Den meisten Menschen ist nicht klar, was sie bereits alles gelernt haben. Sicher, da gab es Lernzeiten in Schule, Berufsausbildung oder Studium sowie Phasen der beruflichen Weiterbildung. Da bekam man Zeugnisse. Oft ist das lange her und man hat vergessen, was man einmal gelernt hat, oder einfach vergessen, was man alles noch könnte. Vieles wurde auch informell gelernt, in der Freizeit beispielsweise, man hat es aber gar nicht explizit als Lernen verstanden. Dabei macht dies nach Meinung der Wissenschaft sogar 70 Prozent jeglichen Lernens aus. Wenn man das jetzt alles einmal einsammeln würde, bilanzieren würde...
Genau das sollte man einmal tun, schließlich leben wir in Zeiten des stetigen Wandels! Lebenslanges Lernen ist da Pflicht. Es könnte einem helfen bei der Planung der beruflichen Weiterentwicklung oder bei der Vorbereitung die (Wieder-) Eintritts ins Erwerbsleben - oder auch bei der beruflichen oder persönlichen (Neu-) Orientierung. Dann hätte man eine vernünftige Basis, eine Orientierung und vor allem würde man sich einmal intensiv mit seinen Stärken auseinandersetzen. Man würde womöglich feststellen, dass man mehr kann, als man bislang wusste.
Die Beschäftigung mit dem ProfilPASS bedeutet eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit, mit dem eigenen Tun und Können. Dafür können schon ein Wochenende oder mehrere Abende drauf gehen. Die eine oder andere Frage wird man auch vielleicht mit Freunden oder Verwandten erörtern wollen. Hilfreich ist natürlich auch, einen Beratungsprofi zu konsultieren. Man begibt sich alles in allem auf eine Reise, an deren Ende man einer Antwort auf die Fragen "Wo stehe ich?" und "Wo will ich hin?" sehr viel näher gekommen ist.
Der ProfilPASS kommt als Ringbuch (Aktenordner) daher und gliedert sich in fünf Teile. Zunächst geht es in "Mein Leben - ein Überblick" darum, alle Bereiche, in denen man im Laufe seines Lebens tätig war, unter dem Blickwinkel dessen zu betrachten, was man dort gelernt hat. Das zweite und umfangreichste Kapitel widmet sich diesen einzelnen Tätigkeitsfeldern. Es soll heraus gearbeitet werden, was man dort im Einzelnen getan hat. Dazu soll immer nach dem Muster "benennen, beschreiben, auf den Punkt bringen und bewerten" vorgegangen werden. Etliche Arbeitshilfen stehen hierfür bereit. Der ProfilPASS lotst den Anwender dabei systematisch durch die Bereiche: Hobbys und Interessen, Haushalt und Familie, Schule, Berufsausbildung, Wehr- und Zivildienst/Freiwilliges Jahr, Arbeitsleben inklusive Praktika und Jobs, politisches und soziales Engagement (Ehrenamt) sowie besondere Lebenssituationen.
"Meine Kompetenzen - eine Bilanz", das dritte Kapitel, hilft nun, die einzelnen Tätigkeiten nach dem Fähigkeitslevel zu sortiert und sich somit einen Überblick über das zu verschaffen, was man gerne tut, was man gut kann und wo man eventuell noch etwas verbessern möchte. Auf diese Weise schälen sich die eigenen Kompetenzen heraus, die nach neun Kompetenzbereichen sortiert werden können.
Im vierten Kapitel geht es anschließend um die persönlichen Ziele und die nächsten Schritte auf dem Weg, diese zu erreichen. Ideal wäre es, aus den eigenen Kompetenzen eine "roten Faden" oder eine "Melodie" abzuleiten. Gelingt dies, und aus einer spielerischen Kombination oder Rekombination dieser Kompetenzen können sich ja durchaus bislang neue, überraschende Sichtweisen darstellen, steht die Ableitung privater oder beruflicher Ziele als nächster Schritt an. Diese werden selbstverständlich "smart" formuliert und in eine "Was bis wann"-Tabelle übertragen.
Das fünfte Kapitel nennt sich ProfilPASSPlus und gibt Hinweise für Bewerbungen, zur Kompetenzerfassung (bspw. auch zur betrieblichen Leistungsbeurteilung) und bietet Platz, die eigenen Zeugnisse abzulegen und auch weitere Nachweise zu sammeln.
Der ProfilPASS wurde im Rahmen des Verbundprojekts "Weiterbildungspass mit Zertifizierung informellen Lernens" der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung als bildungsbereichs- und zielgruppenübergreifendes Instrument entwickelt und wissenschaftlich erprobt. Er wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Europäischen Sozialfonds unterstützt. Als Instrument der Selbstexploration ist er ein Portfolio, mit dem Kompetenzen biografisch-systematisch ermittelt und erfasst werden können. Er wird nun unter anderem vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) herausgegeben. Ein Website begleitet das Angebot.
Die professionelle Beratung bei der Bearbeitung des ProfilPASS ist eine sinnvolle Unterstützung. Und damit wird das Instrument auch für Coachs interessant; vor allem für solche, die sich mit Potenzialanalyse und Karriereberatung beschäftigen. Der ProfilPASS muss dabei nicht lediglich als Einsteigerverfahren eingestuft werden. Wie die wissenschaftliche Begleitforschung heraus fand, bewerten Personen mit höheren Bildungsabschlüssen den Pass sogar besser als solche mit einem niedrigeren Bildungsniveau. Allerdings sollte man andererseits natürlich davon ausgehen, dass die Selbstreflexionsfähigkeit mit der Karrierestufe ansteigt, der Beratungsbedarf dieser Zielgruppe somit darüber hinaus gehen dürfte. Aber auch für diese kann die Beschäftigung mit dem ProfilPASS ein guter Ausgangspunkt sein.
Die Beratung flankiert den Prozess der Selbstexploration und leistet Hilfe zur Selbsthilfe
- ob sie nun individuell oder in Gruppen stattfindet. Berater können sich auch in zweitägigen Schulungen im Umgang mit dem Instrument vertraut machen lassen. Eine EDV-Version ist geplant. Außerdem wird eine nationale Koordinierungs- und Servicestelle eingerichtet.
- Nicht auszudenken, was geschehen wird, wenn sich dieses Instrument flächendeckend durchsetzen sollte. Ob mit oder gegen das deutsche Bildungssystem
- ein neues Diskussionslevel würde erreicht.