Das wird eine "kritische" Kritik und zwar aus mehreren Gründen, obwohl einer sicher schon ausreichend wäre. Hier schreibt offensichtlich ein Paar. Der Mann agiert im Gegensatz zur Frau international und wird beruflich profilierter beschrieben
- sie ist aber auf jeden Fall auch Unternehmensberaterin und Autorin. Wenn es sich um ein Paar handelt, dann würde das doch die besondere Möglichkeit bieten, verschiedene Sichtweisen oder Aspekte des internen Diskurses zum Thema aufzugreifen. Diese Chance wurde nicht genutzt, leider andere auch nicht.
Die fachliche Kritik setzt zentral an der Behauptung des Titels an, es ginge hier inhaltlich um verschiedene Facetten des Coachings: "Mitarbeiter und Teams entwickeln, begleiten, beraten, Coaching-Prozesse gestalten, sich selbst coachen". Viel zutreffender ist die Bezeichnung, die die gesamte Reihe von Veröffentlichungen des Autoren-Duos kennzeichnet: "Neges Management Trainer".
Die im gesamten Buch minuitös-kleinschrittig präsentierte Vorstellung von Coaching ist getragen von der nicht offen ausgesprochenen, aber implizit wirksamen Überzeugung: Alles ist möglich, jede Veränderung machbar, jeder kann sich selbst und andere coachen. Anders ausgedrückt: Ziele sind da, um sie zu erreichen. Nicht von ungefähr versteht sich dieses Buch als Handwerkszeug für Führungskräfte - eine andere Sichtweise verbietet sich offensichtlich von selbst. Damit wird jedoch Coaching als ergänzende Führungs- und Managementtechnik geradezu instrumentalisiert und entwertet.
Wenn etwas nicht klappt, dann ist lediglich bislang nicht die richtige Methode zum Einsatz gekommen. Doch das ist ein Trainingsgedanke, nicht eine zutreffende Beschreibung für einen erfolgreichen Coaching-Prozess. Wobei grundsätzlich die Schwierigkeit der Rollen- und damit Interessenkollision von Führungskräften als Coachs als - offensichtlich vernachlässigbar - von den Autoren lediglich gestreift wird. Dafür gibt es sicherheitshalber reichlich scheinbar "Methodisches" im Angebot in Gestalt von fertigen Checklisten, die beispielsweise vorformulierte Fragen für Zustimmungsformate bereithalten: Direkt zustimmen - "ja, das ist richtig", "das stimmt" oder "Da haben Sie recht"; verständnisvoll zustimmen - "Ich kann Ihre Äußerung gut verstehen" oder "ich verstehe Sie" oder "ich verstehe Ihren Hinweis". - So viel "Ja", Widerrede zwecklos
Dies zieht sich so oder ähnlich durch das gesamte Buch, wobei weder Konzepte noch Methoden, geschweige denn wissenschaftlich basierte Theorien als zugrunde liegender Bezugsrahmen benannt werden. Hier ein bisschen NLP, dort ein bisschen Schilderung der eigenen Coaching-Ausbildung: Das ist für ein Fachbuch einfach zu wenig. Listen ohne Einbettung in einen entsprechenden Rahmen oder ein tragendes Bild stellen für mich noch nicht einmal eine besonders praktische Unterstützung für die coaching-interessierten Führungskräfte dar. Es passt sicher nicht zu deren Selbstbild, sich einen Spickzettel für Termine irgendwo unauffällig hin zu pinnen.
Das war die direkte Kritik: Thema verfehlt, und alles nicht ausreichend basiert. Was jedoch noch viel schwerer wiegt und durch die Instrumentalisierung notwendigerweise gar nicht erst aufkommen darf, ist die Berücksichtigung dessen, was jeden Coaching-Prozess fundamental beeinflusst und als psychologisches Konstrukt anerkannt ist für jede Form von Beratung/Behandlung: Übertragung und Gegenübertragung. Konsequenterweise kommen auch Unbewusstes und Gegenläufiges sicherheitshalber gar nicht erst vor. Konflikte können einfach gelöst und Interessenkollisionen vom Coach beachtet werden. Wer glaubt, mit solchen Anweisungen und Man-nehme-Rezepturen als Führungskraft auch noch zum Coach werden zu können, der sei gewarnt: Wer solche basalen Hinweise zur Gesprächsführung braucht, erscheint mir als Coach wenig geeignet. Trainer bleib bei Deinen Leisten!
Wer jedoch Neigung und Eignung verspürt, der braucht inhaltlich eindeutig etwas Anderes, um Einsichten, Erkenntnisse und Rüstzeug für die Ausübung einer professionellen Coaching-Funktion.