Das Buch "Photoprofiling" ist aus mehreren Blickpunkten empfehlenswert. Zum einen ist es ein gelungenes Beispiel, wie eine Beraterin ihre verschiedenen Stärken und Kenntnisse einsetzt, um ein einzigartiges Angebot zu schaffen und sich damit vom Markt abzuheben. Zum anderen hat Karmen Kunc-Schultz mit dem Photoprofiling eine ungewöhnliche, moderne und flexible Variante der analogen Bilderarbeit rund um die Werkzeuge Kamera und Spiegel entwickelt.
Das Buch ist in drei Kapitel geteilt. Im ersten Abschnitt beschreibt die Autorin ausführlich die Entstehung und die Grundlagen des Photoprofiling. Im zweiten Teil gibt sie Einblicke in ihre Coaching-Konzeption und in die Nutzung der Methode Photoprofiling bei speziellen Fragestellungen des Klienten. Den weitaus größten Raum nimmt das dritte Kapitel ein, indem konkrete Übungen mit Spiegel, Kamera und manchmal auch Papier zu finden sind. Dazwischen finden sich immer wieder Fotostrecken, anscheinend aus Coachings, deren Zusammenhang mit dem Text der Rezensent leider nicht entdecken konnte.
Das erste Kapitel beschreibt zunächst, wie die Methode durch die Kombination individueller Fähigkeiten der Autorin ihren Anfang nahm. Neben einem kurzen Abschnitt zum Coaching-Verständnis und einem knappen Überblick über Theorien der Persönlichkeitsentwicklung sowie Systemik, widmet sich die Autorin ausführlicher der kognitiven Verarbeitung und Wirkung von Bildern. Hierbei baut sie geschickt Analogien aus der Fotografie ein und leitet so zum nächsten Thema über: der Fotografie als Medium zu Selbstreflexion und Persönlichkeitsentwicklung. Immer wieder gibt sie Fallbeispiele und scheut sich auch nicht, negative Erfahrungen zu nennen. Insgesamt werden die Grundlagen für die Methode Photoprofiling in einem umfassenden Überblick behandelt, auch wenn der theoretische Hintergrund manchem Leser vielleicht zu knapp sein könnte. So gibt es leider keine Verweise zum tieferen Einstieg in die Themen.
Im zweiten Hauptteil werden nach einer Vorstellung eines prozessoffenen Ablaufs eines Photoprofilings Coaching-Themen wie Motivation, Lebensbalance und Selbstpräsentation besprochen. Die Themen werden unterschiedlich ausführlich besprochen. Während bei Selbstpräsentation ein Beispielprozess rund um Photoprofiling sowie ein Fall besprochen werden, reserviert die Autorin für die Klärung von Zielen und Vision sowie Persönlichkeitsentwicklung jeweils nur eine Seite. Zwischendurch oder am Ende jedes Themas werden Möglichkeiten erwähnt, wie man Fotografie oder andere, später beschriebene Werkzeuge einsetzen könnte. Das Kapitel ist also eher eine Einführung für den umfassenden Methodenteil, wirkt aber leider manchmal oberflächlich. Hier hätte sich der Rezensent eine vertiefte Besprechung hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten von Photoprofiling gewünscht.
Im dritten Abschnitt liegt die Hauptstärke des Buchs. Hier kann man der Autorin glauben, wenn sie sich im Vorwort an die Leser wendet: "Gerne teile ich meine Erkenntnisse und Methoden mit Ihnen". In den Kategorien Auftrags- und Zielklärung, Potenzialanalyse, Stärken verankern, Motivations- und Biografie-Tools sowie Spiegelübungen stellt Karmen Kunc-Schultze eine Vielzahl von Methoden vor. Spiegelübungen sind eine Art Übung, für deren Durchführung man nur einen großen Spiegel braucht. Es geht um die Auseinandersetzung mit sich und seinen Selbstbildern als vorbereitenden Schritt zur Arbeit mit Fotos.
Alle Tools sind mit Ziel, Material, Zielgruppe, Zeitdauer, Einführung und genauem Ablauf beschrieben. Das visuelle Tagebuch, die visuelle Lebenslinie und das "Potentialhaus" sind originelle Varianten von bekannten Tools, erweitert um eine konsequent visuelle Dimension. Auch gefallen dem Leser das Bedürfnisinterview und die "200 Wörter der Stärkenliste".
Zusammenfassend lässt sich über das Buch sagen, dass es das Werk einer - sehr innovativen - Praktikerin für Praktiker ist. Wer wissenschaftliche Hintergründe oder genaue Diskussionen sucht, wird hier nicht fündig. Dafür ist in diesem Buch ein interessantes, kreatives Coaching-Konzept beschrieben, das in der Form einzigartig sein dürfte, auf die Methode neugierig macht; und - quasi ganz nebenbei - Mut macht, sich als Berater zu trauen: seine individuellen Interessen und Fähigkeiten zu einem Paket zu schnüren.