08.11.2008
Die Professoren Dr. Rolf Haubl von der Universität Frankfurt/Main (Sigmund-Freud-Institut), Dr. Heidi Möller von der Universität Kassel und Dr. Christiane Schiersmann von der Universität Heidelberg (Institut für Bildungswissenschaft) geben einen neuen Informationsdienst für Berater, Wissenschaftler und andere Interessierte aus dem Bereich der Beratung in der Arbeitswelt heraus. Er soll zeitnah und aktuell mit praxisorientierten wissenschaftlichen Diskussionsbeiträgen aufwarten. Die Herausgeber verstehen sich laut Editorial als „Scouts“, die Positionen zu berufsbezogener Beratung aufspüren und einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, um sie kontrovers zu diskutieren. Die Deutsche Gesellschaft für Supervision (DGSv) fördert die Publikation.
Den ersten Beitrag hat Prof. Dr. Rolf Haubl beigesteuert: „Historische und programmatische Überlegungen zum psychodynamisch-systemischen Leitungscoaching“. Haubl beschäftigt die Verbindung, die er zwischen der Nachfrage nach Leitungs-Coaching und dem Schicksal des Managements als einer besonderen Statusgruppe in Unternehmen vermutet. Manager, so stellt er fest, gibt es erst seit Ende des 19. Jahrhunderts. Bis dato führten Eigentümer-Unternehmer die Unternehmen. Diese Situation änderte sich durch das Aufkommen von Aktiengesellschaften, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts immer mehr durchsetzten. Die Eigentümer zogen sich aus den laufenden Geschäften zurück und übertrugen diese an leitende Angestellte. Jene, die sich nicht länger aus der Verwandtschaft rekrutierten, waren die Manager.
Es kommt zum Mentalitätswechsel: Während der Eigentümer-Unternehmer idealtypisch ein „Abenteurer“ war, steht der Manager für eine Zivilisierung durch Rationalisierung: Er setzt auf Wissenschaft und Technik. Auch bei der Karriere. Doch unter dem Druck der Wirtschaftskrisen der 1970er Jahre erfasst eine „Downsizing“-Welle die USA, die Belegschaften hinterließ, die nachhaltig traumatisiert worden waren. Und dies machte auch vor dem Management nicht Halt: Lean Management bedeutete Abbau von Hierarchiestufen und damit eine Verschärfung des Konkurrenzkampfes.
Dieser Schock – so Haubl – ist die eigentliche Initialszene des Coaching-Booms, der mit der üblichen Verspätung in den 1990er Jahren auch Deutschland erreicht. 33.500 Managerstellen, so seine Schätzung, wurden 1993/94 abgebaut. Das Elitebewusstsein des Managements ist erschüttert. Mit einer Neudefinition soll es restabilisiert werden: „Manager“ wird ein entwerteter Titel, der für unproduktive Routinen steht. Leitende Angestellte, die weiterhin nach oben wollen, müssen zu „Intrapreneuren“ und zu „Leadern“ werden. Was drängende Fragen aufwirft, die den Lebensentwurf und die aus ihm resultierende Lebensführung leitender Angestellter betrifft.
Leitungs-Coaching, wie Haubl es im Anschluss konzipiert, ist „psychodynamisch-systemisch, weil es sich gegenstandstheoretisch und praxeologisch auf psychoanalytische und gruppenanalytische Erkenntnisse beruft. Der Zusatz systemisch soll anzeigen, dass sich das arbeitsförmige, erwerbsarbeitsförmige, um nicht zu sagen berufliche Handeln von Personen in Organisationen nicht auf Persönlichkeitsmerkmale reduzieren lässt“.
Die Publikation steht kostenfrei als PDF-Datei zur Verfügung. Das gedruckte Einzelheft kostet fünf Euro (zuzgl. Versandkosten). (tw)
Weitere Informationen:
www.upress.uni-kassel.de/publik/Positionen%20Heft%201.pdf