Das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns

24.02.2008

Internetportal am Institut für Management der Humboldt-Universität zu Berlin.

Die Affäre um die Steuerhinterziehungsvorwürfe gegen Klaus Zumwinkel und sein schneller Rücktritt als Post-Chef und Aufsichtsratvorsitzender der Deutschen Telekom haben erneut zu einer Debatte um das Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns geführt. Angesichts der teilweise heftigen Reaktion aus allen politischen Lagern macht das Institut für Management der Humboldt-Universität zu Berlin unter Leitung von Professor Joachim Schwalbach auf eigene wissenschaftliche Arbeiten zum Ehrbaren Kaufmann und zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen aufmerksam. Ein neu eingerichtetes Internetportal soll auf aktuelle Forschungsarbeiten verweisen und das Bedürfnis befriedigen, mehr zum Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns zu erfahren. In der öffentlichen Diskussion wird häufig auf das Leitbild des Ehrbaren Kaufmann Bezug genommen, ohne dies jedoch ausreichend unterfüttern zu können.

Das Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns ist für die Gegenwart von außerordentlicher Wichtigkeit. Es sollte Unternehmern und Managern bewusst machen, dass verantwortungsvolles Verhalten die Grundlage für den nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg und für den sozialen Frieden in der Gesellschaft darstellt. Eine intensive Beschäftigung mit den eigenen geschichtlichen Wurzeln und der gegenwärtigen Situation kann zu einem modernen Ehrbarkeitsbewusstsein unter Unternehmern und Managern führen, das eine kulturelle Entwicklungsfähigkeit ausdrückt. Ein moderner Ehrbarer Kaufmann hat ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein auf der Unternehmens- und Gesellschaftsebene. Dazu gehören das faire Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern, die er weiterhin nach tugendhaften Grundsätzen behandelt mit dem Ziel, langfristige Beziehungen aufzubauen und zu erhalten. Die gesellschaftliche Verantwortung drückt sich aus durch Befriedigung von Kundenwünschen durch innovative Produkte und Dienstleistungen, Engagement am Standort des Unternehmens, Aufklärung von Öffentlichkeit und Politik, Verteidigung der Sozialen Marktwirtschaft und Beachtung des Umweltschutzes bei allen Entscheidungen.

Das Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns definiert innere kulturelle Leitplanken, die dafür sorgen, dass das Handeln von Unternehmern in Einklang mit der Gesellschaft gebracht wird. Es bezeichnet eine Lebensphilosophie, die Geschäftsleute zu ausgereiften, verantwortungsvollen und vor allem wirtschaftlich erfolgreichen Persönlichkeiten werden lässt. Wirtschaftlichkeit und Moral sind im Ehrbaren Kaufmann keine Gegensätze. Moral im Sinne von Tugendhaftigkeit ist die Bedingung für echte Wirtschaftlichkeit, verstanden als das nachhaltige Schaffen von Werten.

Ein Ehrbarer Kaufmann zeichnet sich durch eine gute humanistische Grundbildung gepaart mit wirtschaftlichem Fachwissen als Grundlagen für einen gefestigten Charakter aus. Dieser orientiert sich an Tugenden, die die Wirtschaftlichkeit fördern. Bereits 1340 im mittelalterlichen Italien sprachen Kaufmannshandbücher vom "wahren und ehrlichen Kaufmann".

Ein Kaufmann musste über praktische Grundfähigkeiten verfügen. Sie waren die notwendige Grundlage für seinen wirtschaftlichen Erfolg. Rechnen, Lesen, Sprachkenntnis, Bildung in den Bereichen Warenkunde, Recht, Geografie und Währung wurden ergänzt durch ein ausgeprägtes Gewinnstreben, durch rationale und emotionale Intelligenz, Organisationstalent sowie politischen Weitblick. Doch das allein machte noch keinen Ehrbaren Kaufmann.

Die Ehrbarkeit entstand erst durch sein tugendhaftes Verhalten. Bis zum Anbruch der Moderne wurde Ehre als soziales Kapital verstanden, dessen Wert man steigern oder durch schändliches Verhalten verlieren konnte. Schande war gleichbedeutend mit dem Ausschluss aus der Gemeinschaft. Tugendhaftes Verhalten steigerte die Ehre und damit das Ansehen durch die Mitbürger. Tugendhaft meinte aber nicht einfach nur Gutes tun. Ein Ehrbarer Kaufmann tat Gutes, indem er ehrbar wirtschaftete und damit seinen eigenen und den Wohlstand der Gemeinschaft mehrte. Dadurch entwickelte sich eine pragmatische Geschäftsmoral des goldenen Mittelwegs mit dem Ziel der langfristigen Sicherung des geschäftlichen Erfolgs auch über Generationen hinweg.

Grundlegende Tugenden waren im Mittelalter Ehrlichkeit, Vorsicht, Misstrauen, die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen, Wagemut im richtigen Moment, Friedensliebe, Ernsthaftigkeit, Höflichkeit, Klugheit, Ordnung, eine gute Erscheinung und eine gute Erziehung. Da Gott in der mittelalterlichen Gesellschaft allgegenwärtig war, wurde er sogar als Teilhaber eingesetzt, der ein eigenes Konto und einen Gewinnanteil bekam, der an die Armen verteilt wurde. Darüber hinaus förderten Kaufleute die Entwicklung der Infrastruktur, beschleunigten die kulturelle Entwicklung der Architektur, Malerei, und des Kunsthandwerks. Sie selbst waren Geschichtsschreiber, Politiker für ihre Stadt und wie Marco Polo und Christoph Kolumbus Entdecker.

Der Aufstieg der Hanse in Nordeuropa ist unzertrennlich mit dem Bild des Ehrbaren Kaufmanns verbunden. Der lockere hansische Städtebund konnte nur durch gegenseitige Toleranz und die Anwendung des tugendhaften Verhaltens zu solch geschichtsbestimmender Größe heranwachsen. Noch heute ist der Begriff Ehrbarer Kaufmann in Norddeutschland in Gebrauch. Bis zum Beginn der Moderne war das Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns im europäischen Bürgertum bis auf den Bedeutungsverlust der Religion weitgehend unverändert. Unternehmer und Manager müssen diesem Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns folgen, es leben und seinen Sinn verständlich machen, damit es auch auf das Verhalten ihrer Mitarbeiter positiv wirkt und die gesamte Gesellschaft stärkt. (tw)

Weitere Informationen:
www.wiwi.hu-berlin.de

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