Ermöglichungscoaching? Ein etwas ungewohnter Begriff, aber ein fruchtbares Konzept, wenn man sich darauf einlässt. Die Autoren und Herausgeber laden an mehreren Stellen des Buchs ein, sich kritisch mit ihren Aussagen und Darstellungen zu beschäftigen und ihren Ansatz des "Ermöglichungscoachings" nicht als ein fixes non plus ultra zu betrachten.
Ermöglichungscoaching versteht sich als ein aus der Pädagogik entwickelter Ansatz, in dem die Leitlinien der sogenannten Ermöglichungsdidaktik auf Coaching im beruflichen und privaten Kontext übertragen werden. Die Ermöglichungsdidaktik wiederum wird im ersten Abschnitt des Buches dargestellt als das pädagogische Konzept, welches sich als Synthese aus einer eher autoritären Belehrungsdidaktik und den eher antiautoritären Entwicklungen einer autodidaktischen Pädagogik versteht. Im Mittelpunkt des Ansatzes steht ein konstruktivistisches Weltbild, welches sich in einer ganzheitlichen, ressourcen- und handlungsorientierten Coaching-Haltung ausdrückt. Ein interessanter Aspekt des Buches ist, dass sich die daraus ergebenden Handlungsempfehlungen und Prinzipien, die hier innerhalb einer innovativen pädagogischen Denkschule in Bezug auf die Vorgehensweisen und Rahmenbedingungen von Coaching entwickelt werden, frappante Ähnlichkeiten und Überschneidungen zu anderen Denk- und Praxisschulen wie der systemischen Beratungstradition oder auch psychologischen Praxisansätzen aufweist. Es wird dann auch selbstkritisch angemerkt, dass es sich bei der Ermöglichungsdidaktik bis jetzt noch um ein offenes Analyse- und Kategoriensystem handelt, nicht um eine in sich kohärente didaktische Handlungstheorie. Was ist dann also das Eigenständige und Besondere dieses Buches?
Besondere Würdigung aus meiner Perspektive verdient der ehrgeizige und selbstbewusste Anspruch, einen Beitrag zur Professionalisierung des Coaching-Gewerbes leisten zu können, in dem die eigene theoretischen Ausgangslage wie auch die sich daran anschließende praktische Umsetzung transparent zur Diskussion gestellt werden. Herausfordernd für jeden Coach - denn an dieses Zielgruppe richten sich die Autoren und Herausgeber explizit - ist allerdings der Aufbau und die Struktur dieser Offenlegung. Die grafische Darstellung und Gliederung mit "Schnellfindern", zusammenfassende Seitenkommentare und die visueller Unterlegung von reflexiven Textanteilen helfen bei der Erarbeitung der Inhalte, aber die gedankliche Struktur verlangt auch einiges Mitdenken.
Die Argumentationslinie des ersten Teils zu Hintergründen und Beziehungen der Ermöglichungsdidaktik beginnt mit gedanklichen Anstößen, welche durch darunter liegende Prinzipen (zum Beispiel "Selbstgesteuertes Lernen", "Handlungsorientierung" und "Methodenoffenheit") ausdifferenziert, und durch sogenannte "Zwischenrufe" unterbrochen werden. Dann geht es in wilder Jagd weiter zu Prinzipienprofilen und Handlungsmaximen. Zusammenfassende Matrizen sollen diese zusammenfassend darstellen und den Transfer in die Praxis erleichtern.
Im zweiten Teil werden dann auch ganz konkret Handlungsentscheidungen in konkreten Coaching-Situationen mit diesen Prinzipien in Verbindung gesetzt. Aus meiner Sicht gerät der Systematisierungsversuch in Bezug auf seinen praktischen Nutzen an einigen Stellen an seinen Grenzen. Nach diesem Strukturierungs-und Differenzierungsdickicht gerät man aber im zweiten Teil mit dem "Vorstoß in die Praxis" auf eine wahre Lichtung: Die Darstellung von acht konkreten
Einzel-Coachings von verschiedenen Coachs, die schon alleine den Kauf des Buches rechtfertigen würde. Hier wird sehr elaboriert, selbstkritisch und anschaulich das eigene Vorgehen geschildert und kommentiert. Mit einer Fülle an Einsichten über Hypothesenbildung, Methodenverwendung, Reflexionen des Coaching-Prozesses und des eigenen Verhaltens kann man hier acht professionellen Coachs bei der Arbeit über die Schulter schauen. Dadurch erhält man einen sehr lebendigen und für die eigene Arbeit hilfreichen Einblick, wie sich eine konstruktivistisch-systemische Haltung ganz praktisch in der Arbeit niederschlagen kann. Wünschenswert an dieser Stelle wäre vielleicht nur eine umfassendere Thematisierung von den Ansatz einengenden organisatorischen Rahmenbedingungen (wie zum Beispiel mit dem Vorgesetzen als Auftraggeber) von Coachings in Businesskontexten gewesen, da sich alle beschriebenen Coaching-Fälle auf Einzelklienten beziehen, die selber ein Coaching aufsuchen.
Auf das ganze Buch bezogen hätte eine stringentere, theoretisch fundierte Erarbeitung der Prinzipienentwicklung und ihrer theoretischen Beziehungen untereinander sicher den Umfang gesprengt, wäre aber inhaltlich ergiebig gewesen. Insofern ist die für eine Professionalisierung des Coachings erforderliche Systematisierung mit diesem Buch einen Schritt vorangekommen, aber natürlich noch nicht zu einem Ende. Das Buch kann durch die transparente Darstellung von Handlungsprinzipien und der Beschreibung ihrer praktischen Umsetzung einen wertvollen Beitrag zu einer differenzierteren Diskussion der professionellen Ausgestaltung des Coaching-Berufs leisten.
Ulrich Schoop
DB Netz AG, Frankfurt