Prokrastination

21.01.2012

Stern: Mindestens acht Millionen Menschen leiden an „Aufschieberitis“.

Prokrastination ist die wissenschaftliche Bezeichnung für pathologisches Aufschiebeverhalten und ist eine ernstzunehmende Arbeitsstörung. Nach Untersuchungen an der Uni Münster (Rist et al., 2006) wird davon ausgegangen, dass es deutschlandweit zehn bis fünfzehn Prozent chronische Prokrastinierer gibt. Die Betroffenen leiden extrem, so Stern-Autorin Sylvie-Sophie Schindler – und sind nicht einfach „faul“ wie allgemein oft gemutmaßt wird. Faktoren, die das chronische Aufschieben fördern, sind:

  • Probleme in der Prioritätensetzung
  • mangelnde oder unrealistische Planung
  • Schwierigkeiten in der Abgrenzung gegen alternative Handlungstendenzen
  • Defizite im Zeitmanagement oder in der Konzentrationsfähigkeit
  • Abneigung gegen die Aufgabe
  • Angst vor Versagen oder Kritik
  • Fehleinschätzungen der Aufgabe oder der eigenen Anstrengungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit

Bei Prokrastination handelt es sich oft um eine massive Störung der Selbststeuerung, die in den Diagnosehandbüchern DSM-IV und ICD-10 noch nicht als eigenständige Störung beschrieben wird, und die Teil einer diagnostizierbaren psychischen Störung – wie Depression, Angststörung oder Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) – sein kann. Oft wird das Aufschieben schon seit der Kindheit geübt.

„Allein kommen sie selten da raus“, zitiert die Stern-Autorin den Münsteraner Psychologie-Professor Dr. Fred Rist. Versagensängste kombiniert mit mangelnder Frustrationstoleranz können beispielsweise Ursachen sein. Der Betroffene glaubt, die Erwartungen der Umwelt seien so hoch, dass man sie nicht erfüllen könne. Deshalb liefert man erst gar nicht und schützt sich so vor einem möglichen Versagen. „Prokrastinieren schützt unter anderem vor einer Stimmungsverschlechterung, die sich einstellen würde, wenn sich der Betroffene an die zu erledigende Aufgabe machen würde“, so der Experte Professor Dr. Rist.

Zur Diagnostik bietet die Prokrastinationsambulanz der Uni Münster einen Selbsttest (Online-Fragebogen) an. Für Betroffene bietet sie zudem professionelle Hilfe in Form von Beratung, achtwöchigen Gruppen-Trainings und gegebenenfalls Psychotherapie an. Ziel der Behandlung ist die Verbesserung der Selbststeuerung mit Methoden der Kognitiven Verhaltenstherapie. Bewährt haben sich nach Erkenntnissen der Münsteraner Forscher folgende Behandlungskomponenten:

  • Strukturierung des Arbeitsverhaltens
  • Setzen realistischer Ziele
  • Umgang mit Ablenkungsquellen und negativen Gefühlen
  • Systematische Veränderung der Arbeitsgewohnheiten

In den Behandlungen wird das problematische Verhalten durch systematisches Üben des alternativen Arbeitsverhaltens abgebaut.
(tw)

Weitere Informationen:
www.stern.de/wissen/mensch/aufschieberitis-morgen-ganz-sicher-1774983.html
wwwpsy.uni-muenster.de/Prokrastinationsambulanz
http://www.unipark.de/uc/selbsttest_prokrastination/

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