International

Wer ist Tony Robbins?

Ein Kurzportrait

7 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 1 | 2024 am 21.02.2024

Tony Robbins, geboren am 29. Februar 1960 als Anthony Jay Mahavoric und mit 12 Jahren von seinem Stiefvater Jim Robbins adoptiert (O’Keefe, 2014), ist einer der prominentesten und populärsten Coaches der USA. Er hat nach eigenen Angaben über 50 Millionen Menschen geholfen, coachte CEOs sowie Sportler, Schauspieler wie Hugh Jackman und Gerald Butler und sogar vier US-Präsidenten (Robbins, 2024a). Robbins' Vermögen beläuft sich nach übergreifender Recherche auf mehrere hundert Mio. US-Dollar bei jährlichen Einnahmen im höheren achtstelligen Bereich.

Wer ist aber Tony Robbins? Einen Einstieg bietet gleich die erste Szene der Netflix-Dokumentation „Tony Robbins. I am not your Guru“ (2016): Ein Mann Mitte 30 berichtet sichtlich aufgewühlt vor großem Publikum, er habe kein Selbstwertgefühl und kämpfe mit Suizidgedanken. Tony Robbins steht ihm gegenüber – und fragt, ob seine Schuhe das Problem wären, sie seien „fucking red“. Der Mann lacht und Robbins neckt ihn mit breitem Grinsen. Der Mann solle lieber aufhören, so viel zu lachen, sonst würde er noch hier, am Leben, bleiben wollen. Nun sichtlich bewegt erklärt Robbins, der Mann müsse sich selbst lieben, sich Zeit geben für die eigenen Vorhaben. Er werde ihm zeigen, was er tun müsse, um sich zu verändern. Der Mann müsse aber mitmachen, was nun sichtlich kein Rat mehr ist, sondern eine ernstgemeinte Warnung, schließlich wisse der Mann, er, Robbins, mache keinen „fucking bullshit“. Die leise, gefühlvolle Musik schwillt an, beide nehmen sich in den Arm, der Mann weint heftig und wird vom Publikum auf Händen getragen.

Diese Szene wirkt wohl abseits des US-amerikanischen Kulturkreises etwas irritierend. Tony Robbins als dubiosen Guru abzutun, ist allerdings zu kurz gegriffen. Zudem fehlt ein Aspekt, der sich durch den Film zieht und authentisch wirkt: Robbins wirkt äußerst sympathisch und empathisch, man glaubt ihm, dass er helfen will.

Vom Hausmeister zum Millionär

Nach der Highschool, mit 17 Jahren, arbeitete Robbins als Hausmeister, als er auf den seit den 1960ern prominenten Motivations-Trainer Jim Rohn stieß und der ihm beibrachte, dass der Weg zu Erfolg in der Selbstoptimierung liege (Robbins, 2024b). Mit Mitte 20 folgte eine Ausbildung in NLP bei John Grinder (ebd.). Robbins wurde daraufhin selbst im seit 1970 stark aufkommenden Trend der Selbstoptimierung in den USA (Wikipedia, 2024a) durch Seminare und v.a. Ratgeberbücher, darunter den Bestsellern „Unlimited Power“ (1986) und „Awaken the Giant Within“ (1991), aktiv. Zur Bewerbung nutzte er ab 1990 bis weit nach 2000 sogenannte Infomercials im Fernsehen: 24-stündige Werbesendungen zu seinen Seminaren, was ihm große Bekanntheit einbrachte (O’Keefe, 2014). Eines seiner Markenzeichen zu dieser Zeit war der Lauf über glühende Kohlen, was ihm durch medienwirksame Inszenierung und Teilnahme von Prominenten wie Oprah Winfrey nochmals Aufmerksamkeit einbrachte (ebd.).

Die Idee hinter dem „fire walk“ führt Robbins auf John Grinders Annahme zurück, dass Gedanken und Emotionen durch den aktuellen Körperzustand beeinflusst werden können: Bewegung, ein (abrupter) Zustandswechsel des Körpers wie ein Sprung ins kalte Wasser (oder Lachen wie in der Doku) sollen innere Blockaden lösen (Robbins, 2024b).

Weltweite Aufmerksamkeit erhielt Robbins durch den US-Spielfilm „Schwer verliebt“ (2001), in dem er sich selbst spielt und den Hauptdarsteller Hal (Jack Black) so hypnotisiert, dass er nur noch die innere Schönheit von Menschen sehen kann. Der Film war weltweit erfolgreich und kreierte das Image von Robbins als „Meisterhypnotiseur“.

Mit wachsender Aufmerksamkeit wurden seine Seminare zu Events: Das jährlich stattfindende, sechstägige „Date with Destiny“ spricht tausende Menschen an, die Veranstaltung wird als regelmäßig frühzeitig ausverkauft beschrieben (Robbins, 2024c). Im Kern geht es darum, Glaubenssätze und Überzeugungen zu identifizieren und bei Bedarf zu verändern, so werde man sein Leben in sechs Tagen komplett umformen (ebd.).

Während das „Destiny“-Event etwas stärker auf private, zwischenmenschliche Anliegen ausgerichtet ist, zielt das Programm „Unleash The Power Within“ deutlicher auf berufliche Anliegen: Hier werde man unter anderem in die Lage versetzt, sein Unternehmen zu verwirklichen und dessen Umsätze zu „verdoppeln, verdreifachen oder zu vervierfachen“ (Robbins, 2024d). Im Kern geht es auch hier darum, innere Blockaden, Glaubenssätze, Ängste und hinderliche Überzeugungen aufzuspüren, zu bearbeiten und das beste Selbst zu schaffen - in vier Tagen (ebd.).

Sieht man von der werberischen Präsentation beider Events und den extrem zugespitzten Erfolgsversprechen ab, erscheinen die dahinterliegenden Ansätze (so dürfte die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) eine Rolle spielen) keineswegs unseriös oder trivial.

Business-Coaching

Abseits dieser und weiterer großer Events und zahlreicher anderer Angebote bietet Tony Robbins auch explizit Business-Coaching an. Auffallend ist die optisch nüchterne, ruhige und sachliche Darstellung des Angebots im Vergleich zu den beiden Events (Robbins, 2024e). Das Coaching-Angebot besteht aus Unterstützungsleistungen und Hilfestellungen für Unternehmer und Führungskräfte, die sich und ihr Unternehmen voranbringen wollen, v.a. in den Bereichen Umsatzsteigerung, effektive und erfolgreiche Führung, Resilienz in schwierigen Zeiten und der Rekrutierung bzw. dem Halten von Top-Mitarbeitern (ebd.). Es findet im 1:1-Setting mit festem Zeitrahmen und definiertem Ende statt, das Erstgespräch ist kostenlos. Es ist auch die Rede von „SMARTen Zielen“, Stressreduktion, Führungsqualitäten.

Auch das zeigt, dass man Tony Robbins nicht als (zwielichtigen) Massenprediger abstempeln sollte, sondern als Person, die es versteht, ihr jeweiliges Publikum zu bedienen – und vieles davon scheint letztlich (auch) eine Geschmacksfrage zu sein.

Wirksamkeit und Kritik

Das Business-Angebot und auch die Events arbeiten mit durchaus fundierten Ansätzen und Methoden, die man allerdings zwischen den Werbezeilen herauslesen bzw. in der Netflix-Doku als solche erkennen muss. Doch wirken v.a. die Event-Versprechen auf nüchterne Betrachter zumindest irritierend.

Hier helfen zwei Studien zur Wirksamkeit der Events: Das „Unleash“-Programm wirke hinsichtlich des nachhaltigen Lerneffekts der vermittelten Inhalte signifikant langfristiger als reguläre, schulähnliche Wissensvermittlung (Wilson et al., 2021). Gründe lägen insbesondere in der Einbeziehung von körperlicher Aktivität, was ein bekannter Faktor sei, wie die Autoren einräumen.

Zwar handelt es sich um eine durch Peer-Review geprüfte Studie, doch wirkt der Vergleich zwischen Schule und eventmäßiger Wissensvermittlung kurios. Zudem nahmen lediglich 26 Probanden an der Studie teil, was deren Aussagekraft entsprechend schmälert.

Auch eine Studie zum „Destiny“-Event – ebenfalls geprüft durch Peer-Review – soll belegen, dass ein solches Programm kurz- und langfristig gegen Stress, Ängste und v.a. Depressionen wirke sowie die psychische Gesundheit und (berufliche) Rollenklarheit fördere (Ganz et al., 2022). Die eine Hälfte der (lediglich) 45 Probanden nahm am sechstägigen „Destiny“-Programm teil, gefolgt von täglichen 10-minütigen „psychosocial exercises“ über 30 Tage hinweg. Die andere Hälfte schrieb als Kontrollgruppe über 36 Tage hinweg täglich 10 Minuten in ein Dankbarkeitstagebuch. Auch hier wirkt der Vergleich zwischen dem solitären Schreiben in ein Dankbarkeitstagebuch und einem intensiven Event mit Trainings, Wissensvermittlung und Gruppendynamiken eher abwegig. Zudem räumen die Autoren der Studie ein, dass depressive Probanden (ein Fokus der Studie) lediglich via Selbstauskunft ermittelt wurden (ebd.). Auch wussten alle Teilnehmenden vorab, dass sie an Robbins‘ Event teilnehmen könnten, was nicht nur Erwartungen und Hoffnungen weckt, die sich bei Enttäuschung negativ auf das Handeln und damit das Ergebnis niederschlagen können, sondern die einzige Motivation zu Studienteilnahme sein könnte, ganz ohne Leidenshintergrund.

Literatur

Berlinger, J. (2016). Tony Robbins. I am not your Guru. USA: RadicalMedia, Third Eye Motion Picture Company.

Ganz, A. B.; Rolnik, B.; Chakraborty, M.; Wilson, J. et al. (2020). Effects of an immersive psychosocial training program on depression and well-being. Journal of Psychiatric Research, 61(150). Abgerufen am 17.01.2024: www.sciencedirect.com

O’Keefe, B. (2014). Tony Robbins, The CEO Whisperer. Fortune. Abgerufen am 17.01.2024: www.fortune.com

Robbins, T. (2024a). Biography. Abgerufen am 17.01.2024: www.tonyrobbins.com/biography

Robbins, T. (2024b). Die Mentoren, die mich gecoacht haben. Abgerufen am 17.01.2024: www.tonyrobbins.com

Robbins, T. (2024c). Date with Destiny. Abgerufen am 17.01.2024: www.tr.tonyrobbins.com

Robbins, T. (2024d). Unleash Your Greatness with Tony Robbins. Abgerufen am 17.01.2024: www.upwnow.com

Robbins, T. (2024e). Tony Robbins Business Coaching Services. Abgerufen am 17.01.2024: www.tonyrobbins.com

Wikipedia (2024). Self-help book. Abgerufen am 17.01.2024: https://en.wikipedia.org

Wilson, J. M.; Gheith, R. H.; Lowery, R. P.; Reber, D. D. et al. (2021). Non-traditional immersive seminar enhances learning by promoting greater physiological and psychological engagement compared to a traditional lecture format. Physiology & Behavior, 56(238). Abgerufen am 17.01.2024: www.sciencedirect.com

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