Jemandem die Kunst eines Coachings zu beschreiben, das auf Modelle und Tools verzichtet und dessen Wirksamkeit sich allein aus offener Präsenz in Beziehung zu anderen entwickelt, ist nicht einfach. Michael Rautenberg ist dies in „Zen in der Kunst des Coachings“ wunderbar gelungen.
Gekonnt führt er Gedankenwelten zusammen, die auf den ersten Blick nach ihrem zeitlichen und räumlichen Entstehungskontext und ihren Sinnfeldern unterschiedlicher nicht sein könnten: Zen, Systemtheorie und Dialog. So entsteht ein Coaching-Ansatz, der nicht wie viele andere psychologisch oder psychotherapeutisch begründet ist, sondern Haltung und Beziehung des Coachs zum Gegenüber in den Mittelpunkt stellt. Konsequent dialogisch gedacht wird Coaching als „gemeinsame Koevolution auf Zeit“ von Coach und Klient vorgestellt. Denn beide, Coach und Klient, entwickeln sich in einer dialogischen Beziehungssituation gemeinsam und doch autopoietisch auf eigene Weise. Diese Perspektive auf Coaching ist eine ehrliche, demütige und endlich ganzheitlichere als bisher aus der Tool-lastigen Coaching-Literatur bekannt.
Neben locker vorgestellter Theorie erzählt der Autor passende Beispiele aus seiner Beratungspraxis und persönliche Erfahrungen, nimmt philosophische und literarische Textpassagen hinzu und verwendet eindrückliche Metaphern zur Illustration seiner Gedanken. Die verschiedenen Aspekte sind gut aufeinander bezogen, sodass der innere Zusammenhang trotz der Vielfalt der unterschiedlichen Zugänge verständlich ist.
Nach einem in die Grundlagen des Ansatzes einführenden ersten Kapitel stellt Rautenberg einen Zusammenhang von Zen und Systemtheorie her. Hier werden Gedankengänge eines radikalen Konstruktivismus angewandt. Der für Beratende (wie Manager) angemessene Modus ist in Konsequenz ein hoher Grad an Aufmerksamkeit bei voller dialogischer Präsenz im Jetzt.
Der dritte Teil stellt das dialogische Prinzip in den Mittelpunkt. Wir finden eine sehr gute systemtheoretische Beschreibung des Dialogs und eine Darstellung seiner wesentlichen Prinzipien aus der unübertreffbaren Quelle Martin Bubers. Es ist schwierig, die Kraft seiner Worte in handhabbare Texte für die Coaching-Szene zu übersetzen, hier ist es gelungen. Der Geist des Dialogs ist spürbar, die abgeleiteten praktischen Konsequenzen leuchten ein.
Der vierte Teil beginnt mit zehn Statements für die Beratung. Die Konsequenz ist ein sogenanntes hypnodialogisches Coaching, das alles Instrumentelle überstrahlt. Abschließend wird ein Sieben-Schritte-Programm des „Zen-Coachings“ entlang des Coaching-Prozesses vorgestellt. Trotz der hier vorgegebenen Prozessschritte bleibt der Anspruch des Buches, ein Coaching frei von Tools und Konzepten auf Basis einer dialogischen Haltung vorzustellen, gewahrt.
Wenn man überhaupt etwas kritisieren will: Das Buch bezieht sich meist auf Einzel-Coaching. Ausgehend von David Bohm und den Arbeiten am MIT in den 90er Jahren gibt es jedoch auch empfehlenswerte dialogische Praxen für Teams und Organisationen, auf die ein Blick lohnt.
Fazit: Uneingeschränkt empfehlenswert für Coaches und Coaching-Weiterbildungen.
Dr. Friederike Höher
www.friederike-hoeher.de