Führung

Kata-Coaching

Von der Fähigkeit, routinemäßig Probleme zu lösen

Kata-Coaching ist eine Methode des Lean Managements, mit der die eigenständige Problemlösekompetenz von Mitarbeitern gefördert werden soll. Die Methode beinhaltet zwei Elemente: Das Verbesserungs-Kata, bei dem Mitarbeiter durch sich wiederholende Tätigkeiten ein Gespür für Verbesserungsmöglichkeiten entwickeln, sowie das Coaching-Kata, bei dem die Mitarbeiter mittels regelmäßiger Coaching-Sitzungen unterstützt werden. Im vorliegenden Artikel erfahren Sie mehr über die Wirkungsweisen, mögliche Einsatzgebiete und den Ablauf des Kata-Coachings.

8 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 1 | 2023 am 22.02.2023

Kata-Coaching

In jedem Unternehmen treten früher oder später Probleme auf. Meistens ist es dann Aufgabe der Führungskräfte, diese Probleme anzugehen. Grob gesagt: In der Regel denken sich die Chefs Lösungswege aus, die Mitarbeiter müssen diese umsetzen. Hier könnte man sich fragen: Wenn nur einige wenige Personen im Unternehmen über Problemlösestrategien verfügen, werden dann nicht Ressourcen verschwendet? Ist es nicht effizienter, wenn alle Mitarbeiter in der Lage wären, Probleme oder Schwachstellen zu erkennen, zu vermeiden und aus der Welt zu schaffen? An dieser Stelle dockt das Kata-Coaching an. Durch routinemäßige Übungen sollen alle Mitarbeiter eines Unternehmens lernen, wie sie mit Schwierigkeiten umgehen können, um die Produktivität aufrecht zu erhalten oder gar zu erhöhen. 

Das Wort „Kata“ stammt aus dem Japanischen und wird vor allem im Kontext der japanischen Kampfkunst Karate gebraucht. Dort bezeichnen Kata eine Art Schattenkampf gegen einen fiktiven Angreifer. Frei in die deutsche Sprache übersetzt, lässt sich Kata am ehesten mit den Wörtern „Form“ oder „Muster“ gleichsetzen. Um die geht es auch im Karate: Mithilfe der verschiedenen Kata soll die jeweilige Stilrichtung der Karate-Schule erlernt und gefestigt werden. Bei der wiederholten Ausführung von Kata prägen sich Karateka bestimmte Abfolgen von Schritten und Techniken ein. Als Ziel sollen diese Techniken ins Muskelgedächtnis der Ausführenden übergehen und im Falle eines tatsächlichen Angriffs, routiniert und ohne groß überlegen zu müssen, gegen den Gegner angewendet werden können. (Sturm, 2019)

Die Fähigkeit, reflexartig auf Bedrohungen reagieren zu können, die im Karate durch Kata antrainiert wird, soll dank Kata-Coaching auch Arbeitnehmern eines Unternehmens zugutekommen, so die Argumentation von Mike Rother (2013), dem Begründer der Kata-Methode im Business-Kontext. Rothers Auffassung zufolge gelingt es Firmen mithilfe des Kata-Coachings, das auf den japanischen Automobilhersteller Toyota zurückzuführende Lean Thinking bei sich zu etablieren. Toyotas Lean-Philosophie ist mittlerweile so gefragt, dass das Unternehmen über seine Toyota Lean Academy die Lehre vom Lean-Ansatz an andere Firmen und Organisationen weltweit weitergibt (Toyota, 2022). Doch da die meisten Firmen nicht über Arbeitnehmer verfügen, die den Lean-Gedanken bereits verinnerlicht haben, soll es ihnen laut Rother (2013) mittels Kata-Coaching nahegebracht werden können.

Die Prinzipien des Lean Managements

Obgleich Toyota die Lean-Philosophie vorrangig für seinen Produktionsablauf zur Automobilherstellung entwickelt hat, lassen sich ihre Prinzipien – mit einigen Anpassungen – auf sämtliche Bereiche eines Unternehmens und auch in anderen Branchen als der Automobilherstellung anwenden (Institut für Integrierte Produktion Hannover, 2022). Letztendlich geht es bei der sogenannten „schlanken Methode“ stets darum, Wege zu finden, „um Prozesse effizienter zu organisieren. Effizient bedeutet, dass wir ein Ziel mit möglichst wenig Aufwand erreichen. Das Lean Management setzt dabei auf die Minimierung von Verschwendung, um Kosten zu reduzieren, Prozessabläufe in der Wertschöpfungskette zu verkürzen und Fehler zu vermeiden – bei gleichzeitigem Streben nach bestmöglicher Qualität.“ (Czechowski, 2020)

Bei den Lean-Methoden steht immer der Kunde im Fokus. Alles, was nicht zur Erfüllung der Kundenzufriedenheit beiträgt, darf entschlackt werden, um Kapazitäten zu schaffen für etwas, worauf der Kunde Wert legt. Auf diese Weise soll Verschwendung jeglicher Art vermieden werden. Mit dieser Kunden-Orientierung streben Mitarbeiter in einem Lean-System nach einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP). Grundregel des Lean Managements ist demnach: Alles kann immer verbessert werden. In diesem Denken werden Fehler nicht als etwas Negatives angesehen, sondern als Chance, sich oder etwas zu verbessern. (ebd.)  

Kata-Coaching stellt ein mögliches Vorgehen dar, um die Prinzipien des Lean Managements in die Praxis umzusetzen. Es umfasst dabei zwei Prozessschritte:

  1. Verbesserungs-Kata: Hierbei werden Arbeitnehmer geschult, Handlungsabläufe routiniert durchzuführen und Schwachstellen im System oder bei sich selbst zu erkennen und diese auszubessern.
  2. Coaching-Kata: Hierbei werden Führungskräfte geschult, ihre Mitarbeiter zwecks verbesserter Selbstständigkeit zu coachen.

Verbesserungs-Kata 

Der erste Schritt im Verbesserungsprozess nach dem Lean-Management-Prinzip kann durch die Methode Verbesserungs-Kata herbeigeführt werden. Wie bei den Kata im Karate werden dabei zunächst Handlungsabläufe genau festgelegt und dem Lernenden erläutert. Der Arbeitnehmer wiederholt diese für seinen Job relevanten Abläufe immer wieder, bis er sie verinnerlicht hat. Dadurch kann er seinen Job mit der Zeit immer schneller, müheloser und somit effizienter erledigen. Nicht nur gewinnt er dabei in seiner Handlung an Selbstsicherheit, sondern wird durch seine Expertise dazu befähigt, Schwachstellen bzw. Verbesserungspotenzial in den Abläufen zu erkennen. (Studyflix, 2022)

So wie der Karateka mittels des imaginären Gegners darauf vorbereitet wird, einen realen Angreifer abwehren zu können, sollen Firmenmitarbeiter durch Handlungsroutinen befähigt werden, auch neue und plötzlich auftretende Störungen im Ablauf zu meistern. Dabei ist der Umstand essenziell, dass erst durch das Auftreten von Problemen die passenden Lösungen gefunden werden können. Es reicht daher nicht, im Vorhinein zu überlegen, was theoretisch alles schieflaufen könnte. Vielmehr sollen den Mitarbeitern die Probleme beim Ausführen der Handlungsabläufe offenbar werden. Da sich die Mitarbeiter durch das Verbesserungs-Kata in ihren jeweiligen Bereichen am besten auskennen, seien sie dann auch die geeignetsten Personen, um Lösungen für Probleme zu finden, die in ihrem Zuständigkeitsgebiet auftreten. (ebd.)

Richtig eingesetzt fördert Verbesserungs-Kata die Problemlösekompetenz und das Selbstbewusstsein der Mitarbeiter (ebd.). So können sie Problemen selbstsicher und flexibel begegnen. Mitarbeiter verinnerlichen mittels Verbesserungs-Kata den KVP-Anspruch, wodurch Abläufe sukzessive an Effizienz gewinnen (Keith, 2021). Wenn alles reibungslos verläuft, werden überflüssige Aktionen vermieden. Als Ergebnis – so der Anspruch – werden Effizienz sowie Produktivität gesteigert, Kosten gesenkt und der Umsatz verbessert.

Coaching-Kata

Die positiven Effekte des Verbesserungs-Kata können nur zustande kommen, wenn Führungskräfte ihren Mitarbeitern sowie deren Problemlösekompetenz vertrauen und sie ihre Ideen umsetzen lassen. Die zentrale Aufgabe von Führungskräften besteht also darin, eine selbstständige Arbeitshaltung ihrer Mitarbeiter zu ermöglichen und zu fördern. (ebd.) Dies soll mittels Coaching-Kata gelingen. Coaching-Kata umfasst, dass Führungskraft und Mitarbeiter regelmäßig zu Coaching-Sessions zusammenkommen. Die Führungskraft oder Teamleitung nimmt dabei die Rolle des Coachs ein. Die Coaching-Sitzungen sollen der Kata-Logik entsprechend an Routine gewinnen und irgendwann zu einer Selbstverständlichkeit im Arbeitsalltag werden. 

Die Entwicklungskurve erläutert das Prinzip des Kata-Coachings.

Abb.: Coaching-Kata-Prinzip

Die Schwerpunkte bei einer Coaching-Sitzung nach der Coaching-Kata-Methode stehen fest. Zunächst ist stets der derzeitige Zustand zu analysieren (Studyflix, 2022). Dabei müssen die Mitarbeiter in der Lage und gewillt sein, sich ehrlich mit der eigenen Person und dem eigenen Können bzw. Nicht-Können auseinanderzusetzen (Keith, 2021). Dann muss sichergestellt werden, dass die Mitarbeiter die Vision des Unternehmens – sozusagen das Ziel – verstanden haben und ihr Handeln darauf ausrichten. Die Führungskraft in der Rolle des Coachs darf den Mitarbeitern auf dem Weg zum Ziel Instrumente an die Hand geben, aber sie darf ihnen den Weg nicht vorgeben (siehe Abb.). Stattdessen soll der Coach die Mitarbeiter dazu motivieren, selbst nach Verbesserungsmöglichkeiten zu streben. (ebd.) Die Mitarbeiter können zur Lösungsfindung aus ihren Erfahrungen schöpfen, die sie durch das Verbesserungs-Kata gesammelt haben. Ein gewisser Raum für Experimente oder auch für das Scheitern müssen Führungskräfte ihren Mitarbeitern zugestehen. Schließlich werden im Lean-Denken Fehler nicht negativ aufgefasst, sondern als Chance zur Verbesserung wahrgenommen.

Auf der Basis dieser Schwerpunkte lassen sich für das Coaching-Kata die wichtigsten Fragen festhalten:

  • Was ist der Ist-Zustand?
  • Was ist der Ziel-Zustand?
  • Welches Problem ist Ihnen auf dem Weg zum Ziel-Zustand begegnet?
  • Was haben Sie daraus gelernt?
  • Welche Möglichkeiten zur Verbesserung möchten Sie (statt dem vorigen Plan) angehen?
  • Wann darf mit ersten Ergebnissen gerechnet werden?
  • Was haben Sie daraus gelernt?

Die Frage „Was haben Sie daraus gelernt?“ wird im Musterablauf zwei Mal aufgeführt, da im KVP des Lean Thinking selbst anschließend an eine gelungene Umsetzung das Vergangene reflektiert und nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten gesucht werden sollte. Coaching-Kata ist somit ein nie endender Prozess im Streben nach Verbesserungspotenzial.

Fazit

Mit Kata-Coaching soll ein Zustand erreicht werden, in dem alle Mitarbeiter eines Unternehmens ihre Problemlösefähigkeiten ständig zum Einsatz bringen und dadurch trainieren. Das vordergründige Ziel besteht darin, gleichzeitig die Produktivität zu erhöhen und Prozesse zu vereinfachen. Als ergänzende Methode des Lean Managements stehen beim Kata-Coaching hohe Qualität und Kundenzufriedenheit im Fokus. Coaching-Kata umfasst zwei Schritte: Verbesserungs-Kata und Kata-Coaching. Mit dem Verbesserungs-Kata lernen Mitarbeiter die Abläufe ihres Jobs in- und auswendig. Dabei wird ihr Auge darin geschult, kontinuierlich nach Verbesserungsmöglichkeiten Ausschau zu halten und auftretende Probleme zu lösen. Mittels Coaching-Kata unterstützen Führungskräfte ihre Mitarbeiter in ihrer Mission nach ständiger Verbesserung. Die regelmäßigen Coaching-Sitzungen sollen das Selbstvertrauen und die Motivation der Mitarbeiter stärken. Im Gegenzug werden die Führungskräfte durch selbstständige Mitarbeiter entlastet.

Anzumerken ist, dass es sich beim Kata-Coaching um ein Coaching-orientiertes Führungsinstrument handelt, das sich als solches in wesentlichen Punkten vom gängigen Coaching-Verständnis einer personzentrierten und zeitlich begrenzten Prozessbegleitung unterscheidet. Zu nennen sind insbesondere das vorgegebene Ziel und die Charakterisierung als nie endender Prozess. Eine zentrale Parallele ist hingegen in dem Umstand zu sehen, dass das Coaching auf die Verbesserung von Selbstständigkeit und Problemlösekompetenz zielt.

Literatur

  • Czechowski, P. (2020). Was ist Lean Management? Definition und Methoden. IFM. Abgerufen am 02.11.2022: www.ifm-business.de
  • Institut für Integrierte Produktion Hannover (2022). Lean Management Methoden als Kernstück des Lean Managements. IPH. Abgerufen am 02.11.2022: www.iph-hannover.de
  • Keith, D. (2021). So funktioniert Kata Coaching. Business-Wissen. Abgerufen am 02.11.2022: www.business-wissen.de
  • Rother, M. (2013). Die Kata des Weltmarktführers. Frankfurt am Main: Campus.
  • Studyflix (2022). Kata. Studyflix. Abgerufen am 02.11.2022: www. studyflix.de
  • Sturm, A. (2019). Kata – Der Schlüssel zur Kampfkunst Karate. Karate. Abgerufen am 02.11.2022: www.karate-kampfkunst.de/kata/kata.htm
  • Toyota (2022). Toyota Lean Academy. Toyota. Abgerufen am 02.11.2022: www.toyota-forklifts.de/toyota-lean-academy

 

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