Beruf Coach

Wenn Coaches scheitern

Strategien zur Vermeidung von und zum Umgang mit Misserfolgen

8 Min.

Erschienen im Coaching-Magazin in der Ausgabe 2 | 2023 am 17.05.2023

Mit der Coaching-Zertifizierung in der Tasche starten neu ausgebildete Coaches voller Motivation und Vorfreude in ihr Berufsleben. Doch dann bleiben die Klienten aus oder eine Coaching-Situation erweist sich als besonders schwierig. Der Coach ist überfordert, der Klient unzufrieden. Es kommt sogar zum Abbruch des Coachings. Gründe, an denen Coaches scheitern können, gibt es viele. Auch erfahrene Coaches sind in der Regel nicht davor gefeit, im Laufe ihrer Karriere auf die ein oder andere besonders hohe Hürde zu stoßen. In diesem Artikel soll ein Überblick der gängigen Fallstricke rund um den Coaching-Beruf gegeben und diskutiert werden, weshalb es auch mal hilfreich sein kann, das Scheitern zu akzeptieren.

Scheitern im Coaching-Prozess

In Coaching-Prozessen können Coaches viele Fehler begehen, die zu einem Scheitern des Coachings führen. Im schlimmsten Fall – dem Coaching-Abbruch – entstehen allen beteiligten Parteien negative Konsequenzen, wie Prof. Dr. Carsten Schermuly (2019) erläutert: Dem Klienten sowie ggf. der auftraggebenden Organisation entgeht die Chance auf die positiven Effekte, die ein Coaching haben kann. Der Coach erleidet nicht nur einen finanziellen Verlust, sondern erfährt mit dem Abbruch oft einen deutlichen Angriff auf sein Selbstwertgefühl und sein Selbstverständnis als Coach. Natürlich ist es nicht immer ein alleiniges Verschulden seitens des Coachs, wenn ein Coaching-Prozess nicht zufriedenstellend verläuft. Sämtliche mögliche Fehlerquellen aufzuzählen, würde außerdem den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Doch können Coaches auf folgende Missgeschicke achten, um ein gescheitertes Coaching aktiv zu vermeiden:

Sich selbst in den Mittelpunkt drängen

In ihrer Podcastfolge zum Thema „Scheitern als Coach“ führen Dr. Christopher Rauen und Andreas Steinhübel (2022) den Punkt an, dass einige Coaches den Klienten und dessen Bedürfnisse außer Acht lassen. Statt darauf einzugehen, was der Klient möchte und braucht, drängen sie ihm z.B. ein zu hoch gestecktes Ziel auf oder möchten ein Thema bearbeiten, auf das der Klient keine Lust hat, bloß weil es in ihr eigenes Interessensgebiet fällt. Prof. Hansjörg Künzli (2013) warnt ebenfalls vor Coaches, die ihr persönliches Wertesystem auf den Klienten zu übertragen versuchen oder ihn nach den eigenen Vorstellungen ändern möchten.

Korrektes Vorgehen:

  • Der Coach sollte nicht versuchen, den Klienten gegen seinen Willen zur Einsicht bewegen zu wollen im Sinne von: „Aber Sie müssen doch einsehen, dass ...“ (Rauen, 2003).
  • Zielsetzungen sollten stets gemeinsam mit dem Klienten erfolgen (ebd.) und auf dessen Bedürfnisse zugeschnitten sein.
  • Der Coach ist nicht dazu da, dem Klienten einen fertigen Lösungsvorschlag zu präsentieren. Er soll ihn dabei unterstützen, eigenständig für ihn passende Wege zu finden (ebd.). Sofern der Coach Vorschläge einbringt, sind diese folglich als Reflexionsangebote zu verstehen und zu kommunizieren.

Zu hohe Erwartungen schüren

Wer seinem Klienten eine hundertprozentige Erfolgsgarantie zusichert, womöglich auch noch innerhalb kürzester Zeit, überhöht nicht nur sich selbst, sondern prädestiniert den Klienten zur Enttäuschung. Sollte der erwartete Erfolg ausbleiben oder nicht innerhalb der versprochenen Zeitspanne eintreten, verliert der Klient mit hoher Wahrscheinlichkeit an Motivation. Dies ist dem Coaching-Prozess abträglich: „Der Coach braucht bei Fällen, die eine längere Beratung erfordern, die bewusste Entscheidung des Klienten, einen Prozess mit Höhen und Tiefen einzugehen.“ (ebd.) Fehlende Motivation sowie unerfüllte Erwartungen des Klienten rangieren auf Platz zwei und drei der Liste an Coaching-Abbruchsgründen, die Schermuly (2019) auf Basis seiner Forschung erstellt hat.

Korrektes Vorgehen:

  • Zielsetzungen müssen realistisch umsetzbar sein (Rauen, 2003).
  • Sich nicht an einzelnen „Erfolgsmethoden“ festklammern, sondern auf die Bedürfnisse des Klienten eingehen (Künzli, 2013).

Defizitorientiertes Coaching

Im Coaching sollte einem Problem- immer mit einem Lösungs- und Ressourcenerleben begegnet werden, wie Dr. Alica Ryba im Interview mit dem Coaching-Magazin (Ebermann, 2021) anführt.

Findet diese Kontrastierung nicht statt, führt dies zu einer Verstärkung des Problems, so Dr. Alica Ryba (ebd.). Es sollte im Coaching darum gehen, eine einseitige Problemfokussierung aufzubrechen bzw. nicht zu forcieren. Eine einseitige Defizitorientierung kann sich zulasten des für den Coaching-Erfolg wichtigen Selbstwirksamkeitsempfinden eines Klienten auswirken. Hingegen kann die Wahrnehmung der eigenen Ressourcen auf Klientenseite positiv zum Selbstwirksamkeitsempfinden beitragen (Ebermann, 2022 a). Konzentrieren sich Coaches einseitig auf Defizite, für die eine Lösung gefunden werden muss, ohne Aspekte positiver Leistungs-, Entwicklungs- und Potenzialförderung einzubeziehen, befeuern sie damit das Stigma vom Coaching als „Nachsitzen für Leistungsschwache“ (Rauen & Steinhübel, 2022).

Verschlimmert wird das Ganze, wenn der Coach die Probleme durch etwaige Erfolgsversprechen kleinredet. So wird dem Klienten sowie seinem Arbeitgeber der Eindruck vermittelt, dass dem Klienten nicht gelingt, was der Coach locker schafft. Horst Rückle (2014) betont: „Wer ohne Kenntnis dessen, was der Partner als Problem erlebt, schon bagatellisiert, Lösungen verspricht oder belehrt, stellt damit oft schon zu Beginn die Weiche in Richtung Misserfolg.“ Überhaupt sollten sich Coaches davor hüten, Ansprüche von Perfektionismus zu verfestigen – z.B. wenn diese als Auftrag des Arbeitgebers kommen oder von einer jungen Führungskraft selbstauferlegt sind (Rauen, 2009).

Korrektes Vorgehen:

  • Eher auf ein ressourcenorientiertes Angebot setzen (Rauen & Steinhübel, 2022). Die Ergebnisse der Coaching-Marktanalyse 2022 (Rauen et al., 2022) zeigen, dass ressourcen- und entwicklungsorientierte Themen wie Reflexion und Entwicklung der Führungsrolle, Persönlichkeitsentwicklung oder Potenzialanalyse und -entwicklung zu den gefragtesten Themen gehören.

Kein Follow-up tätigen

Die letzte Coaching-Sitzung ist beendet. Nun fragen sich viele Coaches, was aus ihren Klienten werden wird. Werden sie tatsächlich die Erkenntnisse aus dem Coaching langfristig umsetzen können? Ein Coaching-Prozess kann auch nach der planmäßig erfolgten Abschlusssitzung als gescheitert betrachtet werden, z.B. wenn dem Klienten keine positiven Effekte zuteilwerden. Dann hat er oder der Auftraggeber letztlich Geld verschwendet. Tatsächlich haben Coaches in einer Studie zu Nebenwirkungen aus dem Coaching angegeben, dass sie oft darüber enttäuscht sind, keine Langzeitwirkung ihres Coachings beobachten zu können (Schermuly, 2015).

Korrektes Vorgehen:

  • Als Coach sollte man sich im Anschluss an den Coaching-Prozess systematisch danach erkundigen, was das Coaching dem Klienten gebracht hat – auch mit zeitlichem Abstand (Künzli, 2013). Natürlich ist dies an die zeitliche Bereitschaft des Klienten gekoppelt. Findet ein Follow-up statt, kann dies zur nachhaltigen Verankerung der erzielten Coaching-Erfolge beitragen. So erklärt Dr. Marc Lindart im Interview mit dem Coaching-Magazin (Ebermann, 2022 b, S. 17), dass seine Klienten gedanklich länger am Ball bleiben, „wenn es einen vereinbarten Zeitpunkt in der Zukunft gibt, an dem erneut auf das Erreichte geblickt wird.“

Scheitern im Beruf Coach

Neben missglückten Coaching-Prozessen kann man als Coach auch unternehmerisch scheitern. Rauen und Steinhübel (2022) führen im Podcast an, dass nicht jede Person zur Selbstständigkeit geeignet ist. Aber der Großteil der Coaches sind – zumindest teilweise – selbstständig (Rauen et al., 2022). Eine erfolgreiche Selbstständigkeit setzt eine gründliche Vorbereitung voraus. Dazu gehört, finanziell genügend abgesichert zu sein, um Durststrecken zu überstehen. Als selbstständiger Coach kann man es sich laut Rauen und Steinhübel (2022) auch nicht leisten, sich auf Erfolgen auszuruhen. Stattdessen raten die beiden erfahrenen Coaches, stetig die Entwicklungen am Coaching-Markt zu beobachten und fortwährend mitzuwachsen. Auch der Schritt in die Selbstständigkeit müsse gründlich überdacht werden. Angehende Coaches sollten sich fragen, aus welchen Gründen sie den Beruf überhaupt ausüben möchten. Gleich zu Beginn immense Stundensätze zu erwarten, sei beispielsweise oft ein Trugschluss, der in Enttäuschung mündet. Um für einen möglicherweise langwierigen Kampf zur Etablierung ausreichend motiviert zu sein, sollten sich Coaches – intrinsisch motiviert – voll für den Beruf entscheiden und es nicht etwa als einfache Alternative zum bisherigen Job verstehen.

Gescheitert. Und nun?

Über das Scheitern wird nicht gerne gesprochen. Dies gilt insbesondere für die Coaching-Branche, wie Künzli feststellt: „Coaching ist in Interaktion mit einer Welt entwickelt worden, die den Erfolg will und Misserfolg gerne ausblendet.“ (Künzli, 2013, S. 52) Doch kein Mensch ist fehlerfrei und Scheitern gehört zum Leben dazu. Rauen und Steinhübel plädieren daher für einen offenen Umgang mit dem Scheitern. Aus Fehlern – so ihre Argumentation – lassen sich schließlich Lehren ziehen. Dazu ist es notwendig, das Scheitern zu akzeptieren, um eine ungeschönte Reflexion überhaupt erst zu ermöglichen. Neben der selbstständigen Reflexion sollten Coaches zudem regelmäßig Supervision in Anspruch nehmen, um z.B. mit einem unparteiischen Kollegen ihre Misserfolgsmuster zu analysieren. (Rauen & Steinhübel, 2022)

Manchmal ist ein Scheitern des Coaching-Prozesses einfach unumgänglich. Wenn ein Coach krampfhaft an einem Klienten festhält, obwohl dieser statt in einem Coaching womöglich in einer Therapie oder bei einem Kollegen mit einem anderen Angebotsprofil besser aufgehoben wäre, tut er sich selbst und dem Klienten keinen Gefallen. Scheitern zu enttabuisieren, würde den Druck von Coaches – und im Endeffekt auch von den Klienten – nehmen, auf Biegen und Brechen Erfolgsgeschichten produzieren zu müssen.

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