesse übersteuert hat und
  • in prompter Reaktion auf eine fordernde Frage des Klienten, die ich nicht bewusst als solche wahrnahm, zum Ausdruck kam.

Mein Appetit auf das Erforschen der Qualität und Wirkung der wachen Reaktionsfähigkeit und Präsenz des Körpers auf die Coaching-Beziehung über die Bedeutung gedanklicher Wahrnehmungsprozesse hinaus war somit geboren. Meine ersten Nachforschungen ergaben, dass wir im Coaching weder Wissenserfahrung noch Erfahrungswissen über die Essenz spontaner Reaktionsfähigkeit und Bewegungsenergie haben. Sehr wohl fand ich heraus, dass wir ausreichendes Verständnis darüber haben (z.B. Gollwitzer, 1996), dass Zielabsicht, Zielsetzung und Umsetzungsabsicht im Coaching nicht ausreichen, damit Klienten Ziele erreichen, sofern wir Coaching als ein zielorientiertes Unterfangen zu definieren suchen. Zudem wissen wir, dass Klienten ihre volle Aufmerksamkeit dann auf die Coaching-Arbeit richten können und am effektivsten sind – mit anderen Worten fähig sind, sich in herausfordernden Momenten im Coaching emotional und kognitiv zu regulieren –, wenn sie sich ausreichend sicher fühlen und vertrauen (Molyn et al., 2019). Was sagt eigentlich die Natur zur Essenz von Bewegungsenergie?

Bewegungsenergie in der Natur

Betrachten wir beispielsweise das Verhalten des kurzgehörnten Chamäleons. Der gängige Volksglaube besagt, dass das kurzgehörnte Chamäleon seine Farbe verändert, um sich seinem Umfeld anzupassen. In Wahrheit trifft das Gegenteil zu. Das kurzgehörnte Chamäleon ist in seinem Grundzug natürlich getarnt. Mit anderen Worten: Immer dann, wenn es entspannt ist, trägt es grün als Tarnfarbe.

Diese Leguan-Art verschmilzt mit der Umwelt, in der sie beheimatet ist, auf eine ganz natürliche Art und Weise und schafft es sogar, durch Tanzbewegungen Blätter nachzuahmen. Wenn sie jedoch aus ihrer Umwelt bedrohliche Impulse aufnimmt, dann verändert sie die Farbe. Man könnte sagen, sie verwandelt sich in eine lebende Gemütsspirale. Sie verändert ihre Farbe sozusagen, um eine besondere Mitteilung zu machen. Je schneller sich ihre Hautfarbe verändert, umso intensiver ist ihr Gemütszustand.

Die besagte Forschungsarbeit (Erdös & Ramseyer, 2021) über Bewegungssynchronie enthüllt ähnliche Vorgänge zwischen Coach und Klient. Die zwischen ihnen wirkende Spannung verändert sich lediglich dann grundlegend, wenn entweder der Coach oder der Klient das Bedürfnis hat, eine ganz besondere Mitteilung zu machen, was sichtbar wird, ohne dass jemand auch nur ein Wort spricht oder die Konversation gehört werden muss. Eine ähnlich komplexe Dynamik lässt sich in dem Schwarmverhalten von Fischen beobachten. Dieses wird in der Naturforschung mit dem Phänomen der Bewegungssynchronie erklärt und beschrieben (Gruber et al., 2019).

Forschungsergebnisse: Die Relevanz von Bewegungsenergie für Präsenz

Generell lässt sich sagen, dass – ähnlich dem Farbveränderungsverhalten des kurzgehörnten Chamäleons in Momenten einer Gemütsregung – sowohl Coach als auch Klient in herausfordernden Momenten jeweils ihre Grundenergie verändern, und zwar um Bedürfnisse zu kommunizieren. Dazu bedarf es scheinbar keines verbalen Austauschs als Grundvoraussetzung. Denn Veränderungen in der Grundenergie werden in der messbaren Bewegungsenergie der Interaktionspartner sichtbar (Ramseyer, 2020). Diese Veränderungen implizieren, dass Coaches Bedürfnisse ins Coaching mitbringen und im Prozess welche haben oder solche entwickeln, wobei diese Bedürfnisse zumeist außerhalb ihrer Wahrnehmung liegen. Im Grunde erfolgt die somatische Reaktion innerhalb eines für spontane Reaktionen als Standard festgelegten Intervalls von sechs Sekunden (ebd.).

Weder die Coaching-Themen noch der verbale Austausch in den Sitzungen wurde abgefragt. Vielmehr nahmen die 184 am Projekt teilnehmenden Klienten nach jeder Sitzung zu ihrer Regulationsfähigkeit und Beziehungsqualität Stellung. Zudem gaben auch die Coaches jeweils in Einzelinterviews ihre Erfahrungen zu dem erlebten Coaching-Prozess bekannt. Daher lässt sich der Zusammenhang zwischen reiner Bewegungsenergie als spontane Reaktionsfähigkeit von Coaches und der emotionalen und kognitiven Regulationsfähigkeit von Klienten als Ausdruck von Präsenz darstellen.

In diesem Sinne indiziert Präsenz als nonverbale und spontane Reaktionsfähigkeit allerdings, dass es sich dabei um kein für Coaches spezifisches, sondern vielmehr um ein interpersonelles Phänomen zwischen Coach und Klient handelt. Auf diese Sinngebung zu Präsenz lieferte bereits eine qualitative Interviewumfrage von Noon (2018) einige Hinweise. Die Forschungsergebnisse über Bewegungsenergie deuten zudem darauf hin, dass es sich bei Präsenz eher um „professional proximity“ (Erdös, 2021) – also um eine Art der professionellen Nähe – als um die hochgepriesene selbstauferlegte Distanziertheit handelt.

Präsenz als Coach-Werkzeug

Speziell lässt sich festhalten, dass Coaches Präsenz in herausfordernden Momenten als eine „Korrekturmaßnahme“ einsetzen, insbesondere dann, wenn sich der Coaching-Prozess zu verschlechtern scheint. Dieses Ergebnis überrascht.

Überraschend ist auch, dass Coaches sich zu Beginn eines Coaching-Prozesses ganz besonders präsent zeigen, um mit ihrem Klienten auf die gleiche Wellenlänge zu gelangen, wobei Daten zeigen, dass Präsenz über die Sitzungen hinweg stetig abnimmt. Allerdings berichten Klienten in diesen Momenten hoher Präsenz zu Beginn der Coaching-Prozesse weder erlebten Fortschritt noch ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit oder Selbstregulation. Ganz im Gegenteil. Es scheint, als ob Präsenz vor allem dann, wenn es zu viel von ihr gibt, Klienten dabei hemmt, schwierige Lernmomente zu navigieren. Mit anderen Worten: Ein „Mehr“ an Präsenz impliziert in keiner Weise einen besseren Kontakt zum Gegenüber. Die Frage ist daher: Wann entfaltet Präsenz optimale Kräfte für Klienten?

Die optimale Kraftentfaltung von Präsenz scheint laut der Forschungsergebnisse von den Bedürfnissen der Klienten abzuhängen. Dort, wo diese beispielsweise bevorzugen, an einer speziellen Aufgabenfestlegung und Zielorientierung zu arbeiten, benötigen sie weniger Präsenz.

Schlussendlich tritt Präsenzlosigkeit dort auf, wo sich Coaches ihrer eigenen Bedürfnisse bezüglich Präsenz, Reaktionspräferenzen oder Standardreaktionsmuster in herausfordernden Momenten nicht bewusst sind. Fehlendes Bewusstsein über eigene Reaktionsmuster schränkt Coaches in ihrer Entscheidungsfähigkeit ein und erschwert es damit, adäquat zu reagieren, um eine gute Verbindung herzustellen. Dies geschieht unabhängig davon, wie Klienten sich selbst wahrnehmen oder wie sie ihre Präsenz einschätzen. Diese Form der eingeschränkten Entscheidungsfähigkeit ist im Körper manifest und Klienten nehmen sie wahr.

Präsenz als Beziehungsdynamik

Coach und Klient interagieren, indem sie somatisch aufeinander reagieren. Diese somatischen Reaktionen sind ein Ausdruck der Qualität ihres „Miteinander-Seins“ über den verbalen Austausch hinweg. In diesem Sinne stellt Präsenz eine Reaktionsdynamik zwischen Coach und Klient dar: Einen reziproken somatischen Bedürfnisaustausch im Dialog. Dabei verkörpert Präsenz den relationalen Prozess zwischen Coach und Klient entweder mit entfaltender oder hemmender Kraft. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass im „Tanz“ der spontanen Bewegungssynchronie besonders fehlendes Bewusstsein des Coachs über die komplexe Dynamik der Gegenseitigkeit den Entwicklungsfortschritt von Klienten hemmen kann.

Fallbeispiel

Ein Coach nimmt sein Gegenüber als „idealen“ Klienten wahr, der für das Coaching bereit ist. Was geschieht? Die Ergebnisse zu diesem Coach-Klient-Paar zeigen, dass der Coach über den Coaching-Prozess hinweg dazu tendiert, wenige bis keine Reaktionen auf den Klienten zu zeigen, weil – laut seinen Berichten im Einzelinterview – sein Bedürfnis nach einem idealen Klienten gedeckt zu sein scheint. Im Gegenzug zeigen die Ergebnisse, dass der Klient hohe Bewegungsenergie in den Coaching-Prozess bringt. Dieser somatische Austausch findet unbewusst statt. Da der Coach sich dessen nicht bewusst ist, dass das hohe Energieniveau seines Klienten auf dessen natürliches Reaktionsmuster des „Rechtmachens“ zurückzuführen ist und dass er ständig das Bedürfnis seines Coachs erfüllt, „ein idealer Klient“ zu sein, verlässt der Klient seinen Coaching-Prozess in dem Glauben, dass er einen guten Coach hatte. Seine Selbstbewertungen weisen sehr niedrige Selbstregulationswerte aus.

Dieser Fall verdeutlicht, dass sowohl Coach als auch Klient ihre Bedürfnisse in den Coaching-Prozess mitbringen und diese sich dort somatisch manifestieren. Mit der MEA-Analyse wurde deutlich, wie dieser Bedürfnisaustausch in dem „Tanz“ reziproker Bewegungsenergie abzulesen ist. Allein die Tatsache, Coach zu sein – wie das Bedürfnis, im Coaching eine Wirkung zu erzielen, ein besonderes Coaching-Werkzeug verwenden zu wollen, wirkungsvolle Fragen stellen zu müssen, der Druck, sich emotional zu distanzieren oder präsent sein zu müssen, oder das Bestreben, sämtliche dieser Bedürfnisse auszublenden –, scheint Spannungen zu erzeugen, die daran abzulesen sind, wie Coaches auf die Bedürfnisse der Klienten eingehen können und auf diese reagieren. Die Beweisgrundlage zeigt, dass der spontane Bedürfnisaustausch entfaltende Kräfte hat, sofern dieser als Coaching-Werkzeug bewusst eingesetzt wird.

Neukalibrierung von Coaching-Präsenz

Die Forschungsergebnisse (Erdös & Ramseyer, 2021) zeigen, dass …

  • unsere Präsenz durch unseren Körper Bände spricht,
  • unser Körper nicht lügt,
  • Klienten fehlende Kongruenz zwischen gesprochener Sprache und Bewegungsenergie wahrnehmen, und daher
  • unser Körper vor unserem Gehirn kommuniziert, und
  • Coaches in Betracht ziehen müssen, wie sie mit ihren Klienten und sich selbst durch ihre Körper verbunden sind, weil
  • ihre Körper eine „geheime Intelligenz“ vereint.

Um diese Verbindung herzustellen, lässt sich Präsenz fürs Coaching wie folgt definieren (Erdös, 2021, S. 60). Es geht um „die spontane, ungezwungene Reaktionsfähigkeit in unseren Interaktionen. Es handelt sich um eine Interaktionsfähigkeit, die sich im Körper zeigt, bevor wir auch nur ein Wort sprechen. Es ist ein dynamischer Prozess, der einem reziproken Bedürfnisaustausch zugrunde liegt, wobei dieser Austausch ein authentisches Miteinander-in-Beziehung-Sein darstellt und dadurch gekennzeichnet ist, welche Qualität statt welcher Quantität an Präsenz die Interaktionspartner in die Beziehung einbringen.“ Hierbei kann Präsenz in vier Sphären untergliedert werden (ebd.):

  • ICH-Sphäre (Coach/Klient)
  • WIR-Sphäre (Interaktionsdynamik zwischen Coach und Klient)
  • ALLE-Sphäre (organisationstypische/familiäre Kontexte und soziale Einflüsse)
  • OMNI-Sphäre (kulturelle, spirituelle und philosophische Einflüsse)

Implikationen für die Coaching-Praxis

Diese Neukalibrierung impliziert eine komplexe Perspektive auf Präsenz und erfordert die Fähigkeit, mit den oben beschriebenen entfaltenden und hemmenden Kräften von Präsenz zu arbeiten. Diese Komplexität wird als Integrative Presence (Erdös, 2021) bezeichnet und bedeutet, dass Präsenz ein relationales Phänomen ist und dass es vielfältige Arten gibt, präsent zu sein und durch Präsenz zu wirken. Dieses relationale Phänomen umfasst die Fähigkeit, das Augenmerk konstant auf folgende Qualitäten zu richten:

  • Bedürfnisaustausch in der Coaching-Beziehung: „Es braucht immer zwei.“
  • Bedürfnisspiegelung in unseren Ökosystemen: „Es braucht immer alle.“
  • Wellenschlag unserer Kulturen und Hinterlassenschaften: „Es braucht immer mehr.“

Die komplexe interaktionale Essenz von Präsenz erfordert einerseits die Bereitschaft und Fähigkeit, mit Bedürfnissen in der Coaching-Beziehung ausgewogen zu arbeiten. Andererseits erfordert sie die Einsicht, dass Präsenz lediglich dann der Schlüssel zum Coaching-Erfolg ist, wenn man sie mit Vorsicht genießt. Sie ist nur dann der X-Faktor im Coaching, wenn Coaches lernen, sie im Wissen um die zwei Seiten dieser Medaille anzuwenden. 

Was, wenn es für Klienten und deren Entwicklung wichtiger ist, dass Coaches sich als authentische Wesen zeigen und in dem Maße auf die Klienten reagieren, wie diese sich zeigen? Was, wenn Coaches sich bewusst machen, dass die Spannung des bloßen Drucks, präsent sein zu sollen, zu müssen und zu wollen, in ihrem Körper Wände der Präsenzlosigkeit aufbaut?

 

Coaching Presence

Eine ausführliche Darstellung der Forschungsergebnisse lesen Sie im Buch Coaching Presence: Understanding the power of the non-verbal relationship von Tünde Erdös, das 2021 erschienen ist. Hier finden Sie weitere Informationen.

Literatur

  • Bandler, R., & Grinder, J. (1990).Frogs into Princes. United Kingdom: Eden Grove Editions.
  • Erdös, T. (2021). Coaching Presence: Understanding the power of the non-verbal relationship. Maidenhead: McGraw Hill/Open University Press.
  • Erdös, T. & Ramseyer, F. (2021). Change process in coaching: Interplay of movement synchrony, working alliance, self-regulation, and goal-attainment. Frontiers in Psychology, Juni. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.580351
  • Gollwitzer, P. M. (1996). Das Rubikonmodell der Handlungsphasen. In J. Kuhl & H. Heckhausen (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie, Motivation und Emotion. Band 4 Motivation. Volition und Handlung (S. 531-582), Göttingen: Hogrefe.
  • Gruber, D. F.; Phillips, B. T.; O’Brien, R.; Boominathan, V.; Veeraraghavan, A. & Vasan, G. et al. (2019). Bioluminescent flashes drive nighttime schooling behavior and synchronized swimming dynamics in flashlight fish. PLOS ONE. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0219852
  • Molyn, J.; de Haan, E.; Stride, C. & Gray, D. (2019). What common factors contribute to coaching effectiveness.
  • Noon, R. (2018). Presence in Executive Coaching Conversations – The C2 Model. International journal of evidence-based coaching and mentoring, 16(special issue 12), S. 4–20.
  • Ramseyer, F. T. (2020). Motion energy analysis (MEA): A primer on the assessment of motion from video. Journal of Counseling Psychology, 67(4), S. 536–549.

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