Cover: Coaching als kreativer Prozess. (4. Aufl.)
Kurt F. Richter

Coaching als kreativer Prozess. (4. Aufl.)

Rezension von Till Mrongovius

3 Min.

Schon der kaschierte Einband von Richters "Coaching als kreativer Prozess" kommt mit Pinsel und Farben bunt und fröhlich daher und lässt Leichtigkeit vermuten. Ein erster Blick ins Inhaltsverzeichnis macht weiter neugierig: "Interventionswerkstatt", "Materialkoffer" und ein weitgespannter thematischer Bogen von der üblichen Coaching-Definition bis zum Selbst-Coaching. Beim weiteren Durchblättern fällt die sehr übersichtliche Verwendung von Layout-Elementen auf. Vertiefende Praxisinformationen finden sich meist in einem grau abgesetzten Bereich, die Kurzbeschreibungen der vielen Interventionen in einem abgesetzten Kasten. Zudem helfen beim Lesen und Durcharbeiten zahlreiche Verweise auf vor- oder nachstehende Kapitel, den Inhalt in einen Gesamtkontext zu stellen.
In der Einführung wird kurz der Coaching-Ansatz des Autors vorgestellt, der Gebrauch der Übungen sowie die einzelnen Kapitel kurz beschrieben. Das ermöglicht von Anfang an ein zielgerichtetes Arbeiten mit den Kapiteln und Interventionen.
Ist die zugrunde liegende Coaching-Definition noch standardmäßig, fällt die Beschreibung des Coaching-Ansatzes des Autors ungewöhnlich auf: Er hat seine Wurzeln sowohl in der Systemik als auch in der Gestaltberatung, mit einem besonderen Schwerpunkt auf Kreativität. Dazu gehört auch - mutig für einen Businesskontext - Körperarbeit. Auf 16 Seiten gibt der Autor eine gut nachvollziehbare und durchdachte Erklärung seiner Kombination der Ansätze. Ziel ist es, durch Nutzung von Kreativität und analogen Elementen einen alternativen Zugang zu Problem und Lösung zu ermöglichen, was gerade im eher rational geprägten Businesskontext eine starke Perspektivänderung ist.
Ab Kapitel 3 (Struktur und Prozess) werden neben theoretischen Grundlagen auch verschiedene anwendbare Modelle besprochen. Am Ende jedes Kapitels gibt es konkrete Interventionen zu den im Kapitel besprochenen Inhalten. Das bündelt die Interventionen und teilt das Kapitel in einen theoretischen und einen praktischen Teil auf. Die Übungen selbst sind übersichtlich aufgebaut, nach einer Einordnung nach Ziel, Setting, Zeit und Material kommt die Durchführung, manchmal sogar mit Dialogschnipseln als Beispiel versehen und Anleitungsvorschlägen. Am Ende stehen mögliche Auswertungsfragen und Anregungen für Folgeinterventionen. Viele Interventionen sind analoge Varianten von bekannten digitalen Übungen.
Auch Körperarbeit und Bewegungserfahrung werden angesprochen, wobei Arbeit mit Gong und Rassel, Körperpositionen, sowie Atem- und Entspannungstechniken vielleicht nicht jedem Coach im geschäftlichen Kontext liegen. Eine verständliche Begründung schützt diesen Abschnitt dennoch davor, ins Unfundierte abzugleiten.
Hervorheben sollte man insbesondere zwei Abschnitte: Das Kapitel zur Interventionsgestaltung ermöglicht es dem erfahreneren Coach, bekannte Übungen zu erweitern und anzupassen oder ganz eigene zu entwickeln. Dazu gibt der Autor dem Leser bei einem Einblick in seine "Werkstatt" einen Theorierahmen an die Hand. Außerdem ist der "Materialkoffer" zu erwähnen, bei dem es sich nicht - wie anfangs vom Rezensenten gedacht - um den strapazierten "Methodenkoffer" handelt, sondern eine Aufstellung aller Materialien, die zur Umsetzung der Interventionen des Buches nötig sind, die am Ende des Buches noch einmal gesammelt aufgelistet sind. Beides sind aufmerksame Details!
Ich habe dieses Buch gerne gelesen und empfehle es daher auch gerne weiter. Gesprächsfokussierte Coachs, die ein spielerisches Element im Coaching ablehnen, werden sich wahrscheinlich mit dem Inhalt etwas schwer tun. Ideal scheint mir das Buch für neugierige, offene und eher analog geprägte Coachs. Neben der Übersichtlichkeit sorgt ein lebendiger Schreibstil über weite Strecken für leicht zu lesende Texte. Außerdem hat mir die Unaufgeregtheit gefallen, mit der der Autor seinen etwas ungewöhnlich scheinenden Coaching-Ansatz vertritt. Die Übungen machen mir als Coach Lust auf das Anwenden - Coaching als "co-kreativer" Prozess im besten Sinne.

Till Mrongovius

Perspektiven.leben
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