Antidepressiva zeigen kaum Wirkung

27.02.2008

Studie: Antidepressiva der neuen Generation schlagen nur bei Schwerstkranken an. Für die Mehrheit haben sie nur einen Placebo-Effekt.

Britische Forscher der Universität Hull berichten, Antidepressiva hätten nur bei einer sehr kleinen Gruppe von Patienten mit schwersten Depressionen Wirkung. Auf die meisten Menschen mit mittelschweren Depressionen hätten sie lediglich einen Placebo-Effekt. Damit gebe es also keine dringenden Gründe, diese Antidepressiva zu verschreiben.

Die Studie, so Professor Irving Kirsch von der Psychologie-Fakultät in Hull, sei eine der gründlichsten über Antidepressiva der neuen Generation. Es wurden Daten aus 47 veröffentlichten und unveröffentlichten Klinikstudien ausgewertet. Antidepressiva der neuen Generation sind sogenannte Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRIs; Wirkstoffe: Fluoxetin, Venlafaxin und Paroxetin).

SSRIs haben Antidepressiva in den Mainstream gebracht, besonders in den USA, wo Prozac in den Neunzigern zu einer Art Lifestyledroge hochstilisiert wurde. Allein dessen Wirkstoff Fluoxetin nehmen dem britischen "Guardian" zufolge derzeit 40 Millionen Menschen weltweit ein.

Die beiden Hersteller Eli Lilly und GlaxoSmithKline wiesen die Ergebnisse der Studie prompt zurück. Etliche Untersuchungen hätten die positive Wirkung der Medikamente gezeigt. Patienten sollten die Einnahme nicht absetzen.

Delikat an der neuen Studie ist allerdings, dass die Forscher auch die Studien, die für die Zulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA nötig waren, kontrolliert hatten.

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) bestätigen die Befunde Professor Kirschs in einer aktuelle Stellungnahme: "Die Studienergebnisse zeigen im Grunde nichts wirklich Neues." Sie warnt aber vor dem Hintergrund der Suizidgefahr davor, die für viele Betroffene mit einer Depression einhergeht, auf die Option einer Therapie mit Antidepressiva unverzichtbar. Statistiken belegen, dass zwischen zehn und 15 Prozent aller Patienten mit wiederkehrenden depressiven Phasen, die deshalb mindestens einmal stationär behandelt werden, durch Suizid sterben.

Für den Präsidenten der DGPPN, Professor Gaebel, bleibt es trotz aller Diskussionen um die Wirksamkeit von Antidepressiva selbstverständlich, dass in jedem Einzelfall die Indikation zur Behandlung mit einem Antidepressivum sorgfältig abzuwägen ist: "Letzten Endes entscheidet der oder die Betroffene nach umfassender ärztlicher Aufklärung, welche der möglichen Therapieformen unter Einschluss von Psychotherapie gewählt wird." (tw) 

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