Konzepte

Wie man das Unbewusste im Coaching erreicht. Teil 1

Hypnosystemische Ansätze geben Anleitung

Jeder Coach kennt es: Manchmal wissen Klienten ganz genau, was sie anders machen möchten – und landen doch wieder in alten Mustern, die in ihrer aktuellen Situation dysfunktional sind. Dies kann daran liegen, dass der Verstand einen mächtigen Gegenspieler hat: das Unbewusste. Wie es wirkt und wie es im Coaching-Prozess zur Ressource werden kann, beschreibt dieser Artikel. Eine Serie in zwei Teilen.

15 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 1 | 2023 am 22.02.2023

Wie man das Unbewusste im Coaching erreicht

Coaching-Prozesse könnten ganz gradlinig verlaufen – wenn nur nichts Unvorhergesehenes passieren und Klienten einfach immer das tun würden, was sie auf bewusster Ebene tun wollen. Man würde mit ihnen das Ziel formulieren, sinnvolle Schritte für den Weg finden und Sitzung für Sitzung die Etappensiege feiern. Solche Bilderbuchprozesse gibt es, vor allem dann, wenn Klienten für ihre Anliegen einfach mehr Klarheit brauchen. Aber nicht wenige Menschen kommen gerade dann ins Coaching, wenn sie zwar wissen, wie es anders gehen könnte, aber unwillkürlich doch wieder in alten Mustern des Erlebens oder Verhaltens gelandet sind, also feststellen mussten, dass in ihnen noch andere Kräfte wirken als die, die sie bewusst und willentlich steuern.

Es ist insofern nicht nur das reflektierende Selbst des Klienten, das im Coaching angesprochen werden will. Auch sein Unbewusstes sitzt mit im Raum; jene Bereiche und Instanzen in ihm, die permanent im Hintergrund aktiv sind und den gesamten Organismus durchziehen.

Wenn unbewusste Anteile des Klienten davon überzeugt sind, dass das Coaching-Ziel oder seine Teilziele nicht erreichbar seien oder der Preis zu hoch, werden sie gegen die Veränderung arbeiten. Auch andere unbewusste Überzeugungen können Mauern bilden, die den Raum des Möglichen einschränken und Schritte verhindern.

Coaches, die versuchen, solche „Widerstände“ zu bekämpfen, klagen über anstrengende Sitzungen, ausbleibende Erfolge und erleben sich letztlich als ähnlich machtlos wie der Klient sich selbst. Denn was unbewusst oder unwillkürlich geschieht, ist immer stärker und schneller als das, was bewusst und willentlich gewählt wird. Das betont etwa Gunther Schmidt (2019), Begründer des Hypnosystemischen Ansatzes. Jeder Mensch kennt das auch aus eigenem Erleben; wenn in einer Situation z.B. Wut oder Stresssymptome anspringen, obwohl man doch ganz gelassen bleiben wollte.

Im Coaching können wir unwillkürliches Erleben einfach als Hinweis darauf nehmen, dass im Klienten noch Kräfte oder Anteile wirken, die bisher nicht im Blick waren. Und dann kommt es eben darauf an, diese Anteile respektvoll zu würdigen und auf kreative Weise einzuladen, ihre eindrucksvollen Kräfte anders einzusetzen als bisher – aus Sicht des Bewussten zieldienlicher. Man bittet gewissermaßen zum Tanz. Vor allem hypnosystemische Ansätze bieten dafür eine gute Anleitung. Doch bevor wir uns diese Ansätze genauer anschauen, braucht es eine begriffliche Klärung: Was ist gemeint, wenn vom „Unbewussten“ gesprochen wird?

Was nennen wir „unbewusst“?

Der Hypnosystemiker Schmidt (ebd.) erklärt mit Verweis auf die Hirnforschung: Wir Menschen erzeugen unser Erleben autonom von innen heraus, jede Sekunde neu – und zwar immer abhängig davon, worauf unsere Aufmerksamkeit gerade gerichtet ist. „Wie ein Scheinwerfer geht die Aufmerksamkeit in die Flut von Informationen hinein“, sagt Schmidt. Also in die Flut von Klängen, Gerüchen, Bildern, Wörtern, taktilen Informationen usw. So konstruieren wir unser Erleben der Welt. Der weitaus größte Teil der Informationen wird unbewusst verarbeitet.

Zum Unbewussten in der menschlichen Innenwelt gehören also alte, aber auch immer neue Informationen, Bilder, Überzeugungen, Konzepte, Erfahrungen, Erinnerungen und ständig ablaufende Prozesse – die dauerhaft nicht vom analytischen Verstand bearbeitet werden, sondern versteckt, aus der Tiefe heraus, das Erleben und Verhalten des Klienten mitbestimmen können. Auch Körperprozesse zählen dazu.

Denn „Erleben“ wird ganzheitlich hervorgebracht, bis in den Stoffwechsel, bis in die einzelnen Zellen hinein, wie Schmidt (ebd.) erklärt. Auch das kann jeder an sich selbst beobachten: Wenn wir innerlich mit etwas beschäftigt sind, was uns glücklich macht, haben wir nicht nur bestimmte Gedanken und Bilder im Kopf, sondern in unserem Körper laufen auch andere Prozesse ab, als wenn wir an etwas denken, das uns Angst macht. Blutdruck, Atmung, Körperhaltung, Verdauung, Mimik und viele andere Parameter gehen mit dieser veränderten Aufmerksamkeitsfokussierung einher. Kurz gesagt: Erleben organisiert sich in Netzwerken. Und die meisten Parameter dieser Netzwerke wählen wir nicht bewusst-willentlich, sondern unbewusst oder auch unwillkürlich. 

Fürs Coaching ist allerdings nicht nur die Frage relevant, was mit dem Unbewussten gemeint ist, sondern vor allem auch die Frage: Welche Auffassung vom Unbewussten, welche Haltung ihm gegenüber ist am nützlichsten für die Veränderungsarbeit?

Die meisten Menschen denken beim Begriff „Unbewusstes“ oder „Unterbewusstes“ vermutlich an Sigmund Freud (1856–1939) – jenen Wiener Arzt, der als erstes die Auswirkungen des Verdrängten auf menschliches Denken und Handeln untersuchte und im Bemühen um Heilung die Psychoanalyse begründete. Freud führte psychische Schwierigkeiten fast ausschließlich auf den unterdrückten Sexualtrieb und auf Traumata in der Kindheit zurück. Das Unbewusste, so könnte man zuspitzend sagen, erscheint bei ihm als Sitz des Verdrängten: schwer einsichtig, schwer zu erreichen, schwer kontrollierbar. Für die Veränderungsarbeit eine eher bedrohliche Größe.

Auf den US-Amerikaner Milton Erickson (1901–1980), den Begründer der modernen Hypnotherapie, geht ein völlig anderes Verständnis zurück. Erickson machte beeindruckende Erfahrungen mit der Annahme, dass Menschen mehr wissen und können, als ihnen bewusst ist, dass ihr Unbewusstes also ein Raum voller Ressourcen ist, eine unsichtbare Kraft. Unter anderem mit Trancen, Metaphern, Geschichten und geschickt eingestreuten Suggestionen regte er seine Patienten zur kreativen Lösungsfindung auf unbewusster Ebene an – mit oft verblüffenden Erfolgen.

Für ihn war das Unbewusste eine Quelle von Möglichkeiten, eine Art Schatzkiste, aus der beide schöpfen können, der Klient wie der Therapeut. Ein lösungs- und ressourcenorientierter Coach, der den Klienten nicht nur auf bewusster, sondern auch auf unbewusster Ebene ansprechen will, findet darum bei Erickson und den in seiner Tradition stehenden Therapeuten und Coaches viel Ermutigung, viele Anregungen – während er Freud in der Regel beiseitelassen kann.

Das Unbewusste als Ressource im Coaching

Wie aber wird das Unbewusste  im Coaching als Ressource erlebbar? In diesem Artikel wird vom Unbewussten bisweilen personifizierend gesprochen: fast so, als sei es eine Person und habe einen eigenen Willen. Natürlich ist das keine ontologische Behauptung, sondern eine Metapher – aber eine durchaus nützliche. Denn diese Sprechweise stärkt die Vorstellung, man könne mit dem Unbewussten des Klienten in einen zieldienlichen Dialog treten. Und diese Vorstellung wiederum fördert die Entwicklung und Nutzung von Interventionen, mit denen eben dies gelingt.

Immer dann, wenn ein Klient sich nicht wie erhofft in Richtung Ziel bewegt, sondern unwillkürlich andere Wege geht, könnte man ja zunächst in Versuchung geraten, das Unbewusste als störrischen Esel zu empfinden, der sich gerade wieder grundlos in den Weg gestellt hat und weggeschoben werden muss. Ganz abgesehen davon, dass eine solche Haltung die Beziehungsebene zwischen Coach und Klient stören und den Klienten zu einer Person degradieren würde, mit der etwas nicht stimmt – sie wäre auch deshalb kontraproduktiv, weil das Unbewusste wie bereits erwähnt immer stärker und schneller ist als das Bewusst-Willentliche.

Warum das so ist, erklärt Schmidt (ebd.) mit Verweis auf die verschiedenen Bereiche unseres Gehirns: Das Stammhirn, der älteste Teil, auch „Reptiliengehirn“ genannt, ist für Grundfunktionen des Überlebens zuständig wie Atmung, Durchblutung usw. Das Zwischenhirn, der Hypocampus mit der Amygdala, kümmert sich um die Entwicklung der Emotionen und trifft wichtige Vorentscheidungen. Der jüngste Teil, die Großhirnrinde, ist für bewusste willentliche Steuerung, für Kognitives zuständig. Während das Großhirn in kognitiv-logischen Konzepten denkt, denken das Stamm- und das Zwischenhirn anders – und wirken dabei nachweislich schneller als das Großhirn.

Wer das Unbewusste im Coaching wie einen Gegner bezwingen will, kann also nicht gewinnen und läuft Gefahr, den Klienten gegen sich aufzubringen. „Ja aber“, tönt es dann wahrscheinlich aus seinem Mund, und sämtliche Erklärungen und Interventionen, die zur Veränderung einladen sollen, scheinen an ihm abzuprallen wie an einer Mauer.

Tatsächlich ist es für alle Beteiligten weitaus fruchtbarer, wenn der Coach dem, was der Klient unbewusst oder unwillkürlich hervorbringt – z.B. Ängste, Zweifel, Hemmungen und andere „Ich-will-ja-aber-ich-kann-nicht“-Zustände – mit Annahmen aus der Systemischen Therapie und der Gewaltfreien Kommunikation begegnet (Rosenberg, 2016).

Dafür plädieren etwa Schmidt (2019) und der ebenfalls hypnosystemisch arbeitende Coach und Therapeut Stefan Hammel (2019). Demnach haben die unbewussten Anteile, die sich im unwillkürlichen Verhalten oder Erleben zeigen, immer eine Funktion im System des Klienten – nur vielleicht in einem Kontext, der gerade nicht erkennbar ist. Und sie haben ausnahmslos eine positive Absicht: Sie verfolgen das Ziel, Grundbedürfnisse des Klienten zu erfüllen oder zu verteidigen, auch dann, wenn ihr Verhalten aus der Perspektive des Großhirns sinnlos oder gar schädlich erscheint.

Kurz gesagt: Das Unbewusste wird dann zur Ressource im Coaching, wenn wir davon ausgehen, dass es erstens mächtig ist und zweitens immer positive Absichten für den Klienten hat – wenn auch nicht immer die besten Strategien. Diese These lässt sich gut anhand eines Vergleichs plausibel machen. So beschreibt etwa Hammel (ebd.) im Blick auf Allergien: Die Symptome, die das Unbewusste des Patienten über das Immunsystem hervorbringt, sind auf bewusster Ebene völlig unnötig und unnütz, weil Pollen oder deren Allergene für den menschlichen Körper gar nicht gefährlich sind.

Auf unbewusster Ebene aber, in der Logik des Körpers, ergibt die allergische Reaktion Sinn, weil das Immunsystem vermutlich in einer Überlastungssituation mit Pollenflug zu dem Schluss gekommen ist, die Allergene würden dem Organismus schaden. Der Schnupfen und die tränenden Augen sollen dieses „Gift“ wieder aus dem Körper spülen. Die allergische Reaktion ist demnach eine Schutzfunktion: positiv in der Absicht, ungünstig in ihrer Gesamtwirkung für den Betroffenen.

Der Hypnosystemische Therapeut Ortwin Meiss (2021) legt überzeugend dar, dass man selbst bei schweren Depressionen, die auf bewusster Ebene völlig dysfunktional und lebensfeindlich wirken, von einer positiven Absicht ausgehen kann. Ähnlich wie bei einem Burn-out sind Klienten in einem schwer depressiven Erleben kaum noch in der Lage, sich zu irgendwelchen Tätigkeiten aufzuraffen. Ihre Energie scheint wie weggesperrt. Und genau hier liegt laut Meiss (ebd.) die positive Absicht des Unbewussten: Mit dem Symptom der Energielosigkeit schützt es den Klienten davor, weitere „Minusgeschäfte“ einzufahren, also permanent mehr zu geben als er nach eigener Einschätzung zurückbekommt. So bringt es den Klienten dazu, das Verhältnis zwischen Geben und Nehmen in seinem Leben in Balance zu bringen.

Betrachtet man das, was das Unbewusste im Klienten hervorbringt, als machtvoll und zugleich als gut in seiner Absicht, kann man jeden „Widerstand“, jede scheinbare Störung in einer Coaching-Sitzung oder im Veränderungsprozess als den Versuch des Unbewussten ansehen, auf etwas hinzudeuten, was jetzt vielleicht relevant wäre, und neugierig darauf sein, welche Botschaft ins Bewusstsein kommen will.

Das Unbewusste arbeitet in diesem Fall wie ein Lotse, der das Segelschiff des Klienten sicher durch eine Meeresenge voller Untiefen steuern will.

Zugleich ist deutlich geworden: Ein Klient kann in unbewussten Konzepten oder Überzeugungen feststecken, die in einem bestimmten Kontext vielleicht die bestmöglichen waren oder sind, aber mit leidvollen Nebenwirkungen einhergehen oder heute nicht mehr passen. Es ist im Coaching also nicht nur möglich, das Unbewusste als Ideengeber zu nutzen, sondern auch nötig, es für eine gewünschte Veränderung zu gewinnen und neue Einsichten in ihm zu verankern.

Unbewusstes auf die Ebene des Bewussten bringen

Manches, was Klienten unbewusst bestimmt, lässt sich in den Sitzungen relativ leicht auf die Ebene des Bewussten bringen und dort bearbeiten. Z.B. bemerken Klienten häufig ihre eigenen un- oder halbbewussten Überzeugungen, Glaubenssätze und Konzepte nicht, doch der Coach kann sie aus den Erzählungen heraushören und aussprechen.

Etwa mit der Frage: „Kann es sein, dass Sie die unbewusste Regel im Kopf haben, niemanden enttäuschen zu dürfen?“ Liegen solche Überzeugungen erstmal auf dem Tisch, kann man sie mit dem Klienten hinterfragen, im Blick auf ihre Auswirkungen diskutieren und Wege finden, um neue, zieldienlichere Überzeugungen zu etablieren.

Wollen Klienten selbst aufdecken, was sie von innen heraus bestimmt, kann man ihnen auch das Schreiben empfehlen. So erklärt etwa Olaf Georg Klein (2018), philosophisch arbeitender Coach: Wer eigene Erlebnisse, Gedanken, Gefühle und Wünsche im Tagebuch festhält, kann beim Nachlesen aus der Außenperspektive meist gut erkennen, welche unbewussten Überzeugungen in seinem Text mitschwingen – und sich dann bewusst damit auseinandersetzen.

Der US-amerikanische Therapeut Ron Smothermon (2017) geht zudem davon aus, dass Menschen auf lange Sicht immer ungefähr das erreichen, was sie unbewusst intendiert haben – und nicht das, was sie bewusst anstrebten. Insofern zeigt auch der Blick zurück auf den eigenen Lebensweg die Einflüsse des Unbewussten wie Fußstapfen im Schnee.

Eine Frau, die beruflich immer wieder an der entscheidenden Prüfung scheitert, könnte zum Beispiel vermuten, dass sie unbewusst nach dem Glaubenssatz lebt: „Ich darf nicht erfolgreich sein.“ Ein Mann, der immer wieder in depressiven Phasen landet, obwohl er weiß, wie er vorbeugen könnte, verbietet sich möglicherweise unbewusst, glücklich zu sein.

Erickson war überzeugt: Besonders empfänglich für Veränderungsanstöße wird das Unbewusste, wenn man mit Trancen arbeitet. Gemeint sind damit veränderte Zustände des Gehirns, wie sie unter Hypnose gezielt angeregt werden, wie wir sie im Alltag aber auch spontan erleben: etwa, wenn wir tief in ein Buch versunken sind oder in Tagträumen schwelgen. Die Aufmerksamkeit ist dann nach innen gerichtet und auf ein Thema fokussiert, anderes wird mehr oder weniger ausgeblendet.

Laut dem Schweizer Hypnotherapeuten Christian Schwegler (2017) gilt: Je tiefer die Trance, desto stärker der Ausblendungseffekt, desto realer das Erleben des Vorgestellten im Körper. Suggestionen, Visualisierungen und körperliche Empfindungen werden in Trancezuständen also besonders intensiv erlebt und können dadurch leichter für Veränderungsprozesse nutzbar gemacht werden. Z.B. kann man Klienten in einer Trance erleben lassen, wie es ihnen gehen würde, wenn ihr Problem verschwunden wäre. Oder wie es sich auf ihr Erleben auswirken würde, wenn sie eine Ressource aus einem bestimmten Kontext in einen gewünschten mitnähmen. Das Unbewusste koppelt dabei Gedanken an inneres Erleben – und bahnt damit Lösungswege an.

Eine formale Tranceeinleitung wie in der klassischen Hypnose ist für die Veränderungsarbeit im Coaching nicht nötig. Meist genügt es, einfach Fragen zu stellen, die die Aufmerksamkeit des Klienten nach innen lenken, in Richtung Lösung locken und vor allem auch das Kopfkino anspringen lassen. Kopfkino deshalb, weil im Unbewussten, wie Schmidt (2019) erklärt, alles räumlich und bildlich repräsentiert ist. Die Großhirnrinde denkt in logischen Begriffen, das Zwischen- und Stammhirn „denken“ räumlich und bildhaft. Will man sie bei der Lösungsanbahnung einbeziehen, muss man ihre Sprache sprechen.

Den Verstand nicht abwerten

Bei aller Bedeutung, die man dem Unbewussten im Veränderungsprozess einräumt, sollte man den Verstand nicht abwerten. Das betont etwa Schmidt (ebd.) und kritisiert an diesem Punkt den hochgeschätzten Lehrer Erickson. So ging Erickson davon aus, dass der Verstand die kreative Lösungsfindung des Unbewussten oft mit rationalen Einwänden und beschränkten Vorstellungen behindere und der Therapeut ihn deshalb ablenken müsse. Auch der Hypnosystemiker Hammel (2014) betont: Oft wirke in den Sitzungen das, was vom Therapeuten oder Coach gar nicht explizit, sondern zwischen den Zeilen gesagt wird – vermutlich, weil es unbewusst aufgenommen und nicht von den kritischen Instanzen des Bewussten hinterfragt werde.

Schmidt (2019) hält es dennoch für zieldienlicher – und auch achtungsvoller –, den Verstand als gleichwertig zu betrachten und mit den anderen Anteilen des Klienten in eine Kooperationsbeziehung zu bringen. Dem, was Klienten unwillkürlich hervorbringen, begegnet er in den Sitzungen explizit wertschätzend. Praktisch alle Schritte, mit denen er das Unbewusste eines Klienten zu erreichen versucht, macht er zudem kognitiv nachvollziehbar.

In der Coaching-Praxis dürfte es sinnvoll sein, zumindest die zentralen Interventionen und Veränderungsschritte auch auf der bewussten Ebene zu thematisieren, weil Coaching immer auch darauf abzielt, den Klienten in die Selbstreflexion zu führen und seine Selbststeuerungsfähigkeit zu stärken. Nicht nur soll das Problem gelöst sein, die gewünschte Veränderung erreicht werden. Der Klient soll auch wissen, wie ihm das gelungen ist, um künftig in höherem Maße selbstbestimmt durchs Leben zu gehen.

Resümee und Ausblick

Inspiriert von Hypnosystemikern können wir das Unbewusste im Coaching als machtvolle Instanz ansprechen und als Ressource nutzen. Wir gehen dabei von Folgendem aus:

  • Das Unbewusste ist immer für den Klienten, nie gegen ihn.
  • Das Unbewusste weiß und kann Dinge, die der Verstand nicht weiß oder kann.
  • Das Unbewusste ist über Bilder und räumlich Strukturiertes ansprechbar.
  • Das Unbewusste ist für Botschaften zwischen den Zeilen besonders empfänglich.
  • Veränderungsarbeit ist Arbeit mit dem Bewussten und dem Unbewussten.

Wie man das Unbewusste im Coaching als Zugpferd, kreative Kraft und Schatzkiste nutzt, wird in Teil 2 (Coaching-Magazin 2/2023) anhand von einzelnen Interventionen und Fallbeispielen geschildert.

Literatur

  • Hammel, S. (2019). Lebensmöglichkeiten entdecken. Veränderung durch therapeutisches Modellieren. Stuttgart: Klett-Cotta.
  • Hammel, S. (2014). Therapie zwischen den Zeilen. Das ungesagt Gesagte in Psychotherapie, Beratung und Heilkunde. Stuttgart: Klett-Cotta.
  • Klein, O. G. (2018). Tagebuch schreiben. Berlin: Wagenbach.
  • Meiss, O. (2021). Hypnosystemische Therapie bei Depression und Burnout. Heidelberg: Carl-Auer.
  • Rosenberg, M. (2016). Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. Paderborn: Junfermann.
  • Schmidt, G. (2019). Grundkurs Hypnosystemische Konzepte. Mitschnitt vom 32. Metaforum Sommercamp in Albano/Italien. Müllheim: Auditorium Netzwerk.
  • Schwegler, C. (2017). Grundkurs Hypnotherapie. Abgerufen am 25.05.2022: www.simh.ch
  • Smothermon, R. (2017). Drehbuch für Meisterschaft im Leben. Bielefeld: Kamphausen.

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