Wann setzt sinnvolles Führungskräfte-Coaching ein? Wenn die ersten Probleme im Führungsalltag auftreten? Bereits vor der Übernahme der neuen Position? Oder gar schon im Studium, als Vorbereitung auf eine später mögliche Leitungsfunktion? Die beiden Herausgeber plädieren klar für Letzteres. Dabei sprechen sie aus Erfahrung, denn Thomas Eberle löste 2006 Sascha Spoun als Leiter des Coaching-Programms der Universität St. Gallen (CH) ab.
Angesichts zunehmender Komplexität in der Wirtschaft sehen sich Führungskräfte von heute und morgen erhöhten Anforderungen im Führungsalltag gegenüber. Die Notwendigkeit einer gezielten Förderung, welche auch die persönliche Weiterentwicklung und Stärkung sozialer Kompetenzen im Blick hat, scheint unbestritten. Relativ neu ist die Idee damit bereits im Studium zu beginnen und Wirtschaftsstudenten neben Mentoren auch professionelle Coaches an die Seite zu stellen. Der Ansatz wird insbesondere an der Universität St. Gallen gelebt - die Beschreibung des St. Gallener Coaching-Modells nimmt im vorliegenden Band auch eine herausragende Stellung ein. Ergänzt werden diese Ausführungen durch die Vorstellung weiterer Förderprogramme an anderen Universitäten - unter anderem das Supervision-System in Cambridge.
Diesem Teil vorangestellt sind fünf Artikel zu allgemeinen Tendenzen im Führungskräfte-Coaching und verschiedenen Formen von Coaching. Spezielle Themen aus dem Führungskräftealltag und deren Bearbeitung im Coaching werden nach der Darstellung universitärer Programme aufgegriffen. Eine Überraschung bietet der Artikel von Ex-Profifußballer und Trainer Gilbert Gress und der ungewöhnliche Vorstoß von Michael Berndonner zum Coaching von Orchestern. Den Abschluss bildet ein Kapitel zur Evaluation von Coaching-Interventionen mit der Darstellung von zwei Auswertungsstudien. Für ihren Sammelband konnten die Herausgeber zahlreiche Universitätsprofessoren und prominente Praktiker gewinnen - den Einstieg macht Gerhard Fatzer (Institut Trias GmbH, Zürich, CH) und Coaching-Legende Wolfgang Looss reflektiert über Coaching im Top-Management.
Die thematische Heterogenität und eine von schwer verständlicher Theorie bis zum fast umgangssprachlich formulierten Erfahrungsbericht reichende Variation werfen die Frage auf, an welche Zielgruppe sich das Buch wendet. Führungskräftecoaches können von der sehr ausführlichen Darstellung des universitären Coaching-Programms inklusive zeitlichem Ablauf der einzelnen Assessment- und Beratungsphasen nur bedingt profitieren. Hochschulmitarbeiter, welche über die Einführung eines eigenen Coaching-Programms nachdenken, hätten mehr von einer schlankeren Ausgabe, welche sich auf den Mittelteil mit Uni-Fokus beschränkt. Trotzdem finden sich viele spannende Beiträge und innovative Ansätze, aus denen Praktiker und Professoren Anregungen ziehen können.
Fazit: Ein Sammelsurium interessanter Artikel zum Thema Führungskräfte-Coaching mit einem Schwerpunkt auf Coaching von Elite-Studenten - den Führungskräften von morgen.
Anne Haker