Coaching – quo vadis?

12.07.2008

Der Orientierungssuche im Coaching-Markt widmet sich die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "Wirtschaftspsychologie aktuell" (Heft 2/08).

Ein großer und schmerzhafter Stachel im Fleisch der verbandlich organisierten Psychologenschaft ist offenbar, dass sich Anbieter im Coaching-Markt tummeln, die keine Psychologen sind oder solche, die sich nicht der verbandlichen Vertretung durch den Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) unterordnen wollen. Dieses Eindrucks können sich die Leser der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Wirtschaftspsychologie aktuell“ (Heft 2/08) nur schwer erwehren.

Nicht nur, dass der Sektionsvorsitzende Wirtschaftspsychologie im BDP, Dr. Jürgen Smettan, eine eigene Zertifizierung von psychologischen Coachs ankündigt. Im selben Heft erfährt der Leser auch von seiner Vorgängerin, Madeleine Leitner, dass viele Coaching-Prozesse deshalb scheitern, weil psycho-diagnostisch inkompetente Coachs das Wissen fehle, psychische Störungen zu erkennen, oder weil sie mit psychologischen Phänomenen wie der Übertragung nicht vertraut seien.

Weil es scheinbar gilt, das etablierte Berufsbild des Psychologen vor neuer Konkurrenz zu schützen, konsultieren die Wirtschaftspsychologen gar soziologische Schützenhilfe und lassen den Bielefelder Professor Dr. Stefan Kühl den Coaching-Markt aus soziologischer Perspektive beleuchten. Das Fazit seines lesenswerten Beitrags: Im Gegensatz zur Supervision kann sich Coaching nicht an eine andere Profession anlehnen. Seine Wurzeln sind wesentlich heterogener, und die wissenschaftliche Verankerung ist schwieriger. - Damit stellt sich die Frage, wie erfolgreich mit dem Problem der Scharlatanerie umzugehen sei: Die einen vertrauen dabei auf die Kraft des freien Markts, die anderen berufen sich auf die der Selbststeuerung von Professionen (durch Verbände).

Dass die Selbststeuerung im Feld der Verbände auch nicht immer optimale Lösungen produziert, ist nicht nur hinlänglich bekannt. In einem irreführenden und höchst polemisch gehaltenen Beitrag gießt Markus Väth – immer wieder werbliches Aushängeschild des BDVT, zuletzt wieder auf den Petersberger Trainertagen – Öl ins Feuer, indem er Verbände zu Coaching-Verbänden erklärt, die keine sind (BDP, DGSv) oder nur teilweise sind, weil sie auch noch andere Berufsgruppen vertreten (BDVT, DCVT). „Immer feste druff“, so das selbst gewählte Motto, um dann anschießend Verwirrung bei den Personalmanagern und Coaching-Interessierten festzustellen, die man zuvor selber produziert hat.

Wie schön, dass es auch noch „einfach gute“ Beiträge im Heft gibt wie den von Dr. Christine Kaul über zwölf Jahre Coaching bei Volkswagen. Ansonsten erfährt der Leser wenig Neues im Heft. Die Ergebnisse der Coaching-Umfragen von Jörg Middendorf/DBVC und die von Kienbaum waren inzwischen an anderen Stellen längst veröffentlicht worden. Die globalen Trends und Ausblicke im International Executive Coaching, die Dr. Sabine Dembkowski und Professor David Lane vorstellen, bringen da wenig zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Weitere Beiträge im Schwerpunktheft:

  • Höhere Umsätze im Verkauf: Kollegen-Coaching bei Karstadt.
  • Die Führungskraft als Coach? Nichts Neues zum Thema inhärente Rollenkonflikte.
  • „Die zehn Gebote“: Was ein Coach von der Psychotherapie-Forschung lernen kann – hatte seinerzeit schon Therapieforscher Klaus Grawe herausgefunden.

Weitere Informationen:
www.wirtschaftspsychologie-aktuell.de

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